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2. Stammstrecke: Der Zeitplan wankt schon wieder

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Von: Peter T. Schmidt

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OB Dieter Reiter (SPD) fordert eine Entscheidung noch vor der Sommerpause. © dpa

München - Kommt die zweite Stammstrecke? Wenn ja: wann? Seit Jahren verzögert sich das Projekt ein ums andere Mal. Die Stadt erwartet eine Grundsatzentscheidung noch vor der Sommerpause. Doch es gibt Hinweise, dass Bahn und Freistaat auch an diesen Termin nicht mehr glauben.

Mitte 2015 soll über die Realisierung der zweiten S-Bahn-Stammstrecke entschieden werden. Das hatte Verkehrsminister Joachim Herrmann (CSU) im Juli vergangenen Jahres in einer Kabinettssitzung gesagt – und das gilt im Münchner Rathaus bis heute. OB Dieter Reiter (SPD) hat sich mehrfach auf diese Aussage bezogen und gefordert, noch vor der Sommerpause müsse der Grundsatzbeschluss fallen. Aus seinem Büro verlautet: Es gebe keine Signale von Bahn oder Freistaat, dass dieser Termin gefährdet sei.

Entscheidung Ende des Jahres?

Doch nun ist ein anderes Datum aufgetaucht, das Zweifel weckt. In der Mai-Ausgabe des Fachjournals „Eisenbahntechnische Rundschau“ (ETR) heißt es: „Der Freistaat strebt Ende 2015/Anfang 2016 eine endgültige Finanzierungsentscheidung zur 2. Stammstrecke (. . .) an.“ Das ist ein halbes Jahr später – wieder einmal. Fertig werde der Tunnel dann „nach 2022“. Die Autoren des Beitrags sind hochrangig: Albert Scheller, der für die zweite Röhre zuständige Projektleiter der Bahn, und Frank Kutzner, stellvertretender Sachgebietsleiter bei der Obersten Baubehörde, die dem Innenministerium und damit Verkehrsminister Herrmann unterstellt ist. Schwer vorstellbar, dass diese Experten etwas veröffentlichen, was nicht mit ihren Häusern abgestimmt ist.

Besteht also zwischen Bahn und Freistaat längst Einigkeit, die Entscheidung über die Stammstrecke abermals zu verschieben? Die Auskunft des Innenministeriums ist vage: „Ich weiß nicht, wo die das her haben“, kommentierte eine Sprecherin den in der ETR genannten Termin. Und überhaupt: „Wir müssen auf den Planfeststellungsbeschluss warten.“ Erst wenn der vorliege, könne man seriös die genauen Kosten des Projekts berechnen. Das leuchtet ein, denn erst wenn über die Einwände der Kläger rechtskräftig entschieden ist und Baurecht besteht, ist auch geklärt, welche teuren Auflagen womöglich erfüllt werden müssen.

Das Problem mit dem Baurecht

Das Problem: Der Beschluss, vom Eisenbahnbundesamt (EBA) zuletzt für Januar 2015 angekündigt, zieht sich. Bisher besteht nur für einen der drei Streckenabschnitte Baurecht. Ein Abschluss des Verfahrens sei „mehrfach verschoben worden“, sagt die Ministeriums-Sprecherin. Nun erwarte man den Planfeststellungsbeschluss „in den nächsten Tagen oder absehbaren Wochen“.

Und wenn nicht? Ist die wichtige Grundsatzentscheidung dann noch vor der Sommerpause möglich? Die Sprecherin wiederholt: „Solange die Planfeststellung nicht da ist, können wir nichts sagen.“

Das birgt Sprengstoff. Denn auch wenn OB Reiter, diplomatisch geschickt, den Termin nie mit einem Ultimatum verknüpft hat, ist klar: Die Stadt wird ihre Finanzierungszusage über 113 Millionen Euro nicht ewig aufrecht erhalten können. Sollte sie irgendwann ihren Anteil zurückziehen, droht der Milliarden-Poker zwischen Bahn, Freistaat und Bund aufs Neue zu beginnen.

Gut 2,5 Milliarden soll die Röhre kosten

Es geht um viel Geld: Gut 2,5 Milliarden Euro soll die zweite Röhre nach derzeitigen Schätzungen kosten. Darüber, wie diese Last auf Freistaat, Bahn, Bund und Stadt verteilt werden soll, ist lange gerungen worden. Dazu kommt die politische Dimension: Die Landtags-Grünen waren stets Gegner der Milliardenröhre und favorisierten den Südring, gegen den sich wiederum die Bahn wehrt. Die grüne Stadtratsfraktion stimmte aus Koalitionsräson für den Tunnel, war aber wohl die treibende Kraft, die OB Ude bewog, jegliche finanzielle Beteiligung an dem Projekt zu verweigern – formal zu Recht, denn die S-Bahn ist keine städtische Aufgabe.

Die Anwohner der Tunnel-Trasse organisierten sich zum Widerstand und gingen rechtlich gegen die Planungen vor.

Dass die Planungshoheit beim Eisenbahnbundesamt liegt, erweitert den Kreis der Beteiligten und macht die Sache nicht einfacher.

Eine Einigung schien in Sicht, als die Stadt – mittlerweile schwarz-rot regiert – zusagte, sich mit 113 Millionen Euro an der Finanzierung zu beteiligen. Denn in einem besteht Konsens: Die S-Bahn muss ertüchtigt werden, um den Fahrgastzuwachs bewältigen und weitere Taktverdichtungen anbieten zu können. Vor allem das Nadelöhr Stammstrecke braucht einen Bypass, um den Infarkt abzuwenden. Dass das Projekt nun schon seit den 90er-Jahren vor sich hin dümpelt, sieht man in der Politik zunehmend genervt. So ätzt etwa der Münchner Landtagsabgeordnete Florian von Brunn (SPD), Bahn und Freistaat sollten „endlich mit dem Rumgeeiere aufhören“.

Peter T. Schmidt

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