Hofgut erwacht aus Dornröschenschlaf

Im Heilbrunner Ortsteil Nantesbuch entwickelt sich derzeit eines der größten Projekte in der Region. Unternehmerin Susanne Klatten will hier ein internationales Publikum anlocken – Schwerpunkte sind Landwirtschaft und Kultur. Doch was ist genau geplant?
Nantesbuch ist ein Ortsteil von Bad Heilbrunn an der Grenze zu Königsdorf. Wer dorthin fährt, sieht zuerst die Baustelle auf der Hofstelle Karpfsee. Dort wurde am 22. Juli die Grundsteinlegung für ein Landwirtschaftsgebäude und Gästehaus gefeiert (wir berichteten). Fährt man ein kurzes Stück weiter durch die Moor- und Waldlandschaft, kommt man nach Nantesbuch. Auch dieses Areal (derzeit hat dort eine Baufirma ihren Betriebssitz) gehört zum Klatten-Besitz. Gemeinsam bilden sie die Stiftung Nantesbuch gGmbH, die Klatten 2012 gegründet hat. Vorbesitzer war die Stadt München.
Bleiben wir zuerst in Karpfsee. Hier werden derzeit ein Gästehaus und ein landwirtschaftliches Gebäude neu gebaut. Architekt Florian Nagler hat die beiden Komplexe so angeordnet, dass sie einen gemeinsamen, zirka 130 Meter langen Baukörper bilden: rechts das Gästehaus, links der landwirtschaftliche Bereich mit Tenne und Platz für Fahrzeuge und Gerätschaften. In der Mitte befindet sich eine Empfangshalle, durch deren Glasfronten man im Westen und Osten die Natur erblickt. Denn Karpfsee liegt leicht erhöht und bietet einen traumhaften Ausblick über Wald, Wiesen und Moor. „Wir wollen hier behutsam etwas Neues aufbauen, das in höchstem Maße Rücksicht auf das Bestehende und auf die uns umgebende Natur nimmt“, sagte Susanne Klatten bei der Grundsteinlegung.
Die Landwirtschaft nimmt in Karpfsee einen breiten Raum ein. Laut Dr. Konstantin Reetz, einem der beiden Geschäftsführer der Stiftung, unterteilt sich die Arbeit in vier Bereiche: Landschaftspflege, Renaturierung, Forstwirtschaft und Landwirtschaft. Denn zu dem Besitz gehören 320 Hektar Gelände. 200 Hektar sind an über 30 Landwirte in der Region verpachtet, und das kann auch so bleiben. 120 Hektar werden selbst bewirtschaftet.
Schon bevor die Bauarbeiten in Karpfsee begannen, hat die Stiftung Renaturierungsmaßnahmen im Moos durchgeführt. Das Gelände gehört zum riesigen Loisach-Kochelsee-Moos, das sich im Landkreis von Kochel bis nach Deining erstreckt. „Es ist ein Ziel der Stiftung, der Natur ihren Raum zu geben“, sagt Reetz. Einige Projekte entstanden auch als Ausgleichsmaßnahmen, denn die Stiftung hat einen Teil der Straße verlegen lassen, damit die Zufahrt zu Nantesbuch nicht unmittelbar durch die Hofstelle Karpfsee führt. So wurden zum Beispiel Entwässerungsgräben am Moorrand verschlossen, damit sich Feuchtgebiete wieder ausbreiten können. „Außerdem wurden über 1000 Bäume und Sträucher am Waldrand gepflanzt“, sagt Reetz. Auf der Hofstelle wird ein Verwalter wohnen, der die Arbeiten im Gelände koordiniert. Alles finde in enger Absprache mit den zuständigen Behörden wie zum Beispiel der Unteren Naturschutzbehörde im Landratsamt statt.
Die Stiftung hält zwölf Stück Vieh. Es handelt sich um Heckrinder. Dieses Rind ist so etwas wie eine „Rückzüchtung“ des ausgestorbenen Auerochsen. „Die Tiere sind das ganze Jahr im Gelände, sommers wie winters“, sagt Reetz.

