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Christian Springer und Michael Altinger zum BR-„Schlachthof“: Es wird immer aggressiver

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Von: Rudolf Ogiermann

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Titel: schlachthof
Untertitel: Live-Kabarett mit Michael Altinger und Christian Springer
Sauber eingeschenkt: Seit 2013 moderieren Christian Springer (li.) und Michael Altinger die Sendung „Schlachthof“ im BR Fernsehen, eine Mischung aus Soli und (Kabarett-)Talk. Heute steht die 100. Ausgabe auf dem Programm. © Markus Konvalin

Pannen, Lob, böse Zuschauerbriefe an die Intendanz, unvorbereitete Kollegen und dann auch noch die Pandemie mit ihren Folgen für Fernsehproduktionen - Christian Springer (58) und Michael Altinger (52), die Gastgeber der Kabarettsendung „Schlachthof“ im BR Fernsehen, haben aus Anlass der 100. Ausgabe einiges zu erzählen.

Es war ein schweres Erbe, das Michael Altinger und Christian Springer im Jahr 2013 antraten. Ein „Schlachthof“ ohne Otti, kann das gut gehen? Es kann! Die beiden Kabarettisten haben ein treues Publikum, im vergangenen Jahr sahen Ausgabe für Ausgabe im Schnitt immerhin 1,2 Millionen Fans bundesweit zu, davon mehr als die Hälfte aus Bayern. Heute steht um 21 Uhr im BR Fernsehen die 100. Sendung auf dem Programm, Jubiläumsgäste sind Claudia Pichler, Frank Lüdecke und Abdelkarim.

Herr Altinger, in einem Interview, das unsere Zeitung mit Ihnen vor zehn Jahren zum Start des neuen „Schlachthof“ geführt hat, haben Sie gesagt, dass Sie das Ungeplante reize. Wie oft war in all den Jahren, in denen Sie beide die Sendung präsentieren, etwas wirklich ganz ungeplant?

Michael Altinger: Das ist schon hin und wieder vorgekommen, als es noch live war. Da ist während der Moderation mal der Teleprompter ausgefallen, oder ein Kollege hat etwas gesagt, was das Publikum sehr irritiert hat. Ich erinnere mich sehr gut daran, dass Matthias Egersdörfer mal nach seinem Solo von der Bühne abgegangen ist und einen Zuschauer angeschnauzt hat: „Was schaust’n so bled?!“ Mittlerweile zeichnen wir ja auf.
Christian Springer: Aber es kommt durchaus vor, dass eine Panne dringelassen wird, wenn sie besonders gut ankommt. Im Fernsehen soll ja immer alles perfekt sein, aber wir wissen alle, dass die Leute es lieben, wenn Pannen passieren.

Sie, Herr Springer, gelten eher als politischer Kabarettist, Sie, Herr Altinger, sind eher einer, der, wie man so schön sagt, dem Volk aufs Maul schaut. Gab’s zwischen Ihnen auch schon mal inhaltliche Meinungsverschiedenheiten? Einen Streit darüber, ob eine Nummer zu scharf oder zu wenig scharf ist?

Altinger: Es ist tatsächlich oft der Christian, der etwas mehr Schärfe hineinbringt.
Springer: Wobei diese Charakterisierung eigentlich ein Klischee ist, weil ich schon auch wahnsinnig viel Quatsch im Kopf habe und der Michael auf der anderen Seite nicht wirklich unpolitisch ist. Es gibt da keine Podeste, die man nicht verlässt, der „Schlachthof“ ist für uns eine Plattform, die uns die Möglichkeit gibt, die ganze Bandbreite des Kabaretts aus uns herauszukitzeln.

Gibt es viele Briefe und Mails an die Redaktion oder an Sie persönlich, Beschwerden, Beschimpfungen – oder vielleicht auch mal Lob?

Altinger: Eigentlich gibt’s nur Lob. (Lacht.) Nein, es kommt schon viel von ganz rechts.
Springer: Wir sind ja beide auch in Sozialen Netzwerken vertreten, das heißt, jeder von uns kriegt separat Zuschriften, einiges erreicht uns über unsere Agenturen, und natürlich geht auch viel an den BR. Der älteste Zuschauer schreibt noch in Sütterlin und schickt den Brief per Post...
Altinger: ...und zwar direkt an die Intendanz.

Hat das zugenommen im Lauf der Jahre? Man hat ja das Gefühl, dass die Leute immer aggressiver werden, gerade in den Sozialen Netzwerken.

