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SPD-Landrat Trapp: "Flüchtlinge haben eine Bringschuld"

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Von: Dirk Walter

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„In drei Jahren wird es in Talkshows heißen, die Politik hat versagt“ – Landrat Heinrich Trapp (l.) im Gespräch mit Flüchtlingen vor einer Unterkunft in Landau an der Isar. Foto: LRA Dingolfing-landau
„In drei Jahren wird es in Talkshows heißen, die Politik hat versagt“ – Landrat Heinrich Trapp (l.) im Gespräch mit Flüchtlingen vor einer Unterkunft in Landau an der Isar. © LRA Dingolfing-Landau

München - Er ist der dienstälteste Landrat Bayerns - und für einen SPD-Politiker sind seine ungeschminkten Äußerungen zur Flüchtlingsintegration eher ungewöhnlich. Ein Interview mit Heinrich Trapp, dem Landrat von Dingolfing-Landau.

Heinrich Trapp ist seit 1991 Landrat im niederbayerischen Dingolfing-Landau, er ist der dienstälteste Landrat Bayerns. Der Politiker trat vergangene Woche bei einem SPD-Kommunalgipfel zur Flüchtlingsintegration auf und schilderte recht ungeschminkt seine frustrierenden Alltagserfahrungen – Äußerungen, die man bei der SPD eher selten hört. Grund genug für ein Interview.

Herr Trapp, Sie haben bei einem SPD-Kommunalgipfel gesagt: Wir schauen den Flüchtlingen in die Augen und sehen die Probleme. Welche sind das?

Eine Vielzahl. Das beginnt schon bei den Unterkünften. Wir sind ein ganz normaler Landkreis, haben derzeit gut 1000 Asylbewerber und Flüchtlinge, 600 davon sind dezentral untergebracht. Wir bringen die Zuwanderer in Pensionen unter und mieten Häuser an. Niemand sollte glauben, dass man da offene Türen einrennt. Oft wohnen die Vermieter nicht am Ort, sondern weit weg. Jede Unterkunft hat ihren hohen Preis. Die Regierung von Niederbayern zahlt für ein Einfamilienhaus mit 180 m² Wohnfläche eine monatliche Miete von über 4200 Euro inklusive Nebenkosten; 20 Euro pro Tag und Person, wenn Pensionen genutzt werden müssen.

4200 Euro ist in Dingolfing-Landau wohl nicht die ortsübliche Miete?

Nein. Vollkommen ausgeschlossen, dass das sonst jemand zahlt.

Aber es gibt Wohnungsmangel.

Sicherlich. Der Wohnungsmarkt ist total überhitzt und funktioniert kaum noch. Das ist auch ein Problem für viele Syrer, die schon das Bleiberecht haben und jetzt Unterstützung durch Hartz IV und die Kosten der Unterkunft erhalten. Die müssten sich selbst eine Wohnung suchen – aber die finden sie nicht. Das wird ein großes Dilemma werden und frustriert vor allem die ehrenamtlichen Helfer, die auch keine Wohnungen herbeizaubern können.

Sie haben gesagt, die Syrer hätten eine Sonderrolle. Inwiefern?

In den Unterkünften gibt es Eifersucht, Neid und Streit zwischen den Nationalitäten. Fast könnte man sagen, es gibt Flüchtlinge 1. und 2. Klasse. 1. Klasse – das sind die Syrer, die seit September eine Sonderstellung haben, weil sie sehr schnell die Aufenthaltserlaubnis erhalten. Mit längerer Aufenthaltsdauer entwickelt sich bei einem immer größer werdenden Teil der Syrer eine unangemessene Anspruchs-Haltung, die vor allem unsere freiwilligen Helfer unangenehm zu spüren bekommen. Du musst mir helfen, heißt es dann. Warum bekomme ich keine Wohnung? Wo ist mein Job? Warum ist das warme Essen noch nicht da?

Wie läuft es mit den Sprachkursen?

Mit den Syrern haben wir noch wenig Erfahrungen, sind aber vorsichtig optimistisch. Mit Irakern, Somaliern, Eritreern und Senegalesen haben wir eher durchwachsene Erfahrungen. Es gibt Sprachkurse ehrenamtlicher Helfer, die beginnen mit 20 Leuten, und nach einer Woche sind es nur noch vier. Es gibt Flüchtlinge, die lehnen es ab, von Frauen unterrichtet zu werden. Generell haben wir viel mehr Analphabeten unter den Flüchtlingen, als man erwartet hatte – auch bei den Syrern, wo wir eigentlich eine überdurchschnittliche Schulbildung vermutet hatten. Da wird vieles überschätzt: Wer im Irak als Schreiner arbeitete und mit Säge und Hobel geschickt ist, muss sich in einem deutschen Betrieb mit computergesteuerten Maschinen erheblich nachqualifizieren lassen. Anderes Beispiel: Für BMW entsteht bei uns in Wallersdorf ein neues Logistikzentrum für Ersatzteile. Zusammen mit der Agentur für Arbeit übernehmen wir die Kosten für 20 Ausbildungsplätze im Berufsbildungswerk Waldkraiburg – speziell für Flüchtlinge. Wir haben bis jetzt keinen einzigen, der die Voraussetzungen erfüllt, also einigermaßen Deutsch kann. Die, die wir im Auge hatten, haben diese Chance nicht genutzt. Ich sage Ihnen Folgendes: In drei Jahren wird es in den Talkshows heißen, die Politik hat versagt, hat den Flüchtlingen nicht genügend Deutsch beigebracht und nicht genug Wohnungen geschaffen. Da ist viel billige Polemik programmiert.

