Manche Asylbewerber holen Geld doppelt ab

Fürstenfeldbruck - Die Fürstenfeldbrucker Polizei geht einer Reihe von Betrugsfällen mit der sogenannten Yellow Card nach. Sie ermöglicht es, dass Asylbewerber ihr Taschengeld doppelt oder sogar dreifach abholen. Mittlerweile sind bereits 27 Anzeigen erstattet – und die Polizei geht von einer hohen Dunkelziffer aus.
Ein Asylbewerber kassiert sein Taschengeld (140 Euro je Monat sind vorgesehen) in der Münchner Bayernkaserne und wenige Tage darauf die gleiche Summe gleich noch einmal in der Erstaufnahme-Einrichtung am Fürstenfeldbrucker Fliegerhorst. Eine in Italien gemeldete Asylbewerberin pendelt regelmäßig nach Bruck, um dank ihres zweiten Asylantrags hierzulande Leistungen abzuholen – sie kassiert ebenfalls doppelt. Ein mutmaßlicher Senegalese, der dieser Tage aufgegriffen wurde, hatte sogar Ausweise über drei verschiedene Identitäten bei sich – er könnte sein Taschengeld also dreimal kassieren.
Erst gestern – Mittwoch ist im Fliegerhorst in der Regel der Tag der Geldausgabe – kamen drei

weitere Fälle dazu. Im Zentrum der Betrügereien und Betrugsversuche steht die sogenannte Yellow Card. Das ist ein Ausweispapier mit Angaben zur Person, zur Unterkunft, zum erfolgten Gesundheitscheck und Angaben zum Anhörungstermin beim Bundesamt. Vor allem ist die Yellow Card quasi ein Heimausweis, eine Art Berechtigungskarte für den Zutritt zur jeweiligen Erstaufnahme-Einrichtung – im Brucker Fall also zum Fliegerhorst, wie ein Sprecher des Brucker Landratsamts erklärt. Dort leben aktuell 1200 Flüchtlinge.
Die Yellow Card gilt als Notausweis bis zur Weiterleitung eines Flüchtlings in die Zuständigkeit einer Kommune respektive des Landkreises. Wird der Asylbewerber einem Landkreis zugeteilt, wird die gelbe Karte eingezogen und durch die Aufenthaltsgestattung (das ist ein rot-grünes Faltblatt) ersetzt. Einige warten auf diese Weiterleitung allerdings monatelang in der Erstaufnahmeeinrichtung.
Offenbar kursieren – möglicherweise aufgrund von Zweitausstellungen oder privater Weitergaben – wesentlich mehr solcher Yellow Cards, als es korrekt wäre. So kommt es zu den Unregelmäßigkeiten, die manchmal bei der Geldausgabe im Fliegerhorst auffallen, öfter aber bei Routine-Kontrollen, wie ein Sprecher der Fürstenfeldbrucker Polizei erklärt. Auf den Yellow Cards sind zwar Fotos der jeweiligen Flüchtlinge abgedruckt. Für Westeuropäer seien gerade dunkelhäutige Menschen aus Schwarzafrika aber oftmals schwer zu unterscheiden. Dazu kommt die schlechte Qualität der Fotos.
Ein Problem sind außerdem die Unterschriften der Flüchtlinge. Oftmals handelt es sich dabei nur um einen Punkt oder einen Bleistiftschwung – eine Identifizierung wird unmöglich. So kann es durchaus vorkommen, dass sich ein Asylbewerber in der Schlange zur Geldausgabe mit einer zweiten Yellow Card ein zweites Mal anstellt und kassiert, ohne dass es jemand bemerkt, schildert der Polizeisprecher.
Die zusätzlichen Karten, das haben Ermittlungen ergeben, stammen sehr häufig von Flüchtlingen, die Deutschland wieder verlassen haben und sie einfach weitergegeben haben. Manchmal behaupten Flüchtlinge auch, die erste Yellow Card verloren zu haben. Sie bekommen dann – manchmal unter einem neuen Namen – einfach eine weitere. Dazu kommen die Fälle mit doppelt gestellten Asylanträgen – viele Geflüchtete haben keinen Ausweis aus ihrem Heimatland bei sich, wenn sie in Deutschland ankommen. Im Landratsamt glaubt man, dass die Häufung der Betrugsfälle auch ein Wahrnehmungsphänomen sein könnte. Nach den chaotischen Anfängen in der Erstaufnahme habe man nun zunehmend die Möglichkeit, genauer hinzuschauen, sagte ein Sprecher. Die Betrügereien gingen häufig von Geflüchteten aus sicheren Herkunftsländern aus. Je länger sich Flüchtlinge in der Erstaufnahme befänden, desto mehr Unfug passiere. Bei der Polizei führt man die Häufung eher auf die zunehmende Zahl von Flüchtlingen aus Schwarzafrika zurück. Bei Syrern, so hieß es, sei es zu solchen Vorfällen jedenfalls kaum oder gar nicht gekommen.
Der Polizeisprecher kritisiert in diesem Zusammenhang vor allem die Tatsache, dass im aktuellen System solche Betrügereien überhaupt möglich sind. Mit Fingerabdrücken auf den Ausweisen, so der Sprecher, könnte man dem Einhalt gebieten. Von einer korrekten Registrierung aller Flüchtlinge jedenfalls könne, anders als Innenminister Thomas De Mazière (CDU) unlängst versicherte, nicht die Rede sein, heißt es bei Beobachtern.
Der Polizeisprecher berichtet von großem Ermittlungsaufwand, der angesichts der nicht gut miteinander kooperierenden Behörden nicht immer zum Ziel führe. Vieles bleibe daher im Unklaren. Bei allem Wohlwollen den Schutzsuchenden gegenüber, müsse man wissen, dass hier betrogen wird, sagt der Polizeisprecher. Er geht davon aus, dass auf einen entdeckten Fall fünf unentdeckte kommen. Der Sprecher des Landratsamts kommentiert die Betrugsfälle und die Registrierungsprobleme so: „Wir sind immer noch in der Krise.“
Thomas Steinhardt
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