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20 000 Kilometer im Sattel: Ismaningr Paar radelt um die halbe Welt

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Ismaning - Als der Ismaninger Tierarzt Uwe Ellger (59) und seine Lebensgefährtin Isabell (54) vor einem Jahr aufgebrochen sind, war ihnen noch nicht klar, dass dieses „das beste Jahr ihres Lebens" werden würde.

Über 20 000 Kilometer, durch 21 Länder, durch Wüsten, Steppen und Hochgebirge mit Pässen von bis zu 5000 Höhenmeter legten sie mit dem Fahrrad zurück.

Einzigartige Eindrücke von atemberaubenden Landschaften sind nur das Eine, was Uwe Ellger von seiner Abenteuerreise mit zurück nach Ismaning genommen hat. Vor allem aber lernten er und seine Lebensgefährtin Menschen und Länder fernab von Vorurteilen und Klischees kennen. Und manchmal war ihr Trip auch nicht ganz ungefährlich.

Die Reise begann in München und führte zunächst über die Alpen nach Venedig. Von dort ging es mit der Fähre ins griechische Patras und weiter in die Türkei bis nach Zypern. Mit dem Flugzeug kamen die Radler in den Libanon, konnten ihre Reise aber aufgrund von Touristenentführungen nicht wie geplant direkt nach Syrien fortsetzen, sondern nahmen stattdessen einen Umweg abermals über Zypern und die Türkei in Kauf. Doch davon ließen sich die Marathonläuferin und der Ultra-Marathonläufer nicht abschrecken, sondern reisten über den Norden nach Syrien ein. Schließlich ging es vom kurdischen Teil der Türkei, Kurdistan, in den Iran, nach Turkmenistan, Usbekistan, Tadschikistan und Turkistan in die Volksrepublik China, die den größten Teil der Reise mit knapp 6000 Kilometern ausmachte. Weiter durchradelten sie Laos, Kambodscha, Vietnam, Thailand, Myanmar und Malaysia, ehe es nach der letzten Station, Singapur, mit dem Flugzeug wieder zurück in die Heimat ging.

Viel mussten sich die beiden von Freunden und Verwandten im Vorfeld wegen möglicher Gefahren anhören, doch das Paar ließ sich nicht vom gemeinsamen Traum abbringen. Nachdem sie schon früher größere Radtouren unter anderem in Skandinavien unternommen hatten, schwebte ihnen der Plan einer solchen Reise schon lange vor. „Eigentlich wollten wir noch bis zum Ruhestand warten“, sagt Ellger. Dass die Zwei es nicht mehr erwarten konnten, lag an einem zufälligen Treffen mit einem Abenteuerreisenden in der Schweiz, der mit Auto und Anhänger nach Kapstadt fahren wollte. Dies beeindruckte die 54-jährige Kinderärztin und den 59-jährigen Tierarzt so sehr, dass sie ihre Praxen schlossen und sich aufmachten, ihrerseits die Welt zu entdecken.

Für Uwe Ellger steht fest, dass der während des „Arabischen Frühlings“ bereiste Libanon von all den Erlebnissen die gefährlichste Episode war. Beim Skifahren neben der Piste kam es zu einer Schrecksekunde, als der Ismaninger Tierarzt den Boden unter seinen Skiern verlor und in ein Loch fiel. Zum Glück ging dieser Sturz für den 59-Jährigen mit ein paar Schrammen glimpflich aus. „Dann, am Tag vor der geplanten Abreise, wurden auf offener Straße von Beirut nach Damaskus sieben estnische Radfahrer entführt, die erst Monate später wieder freikamen“, erzählt Ellger. Diesem Risiko wollten sich Ellger und seine Lebensgefährtin besser nicht aussetzen und nahmen einen Umweg über Zypern, um von Norden nach Syrien zu reisen.

