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Diese Allgäuerin lebt nur in der Winterzeit

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Für sie gilt immer die Winterzeit: Ute Neu macht die Zeitumstellung nicht mit – seit 35 Jahren. © BR/Christoph Scheule

München/Wangen - Am Sonntag werden die Uhren wieder um eine Stunde vorgestellt. Nur Ute Neu aus dem Allgäu will den halbjährlichen Wahnsinn einfach nicht mitmachen. Und das seit 35 Jahren.

Update vom 2. März 2017: Die Uhren werden Ende März wieder von Winterzeit auf Sommerzeit umgestellt. Aber wird die Uhr im Frühjahr eigentlich vor- oder zurückgestellt? Wir haben abermals die wichtigsten Fakten zusammengefasst, die Sie zur ersten Zeitumstellung 2017 auf die Sommerzeit kennen sollten.

Update vom 11. Oktober 2016: Die Uhren werden wieder von Sommerzeit auf Winterzeit umgestellt. Wird die Uhr vor- oder zurückgestellt? Wir haben bereits zusammengefasst, was Sie zur zweiten Zeitumstellung 2016 auf die Winterzeit wissen müssen.

Ute Neu lebt ab Sonntag nach ihrer eigenen Zeit. Sie verweigert die Zeitumstellung. Ihre Uhren fasst sie, wenn überhaupt, nur zum Auswechseln der Batterien an. „Die Sommerzeit ist totaler Quatsch!“, sagt die Frau aus Wangen im Allgäu. Deshalb macht sie von Ende März bis Ende Oktober ihr eigenes Ding.

Schon seit 35 Jahren und so auch in der Nacht zu Sonntag, wenn alle anderen Deutschen den großen Zeiger wieder mal von zwei auf drei Uhr nach vorne drehen. Der Mensch lebt mit der Sonne, der Natur, nach hell und dunkel, sagt die 59-Jährige. „Wer sich dagegen sträubt, der macht sich krank.“ Hat sie einen Arzttermin um 9 Uhr, trägt sie ihn in ihrem Kalender auf 8 Uhr ein. „So einfach ist das.“

Für dreiviertel aller Deutschen wäre das viel zu kompliziert. Die Zeitumstellung einfach so zu verweigern, kommt für sie gar nicht in Frage. Sie ganz abschaffen, damit wären sie einverstanden. Das geht zumindest aus einer neuen Forsa-Umfrage hervor. Demnach hat jeder fünfte Bayer mit der Zeitumstellung zu kämpfen.

Die Ursache sitzt tief in uns, ist genetisch bedingt und kann von nichts und niemandem gesteuert werden: die innere Uhr. In jedem tickt sie anders. „Der Frühaufsteher hat mit der Zeitumstellung keine Probleme“, sagt Martha Merrow, Chronobiologin an der LMU München. Aber für Spätaufsteher, Morgenmuffel und Schlafmützen wirkt sich diese eine Stunde weniger Schlaf wie ein Mini-Jetlag aus – man fühlt sich müde, ist unkonzentriert, leicht reizbar und schlechter gelaunt.

Selbst Kühe bekommen die Zeitumstellung zu spüren

Im Alltag kann das verheerende Folgen haben. „Es gibt Statistiken, die belegen, dass das Risiko für Unfälle und Schlaganfälle in den ersten Tagen nach der Zeitumstellung höher ist“, sagt Merrow. Eine andere Statistik besagt, dass am Montag 25 Prozent mehr Menschen mit Herz-Rhythmus-Störungen zum Arzt gehen als sonst.

Selbst Kühe bekommen die Zeitumstellung zu spüren. Am Sonntagmorgen wird sie nämlich nicht schon erwartungsvoll vor dem Melkstand stehen und auf den Landwirt warten, sondern vermutlich noch verträumt in ihrer Box liegen. Weil der Bauer sie durch den ungewohnten Weckruf aus dem Rhythmus bringt, gibt sie nachweislich bis zu einem Liter weniger Milch.

Wobei sich die Sorgen des Landwirts im Grunde noch in Grenzen halten. Wesentlich besorgter werden in den kommenden Tagen all jene sein, die ein Herz für Wildtiere haben. Bislang konnte das Reh um sechs Uhr morgens einigermaßen ungestört die Straßen überqueren.

Wenn jedoch am Montagmorgen der Berufsverkehr urplötzlich eine Stunde früher an Wiesen und Wäldern vorbeirast, könnte das für viele Tiere fatale Folgen haben. Zumal der Autofahrer in diesen Tagen ohnehin nicht ganz so konzentriert hinter seinem Steuer sitzt. Und alles nur wegen dieser Sommerzeit, die 1980 eigentlich nur eingeführt wurde, um ein bisschen Energie zu sparen.

Soll die Sommerzeit abgeschafft werden?

Ist das noch sinnvoll? Mittleweile wird jedes Jahr darüber diskutiert, die Sommerzeit wieder abzuschaffen. Der neueste Versuch stammt von Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner. Schon im vergangenen Jahr hatte sie im Freistaat Unterschriften gesammelt, damals kamen magere 2200 zusammen.

Diesmal versucht es Aigner gleich ein paar Ebenen höher. Gemeinsam mit CSU-Europagruppenchefin Angelika Niebler will sie einen Vorstoß gegen die Sommerzeit auf europäischer Ebene starten.

„Das ist auch der einzige Weg“, sagt Ute Neu. Sie selbst kämpfte in den 1990er-Jahren mit allen Mitteln, sammelte Tausende von Unterschriften und landete sogar schon vier Mal vor Gericht, weil sie ihre Kinder eine Stunde später in die Schule schickte.

„Ich wollte sie nicht unnötig aus dem Tiefschlaf reißen.“ Das erste Mal bekam sie vor Gericht sogar recht. Den Kampf um eine durchgehende Winterzeit hat sie aber verloren und schon seit vielen Jahren nicht mehr aufgenommen.

Aber die Hoffnung lebt. „Russland hat heuer nicht umgestellt, die Franzosen wollen die Sommerzeit schon lange abschaffen“, sagt sie. „Und 75 Prozent der Deutschen mittlerweile auch.“

Auch der BR hat über Ute Neu berichtet.

Johannes Schelle

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