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„Islamismus ist nicht gleich Terror“

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Von: Til Huber

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„Politisch auseinandersetzen“: Gebetsraum in einer deutschen Moschee.

München - Die CSU hat dem politischen Islam den Kampf angesagt. Auf ihrem zweitägigen Parteitag, der am Freitag beginnt, will die Partei einen scharf formulierten Leitantrag verabschieden. Der Münchner Merkur sprach mit einem Experten.

Keine andere Bewegung habe in den vergangenen Jahren so viel Gewalt und Zerstörung hervorgebracht, heißt es unter anderem. Im Interview erklärt der Direktor des Hamburger GIGA Instituts für Nahost-Studien das Phänomen politischer Islam.

Laut CSU ist der politische Islam „eine Religion des Terrors“. Hat sie Recht?

So pauschal ist das sicher nicht richtig. Der politische Islam oder auch Islamismus ist nicht generell mit dem Terror gleichzusetzen. Der gewaltfreie politische Islam ist in der arabischen Welt weit verbreitet und auch in der Bevölkerung weitgehend anerkannt. Es wäre ungeschickt, sich diese Bevölkerungsgruppen mit einer pauschalen Verurteilung zum Gegner zu machen.

Was versteht man unter politischem Islam?

Das Phänomen ist nicht neu, hatte lange Zeit aber nicht diese politische Brisanz. Entstanden ist der politische Islam sunnitischer

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Henner Fürtig, Professor für Nahost-Studien, mahnt zur Differenzierung.

Prägung, über den wir heute vor allem sprechen, 1928 mit der Gründung der Muslimbruderschaft in Ägypten. Sie baute mit Versatzstücken aus dem Koran eine Ideologie und eine politische Bewegung auf. Die Idee hat sich wie ein Lauffeuer über die arabische Welt verbreitet.

Täuscht der Eindruck, dass solche Bewegungen in der arabischen Welt massiv an Einfluss gewinnen?

Was ihre Attribute angeht, ist das richtig. Wenn man Berichte aus der arabischen Welt sieht, dann ist ja mit Händen zu greifen, wie stark die Ideologie auf dem Vormarsch ist. Das liegt auch daran, dass die Autokratien des Nahen Ostens in vielen Bereichen des sozialen Lebens versagen. Wo der Staat fehlt, stoßen islamistische Selbsthilfegruppen vor.

Inzwischen morden Gruppen wie El Kaida und der IS im Namen des Islam. Wie groß ist die Gefahr für unsere Gesellschaft?

Aus dem Islamismus haben sich Gruppen herausgelöst, die zur Gewalt greifen, um ihre Ziele zu erreichen. Der heutige Chef von El Kaida, Zawahiri, ist ein ägyptischer Kinderarzt, der einer Terrororganisation angehörte, die sich von der Muslimbruderschaft abspaltete. Die Herkunft ist also klar ersichtlich. Deutlich ist auch: Jeder Terrorist ist unser Feind. Aber es bringt uns politisch nicht weiter, wenn wir alle Islamisten in den Topf der Terroristen werfen.

Aber auch die Ziele der Muslimbruderschaft widersprechen unseren Werten.

Damit muss man sich politisch auseinandersetzen. Die Muslimbrüder etwa haben ja durchaus weit fortgeschrittene politische Modelle, wollen einen Staat mit Wahlen und republikanischer Prägung. Gesellschaftspolitisch sind sie aber weiterhin sehr konservativ. Da werden Frauen benachteiligt. Es gibt keine gleichen Rechte vor Gericht. Da kommen wir nie unter einen Hut, und da muss man klar sagen: Das ist mit europäischen Werten nicht vereinbar.

Mit den Flüchtlingsbewegungen kommen viele Menschen aus diesem Kulturraum zu uns. Muss uns das Sorge machen?

Das müsste man sachlich untersuchen. In einer globalisierten Welt sind gegenseitige Beeinflussung in keiner Gesellschaft dieser Erde mehr auszuschließen. Wie Gesellschaften damit umgehen, müssen sie durch Gesetze und Wertediskussionen entscheiden.

Aber es ist doch das Ziel auch des gewaltfreien politischen Islam, auch in anderen Staaten die Werteordnung zu verändern.

Ja, das will er. Wenn wir es mit dem politischen Islam zu tun haben, muss uns eines klar sein: Dessen Ziel ist die Errichtung eines islamischen Staates, in dem die Scharia gilt und nichts anders. Damit müssen wir uns politisch ganz intensiv auseinandersetzen.

Wie also reagieren, wenn die Forderung nach Kantinen ohne Schweinefleisch kommt oder Frauen vollverschleiert auftreten?

Ein großes Manko, das man sicher den muslimischen Verbänden zuschreiben muss, ist, dass es keinen zentralen Ansprechpartner für staatliche Initiativen gibt. Man könnte bei Themen wie Schulessen, Verschleierung und anderen Fragen intensive Diskussionen führen und Vereinbarungen dann mit den islamischen Gemeinden umsetzen. Aber leider gibt es diesen zentralen Partner eben nicht.

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