Das Gästehaus wächst Stück um Stück. Im Erdgeschoss werden bestehende Wände des alten Gebäudes integriert und soweit wie möglich sichtbar gemacht: Dort, wo einst der Kuhstall war, werden einige der Tagungsgäste ab 2017 ihre Räume beziehen können. Geplant sind 14 Zimmer. Zudem gibt es zwei Tagungssäle, ein Kaminzimmer, einen Verpflegungsbereich, eine Küche und eine Küche für Selbstkocher. Das Angebot richtet sich ausschließlich an die Besucher des Gästehauses. „Wir bieten keine Gastronomie für Tagesausflügler an“, sagt Reetz.
Welche Seminar-Zielgruppen man ansprechen will, wird derzeit ausgelotet. „Die Inhalte und Formate werden in enger Rücksprache mit Susanne Klatten diskutiert“, sagt Reetz. Im Kern soll es sich um Bildungsangebote zu den Themen Kunst und Natur handeln, bei denen auch kulturelle, philosophische und ökologische Fragen diskutiert werden. Kinder und Jugendliche sollen ebenfalls eingeladen werden.
Auf der Homepage von Nantesbuch drückt es Klatten folgendermaßen aus: „Die Stiftung sieht sich dem Gedanken verpflichtet, das Bewusstsein für den Wert von Kunst, Kultur und Natur und damit ein achtsames und verantwortungsvolles Handeln des Einzelnen in der Gesellschaft zu stärken.“ Es sei das Ziel, „den Menschen einen Raum eigenen Erlebens, der Erfahrung und Entfaltung im Spannungsfeld von Kunst und Natur zu eröffnen.“
Bei der Grundsteinlegung hatte Klatten von der Atmosphäre in Nantesbuch geschwärmt: „Je mehr man in diesen Flecken Erde eintaucht, desto deutlicher ist der Effekt: Die Geschwindigkeit verringert sich, die Augen und Ohren beruhigen sich, die Ruhe, die sich ausbreitet, beeinflusst unwillkürlich die eigenen Bewegungen und Gedanken“, sagte sie. Dieses „Prozedere“, wie Klatten sich ausdrückte, stelle sich jedes Mal ein, wenn sie den Weg aus der Stadt hierher nehme. Und das sei für sie von großer Bedeutung: „Es bildet die Grundlage für die tiefgehende Auseinandersetzung mit Kunst und Natur, wie sie hier möglich werden soll.“
Die Seminare und „aktiven Formate“ werden von der Stiftung selbst angeboten. Externe Veranstalter will man sich ins Boot holen, „wenn es stimmt und sie unsere Philosophie teilen“, sagt Geschäftsführer Reetz. Die Stiftung will nicht nur ein Publikum in ganz Deutschland ansprechen, sondern denkt auch an den europäischen und internationalen Raum. In dieser Hinsicht ist auch das Marketing ausgerichtet. „Wir freuen uns über Gäste aus der Region, beschränken uns aber nicht ausschließlich auf diese Zielgruppe.“
Soweit zur Hofstelle Karpfsee. Das Gut Nantesbuch, ein Stück entfernt gelegen, wird später einmal der Hauptsitz der Stiftung sein. „Der ganze Bereich wird neu überplant“, sagt Reetz. Die Planungsphase wird aber noch ein paar Jahre dauern. In Nantesbuch soll eines Tages die Altana-Kunstsammlung (siehe Kasten) von Klatten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. In wechselnden Ausstellungen werden Teile davon zu sehen sein – auch für Einheimische und nicht nur für Tagungsgäste. Angedacht sind langfristig auch kulturelle Veranstaltungen unterschiedlicher Art, also auch Musik, Kunst und Literatur.
Bleibt noch die Frage, wie viele Millionen Susanne Klatten in Bad Heilbrunn investiert – dazu gibt’s allerdings von der Stiftung keine Auskunft.
Von Christiane Mühlbauer