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Flüchtlinge: Jetzt baut die CSU voll auf Klöckner

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Von: Mike Schier

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Neues Domizil: Horst Seehofer, Generalsekretär Andreas Scheuer und Seehofers Büroleiter und Sprecher Jürgen Fischer (v. re.) vor der neuen Parteizentrale im Münchner Norden.
Neues Domizil: Horst Seehofer, Generalsekretär Andreas Scheuer und Seehofers Büroleiter und Sprecher Jürgen Fischer (v. re.) vor der neuen Parteizentrale im Münchner Norden. © dpa

München - Was will Julia Klöckner? Die Kanzlerin korrigieren? Oder wurde sie von Angela Merkel vorgeschickt? Der CSU ist das egal. Sie hofft: Der „Plan A2“ könnte die ersehnte Wende bringen.

Es wäre der passende Moment für ein paar jener Späßchen, die Horst Seehofer so liebt. Die CSU bezieht ihre neue Parteizentrale. Im Münchner Norden, dort wo neben der A9 gerade mit Microsoft und IBM die Zukunft des digitalen Standorts Bayern entsteht, fühlt man sich passend aufgehoben. Es riecht neu, schaut modern aus. Kurz witzelt der Parteichef, er könne im neuen Sitzungssaal besser sehen, wer später kommt oder früher geht („Die scheinen alle mehr zu tun zu haben als der Ministerpräsident.“). Dann aber wird es sehr schnell sehr ernst. Drei Stunden reden die Parteifreunde über Flüchtlinge. Und über Angela Merkel. Seehofer sagt intern: „Ich durchschaue das Konzept nicht mehr.“

Immerhin: Es gibt ein paar Fünkchen Hoffnung für den CSU-Chef, der auf seine dauernden Drohungen irgendwann keine Eskalationsstufe mehr draufsetzen kann. Am Dienstag will das bayerische Kabinett einen Brief nach Berlin schreiben (wir berichteten), doch viel Neues erfährt die Kanzlerin darin nicht. Umso erfreuter hat man in der CSU den Vorstoß von Julia Klöckner registriert. „Plan A2“, heißt er, weil er ja nicht „Plan B“ heißen darf, und sieht unter anderem „Grenzzentren zur Weiterverteilung und Rückführung“ vor. Seehofer nennt das am Montagvormittag genüsslich „Transitzonen“ und stellt fest: „Das sind zum allergrößten Teil unsere Vorschläge.“

Eigentlich zählt die rheinland-pfälzische Spitzenkandidatin zu den Merkel-Vertrauten. Dennoch – oder gerade deshalb – könnte Klöckner die Lösung im festgefahrenen Flüchtlingsstreit bringen. „In aller Regel erklären Bundeskanzler keine Kursänderung“, sagt Seehofer. „Wenn, dann findet das irgendwie statt.“ Der CSU-Chef erinnert an die Kopfpauschale in der Krankenversicherung, die nie offiziell beerdigt wurde. Der Leipziger CDU-Parteitag habe 2003 einstimmig ein neoliberales Programm beschlossen, nach dem denkbar knappen Wahlsieg 2005 wurde so gut wie nichts davon umgesetzt. Der ehemalige Sozialpolitiker Seehofer erinnert sich gut daran – er war damals der prominenteste Gegenspieler Merkels. Zunächst sah er wie der Verlierer aus, inhaltlich aber behielt er am Ende Recht.

Wiederholt sich die Geschichte? Einfach wird es nicht. Am Wochenende glühten mal wieder die Drähte zwischen Berlin und München. Noch immer geht es um das sogenannte Asylpaket 2, das eigentlich längst beschlossen sein sollte. Doch der Familiennachzug erhitzt weiter die Gemüter zwischen SPD und Union. Die Verabschiedung, nach diversen Verschiebungen eigentlich bei der Sitzung des Bundeskabinetts am Mittwoch geplant, verzögert sich weiter.

Ob er denn mit Merkel über Klöckners Vorschlag gesprochen habe? Seehofers Antwort mag man kaum glauben: Nein. Die Initiative müsse von Merkel kommen. Er habe bis heute auch noch nicht über den CSU-Parteitag mit ihr geredet.

Vielleicht sind es Kommunikationsprobleme wie diese, die den bayerischen SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher öffentlich über ein Scheitern der Großen Koalition in Berlin nachdenken lassen. „Wann haut die Kanzlerin auf den Tisch?“, fragt Rinderspacher auf Twitter. „Die Vertrauensfrage rückt näher.“

Offiziell wiegelt die Bundesregierung weiter ab. Es handele sich bei Klöckners Vorstoß um eine eigenständige Initiative aus der Partei, sagt Merkels Sprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Für die Bundesregierung gelte: „Wir arbeiten weiter intensiv an unserer Agenda der nachhaltigen und spürbaren Verringerung der Flüchtlingszahlen.“ Seibert sagt, Klöckner habe die Kanzlerin über ihr Konzept informiert. „Einiges, was sie vorschlägt, sind Elemente, die wir kennen, einiges ergänzt die Politik der Bundesregierung, einiges überlappt sich damit.“

Überlappen werden sich auch die Terminkalender der Parteispitzen in dieser Woche. Etliche Gespräche sind geplant. Vielleicht ja auch über den „Plan A2“. Sicher aber über das Asylpaket 2. Eine Einigung werde bis zum Bund-Länder-Treffen am Donnerstagabend im Kanzleramt angestrebt, sagt Seibert. Seehofer hatte eine Ausweitung des Familiennachzugs vergangenes Wochenende vom Krankenbett aus verhindert. Jetzt ist er wieder fit. Und kampfeslustig. Auf dem Weg in sein neues Büro lässte er den wartenden Aufzug demonstrativ stehen. Und nimmt die Treppe.

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