Was kann man tun?

Wir müssen die Flüchtlinge vom ersten Tag an fordern und ihnen klarmachen, dass es bei uns Regeln gibt, die für alle gelten. Ich rege an, mit jedem Zuwanderer eine Vereinbarung darüber zu treffen, was er tun kann und will, um die Sprache zu lernen und hier heimisch zu werden.

Ist Integration auch eine Frage des Alters?

Ja, das Alter ist ein wesentliches Kriterium für die Erfolgsaussichten. Die Kinder und Jugendlichen werden es am ehesten schaffen, wenn sie dazu von ihren Eltern unterstützt werden. Das sieht man bei den berufsschulpflichtigen Flüchtlingen. Sie haben 17 Stunden Berufsschulunterricht und 18 Stunden Gesellschaftskunde in der Woche. Da haben wir eine recht hohe Erfolgsquote. Die Lehrer sagen: Wir haben selten so fleißige, hilfsbereite und ambitionierte Schüler erlebt. Wir bräuchten allerdings mehr Plätze in den Berufsschulen. An der Berufsschule Dingolfing fallen zurzeit schon 80 Stunden Pflichtunterricht wegen Lehrermangels aus. Allerdings: Ab 25 Jahren aufwärts ist die Bereitschaft, sich hier anzustrengen, bei vielen nicht sehr ausgeprägt. Ein Caritas-Betreuer, der wirklich unverdächtig ist, sagte mir, bei vielen afrikanischen Flüchtlingen brauche er vor halb elf Uhr keinen Termin ausmachen. Die Bereitschaft, früh aufzustehen oder pünktlich zu sein, sei nur rudimentär entwickelt. Ein Sonderproblem ist neuerdings der Schulbesuch von Mädchen. Es gibt bei zahlreichen Flüchtlingen Vorbehalte, ihre Töchter in die Schulbusse zu setzen, wo sie wegen der Enge in körperliche Berührung mit Jungs kommen könnten. Hier muss man einfach sagen: Leute, ihr werdet in unserem Land nur eine Zukunft haben, wenn ihr bereit seid, unsere gesellschaftlichen Regeln zu respektieren und Deutsch zu lernen. Sonst droht eine Parallelgesellschaft.

Der Nürnberger OB Maly sagt, bei Asyl könne es keine Obergrenze geben. Stimmen Sie zu?

Beim Anspruch auf Asyl ja. Bei den Flüchtlingen sieht auch die UNO Kontingente als probates Instrument an, um die Nachbarländer der Konfliktstaaten zu entlasten. Da muss auch der Aufenthalt begrenzt werden können. Einen Kardinalfehler merkt man, wenn man mit den Flüchtlingen redet. Sie sagen, Mama Merkel hat uns eingeladen. Das bekommen unsere Helfer zu spüren. Ein Helfer, der sich seit drei Jahren engagiert, sagte mir, er sei total fertig. Frustriert, weil die Infrastruktur fehlt, um richtig helfen zu können; frustriert aber auch von den Asylbewerbern selber, weil sie so wenig Eigeninitiative und Bereitschaft zeigen, sich in diese Gesellschaft zu integrieren. Viele Außenstehende sehen ziemlich blauäugig zu. Bei uns ist so eine Pfadfinder-Hilfsbereitschaft da, die ja auch wichtig ist, vor allem in der Anfangszeit. Aber das ist nicht alles, viele Flüchtlinge werden lange hier leben. Den Kommunen werden dann Verantwortung und Ärger bleiben, wenn das private Engagement bröckelt.

Haben Sie nicht die Befürchtung, dass Sie jetzt von der falschen Seite Applaus bekommen?

Ich sehe, dass es aus dem Ruder läuft. Das nicht zu sagen, wäre auch der falsche Weg. Es läuft gewaltig aus dem Ruder, weil die Erwartungen zu unterschiedlich sind und wir viele der Asylbewerber sprachlich nicht erreichen. Wir müssen den Flüchtlingen sagen: Von Euch wird auch etwas erwartet. Man tut den Flüchtlingen was Gutes, wenn man ihnen eine gewisse Bringschuld für ein gutes Miteinander kenntlich macht, wenn sie als Gäste in einem fremden Land sind, bei Menschen, die ihnen helfen wollen.

Das Gespräch führte Dirk Walter

Nachsatz: Landrat Trapp hat seine Position auch in einem Brief an Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles dargelegt. Der Brief endet mit dem Appell: „Ich bitte Sie, die Zuwanderer vom ersten Tag an zu fordern.“

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