Herr Minister, zum Diktat!

München - 20 Jahre ist es her, dass die Deutsche Rechtschreibung reformiert wurde. Ein wenig länger ist es her, dass Ludwig Spaenle, Kultusminister, auf seine Rechtschreibfähigkeiten getestet wurde. Zum Reform-Jubiläum haben wir ihn zum Diktat gebeten.
Sein letztes Diktat hat er in den 1970er-Jahren geschrieben, aber als bayerischer Schulminister ist Ludwig Spaenle, CSU, der Chef aller Lehrer und Schüler im Freistaat. Zum Jubiläum der deutschen Rechtschreibreform, die vor 20 Jahren beschlossen worden ist, viel Wirbel auslöste und letztlich in einer abgemilderten Version von 2006 bis heute gilt, haben wir Spaenle, 55 Jahre alt, zum Diktat gebeten. Die Aufgabe: Sätze, die nicht immer Sinn ergeben, aber voller Rechtschreibtücken stecken.
So schreibt es der Minister:
Ich bin nicht für die Schifffahrt zuständig, deshalb werde ich morgen Mittag Rad fahren – bei rauem Wetter.
So ist es richtig:
Ich bin nicht für die Schifffahrt zuständig, deshalb werde ich morgen Mittag Rad fahren – bei rauem Wetter.
Zahl der Fehler: 0
Die Regeln: Treffen in Zusammensetzungen wie Schifffahrt, stilllegen oder schusssicher gleiche Buchstaben aufeinander, wird keiner weggelassen. Eine Ausnahme gilt für Mittag oder Achtel. Korrekt ist auch Rad fahren – Getrenntschreibung ist nach der Rechtschreibreform der Normalfall. Anders wäre es in diesem Satz: Das Radfahren macht mir Spaß. Das liegt daran, dass aus dem Verb ein Substantiv wird – erkennbar am Artikel das. Bei sogenannten verblassten Substantiven gilt die Zusammenschreibung: preisgeben, stattfinden, teilnehmen. Bezeichnungen von Tageszeiten wie Mittag nach Wörtern wie gestern, heute oder morgen werden großgeschrieben. Allerdings wird mittags kleingeschrieben. Aus dem früheren rauh wurde durch die Reform rau – es wird jetzt geschrieben wie blau oder schlau, da es genauso klingt. Auch beim Känguru zum Beispiel fällt das -h am Ende weg.
So schreibt es der Minister:
Ich vergaß, daß das heiße Wasser ein bißchen naß war.
So ist es richtig:
Ich vergaß, dass das heiße Wasser ein bisschen nass war.
Zahl der Fehler: 3
Die Regeln: Nach einem langen Vokal bleibt das ß stehen, nach einem kurzen Vokal wird aus einem ß ein ss. Nach einem Doppellaut wie ei, ai, eu, äu, au bleibt immer ß. Das Wort daß gibt es gar nicht mehr.
So schreibt es der Minister:
Er ist neulich am Stammtisch sitzen geblieben, sie wird heuer in der Schule sitzenbleiben.
So ist es richtig:
Er ist neulich am Stammtisch sitzen geblieben, sie wird heuer in der Schule sitzenbleiben.
Zahl der Fehler: 0
Die Regeln: Man schreibt sitzen bleiben auseinander, wenn jemand im wörtlichen Sinne auf einem Stuhl sitzen bleibt. Bei übertragener Bedeutung (in der Schule sitzenbleiben) ist dagegen Zusammenschreibung möglich.
So schreibt es der Minister:
Mein Lieblingstier ist der Delfin.
So ist es richtig:
Mein Lieblingstier ist der Delfin.
Zahl der Fehler: 0
Die Regeln: Erlaubt ist auch die Varianten- und damit die alte Schreibweise Delphin. Wie Delfin werden weitere Fremdwörter angepasst, zum Beispiel Geografie statt Geographie, Tunfisch statt Thunfisch, Jogurt statt Joghurt.
So trennt der Minister:
Zu-cker, Kis-te
So ist es richtig:
Zu-cker, Kis-te
Zahl der Fehler: 0
Die Regeln: Die alte Regel Trenne nie st, denn es tut ihm weh ist hinfällig: Es wird zwischen s und t getrennt, und vor ck oder ch.
So schreibt es der Minister:
Wenn ich mich als Frisör selbständig machte, wäre dies mein Alptraum.
So ist es richtig:
Wenn ich mich als Frisör/Friseur selbständig/selbstständig machte, wäre dies mein Alptraum/Albtraum.
Zahl der Fehler: 0
Die Regeln: Frisör ist die empfohlene Schreibweise, die andere Variante ist dennoch erlaubt. Die Regel dahinter ist dieselbe wie beim Delfin: Häufig gebrauchte Fremdwörter werden der deutschen Sprache angeglichen. Bis zur Reform 1996 war nur selbständig richtig, inzwischen gelten beide Varianten. Der Duden empfiehlt selbstständig. Empfohlen wird auch die Schreibweise Albtraum, weil das Wort sprachgeschichtlich von Alb kommt, nicht von Alp, falsch ist aber auch die andere nicht.