Altinger: Der Ton ist bei vielen wirklich sehr aggressiv, und es fehlt nie der Hinweis, dass das, was wir da machen, von ihren Gebühren bezahlt wird. Aber es gibt tatsächlich auch Zuschauerinnen und Zuschauer, die uns ermutigen, genau so weiterzumachen.
Springer: Was leider auch zugenommen hat: Selbst die schlimmsten, haarscharf am Justiziablen vorbeigehenden Beschimpfungen und Beleidigungen sind nicht mehr mit „Teddybär“ und dergleichen unterzeichnet, sondern die Leute schreiben unter vollem Namen und mit vollständiger Adresse. Sie fühlen sich stark, weil sie Gleichgesinnte um sich wissen. Das ist erschreckend.

Beeindruckt, beeinflusst Sie das? Bringt es Sie dazu, die eine oder andere Spitze wegzulassen?

Springer: Wir reden schon darüber, nicht über Inhalte, aber über manche Formulierungen. Sollten wir gendern, darf man noch „Indianerhäuptling“ sagen?
Altinger: Diese Zuschriften haben keinen Einfluss auf unsere Arbeit, aber es ist schon so, dass mich das beschäftigt, wenn mich jemand heftig angeht. Ich denke mir dann: Was bewegt diesen Menschen dazu, in so einer Sprache auf etwas zu reagieren, das vielleicht ganz anders gemeint war. Aber ich kann das dann auch wieder abhaken.

Einen „Schlachthof“ gab’s schon vor Ihnen, hat sich Ottfried Fischer jemals zu seinen Nachfolgern geäußert?

Springer: Wir beide sind ja befreundet mit dem Ottfried und in einem guten Kontakt. Ich glaube, diese Sendung mit uns beiden gäbe es nicht, wenn er nicht seinen Segen dazu gegeben hätte. Wir haben ja nicht ein Schiff neu gezimmert, sondern nur das Ruder übernommen. Mir fällt es nicht schwer zu sagen: Danke Ottfried, dass Du uns den „Schlachthof“ übergeben hast!
Altinger: Wobei wir die Sendung schon weiterentwickelt haben. Sie ist bunter geworden, der Stammtisch ist nicht mehr ganz so dominant, wie er es bei „Ottis Schlachthof“ war.

Gibt es Kolleginnen und Kollegen, die Sie auf keinen Fall einladen würden?

Altinger: Sagen wir so: Es gibt Kolleginnen und Kollegen, die wir präferieren.
Springer: Wir haben noch nie jemanden ausgeladen. Aber eventuell sprechen wir gerade von denen, die von sich aus auch nicht zum Altinger und zum Springer kommen wollen.

Der schlimmste Gast in zehn Jahren?

Altinger: Was man immer wieder mal erlebt, ist, dass sich Kolleginnen oder Kollegen nicht gut vorbereiten. Da will ich jetzt auch keine Namen nennen, aber es kommt schon vor, dass jemand in der Generalprobe sitzt und sagt: „Auf diese Frage weiß ich jetzt überhaupt keine Antwort.“ Dabei sind die Gäste seit Tagen darüber informiert, worum es gehen wird. Und dann kommen die da rein ins Studio und hoffen, dass wir das irgendwie retten werden. Da werde ich schon mal nervös.
Springer: Wir haben aber für solche Momente Thomas Lienenlüke, der auch unser Hauptautor ist. Der nimmt sich dann dieser Kollegen an und überlegt sich etwas mit ihnen, damit sie die Sendung gut überstehen.

Sind unter denen, die sich nicht vorbereiten, mehr Männer oder mehr Frauen?

Altinger: Es sind nur Frauen! (Lacht.) Nein! Das kommt bei beiden Geschlechtern vor.

Die 100. Sendung könnte ja Anlass sein, mal etwas im großen Stil zu ändern...

Altinger und Springer: (Gleichzeitig, lachend.) Neeeiiin, bitte keine Änderungen!
Springer: Wir haben wegen Corona genug anders machen müssen als vorher. Plötzlich waren am Stammtisch vier Plexiglasscheiben zwischen uns, ich hab’ den Michael manchmal gar nicht mehr verstanden. Es war oft eiskalt im Studio, weil wir dauernd gelüftet haben. Wir waren froh, wenn es mal zwei Folgen hintereinander keine Neuerungen gab.
Altinger: Wir mussten in der Zeit der Pandemie die Sendung wirklich neu erfinden. Der Ablauf ist jetzt etwas anders, es gibt Zuspieler, die man in eine Live-Sendung gar nicht ohne Weiteres einbauen könnte. Mit der ersten hat die 100. Ausgabe nicht mehr allzu viel zu tun.

Ottis Schlachthof
Legendär: „Ottis Schlachthof“ mit Ottfried Fischer. © Ralf Wilschewski

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