Auch über Syrien hat Ellger so einiges zu erzählen: Da das Paar sich nur im Norden des Landes aufhielt, bekamen sie „von der Gewalt nichts mit. Es war absolut ruhig“. Lediglich das Internet diente als Informationsquelle bei den Auseinandersetzungen zwischen Regime und Oppositionellen in den „Brandhochburgen“ Syriens. So sind ihm die Nord-Syrer vor allem als „nettes Volk“ in Erinnerung geblieben. Und das, obwohl die beiden drei Tage lang vom syrischen Geheimdienst auf ihrer Tour „begleitet“ wurden. „Während dieser Zeit fuhr ständig ein Jeep hinter uns her. Wollten wir Kontakt mit der syrischen Bevölkerung aufnehmen, wurden wir gleich wieder getrennt“, sagt Ellger. Fotos mit Einheimischen waren ihnen untersagt worden. Erst an der Grenze zum kurdischen Teil der Türkei konnten sie sich wieder unbeaufsichtigt fühlen.

Dies sei allerdings noch nichts gewesen im Vergleich zu den Erfahrungen, die die Münchner, auf ihrer, wie Ellger es nannte, „schlimmsten Station“ in Kurdistan machten. „Die Türken behandelten die Kurden wie Tiere“, ist Ellger fassungslos. „Den Kurden bleibt nichts anderes übrig als in die Berge zu fliehen und bei Ausschreitungen wird von der Polizei nur reingeschlagen“, waren seine Erfahrungen.

Das komplette Gegenteil bot sich dem Paar im Iran. Konträr zu den „Vorsicht-Tipps“ in Reiseführern, die davor warnen, Fotos zu machen oder politische Themen anzusprechen, waren die Menschen dort aufgeschlossen. Ellger: „Wichtig war es allen, die wir trafen, vor allem nicht mit den Terroristen im Land in Zusammenhang gebracht zu werden.“

„Imposant“, nennt Ellger dann auch die Reise durch China und Tibet. Mit dem Rad ging es hoch bis an die 5000 Meter-Grenze in China. In Tibet hielten sie sich, trotz meist zweistelliger Minustemperaturen bei Nacht, wochenlang in einer Höhe von über 4000 Metern auf. Oft war das Zelt am Morgen nach dem Aufwachen eingeschneit. In Hotels und Unterkünften - wenn es überhaupt welche gab - übernachtete das Paar nur, wenn diese „gemütlicher und sauberer erschienen als das eigene Zelt“, erklärt Ellger.

In den Fahrradtaschen hatten die Sportler lediglich Werkzeug und Ersatzteile für das Rad, ein Notebook mit Kamera sowie Verpflegung und nur das Nötigste an Kleidung. „Da ist man mit nur einem Pulli und einer Regenjacke natürlich schlecht ausgerüstet bei Schnee und Kälte, ich bin oft aufgewacht und habe gefroren“, schildert Ellger weiter. Darüber hinaus seien „die Feldwege in Deutschland besser als die in der Karte eigezeichneten Hauptstraßen Tibets“. Doch nicht einmal das konnte den „tollen Eindruck“ schmälern, den die Reisenden von diesem Land bekamen. Und schließlich bleibt festzuhalten, dass weder eine Höhenkrankheit noch ein der Höhe geschuldeter Leistungsabfall sich bemerkbar machten. Durchschnittlich fuhren die Extremsportler 100 bis 150 Kilometer am Tag, wenn sie gemütlich unterwegs waren. Und unterwegs waren sie so ziemlich jeden Tag. Für Uwe Ellger und seine Lebensgefährtin soll das noch längst nicht die letzte große Tour gewesen sein.

Direkt nach ihrem „Urlaub“, wie Ellger es nennt, schmiedeten beide schon Pläne für die nächste Reise: Wenn sie im Ruhestand sind, „wollen wir noch nach Indonesien, Australien, Neuseeland und Südamerika“, sagt Ellger und freut sich schon jetzt auf neue Abenteuer.

Maximilian Kettenbach

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