Julia Klöckner: Ist sie die Kronprinzessin der Kanzlerin?

München - Sie gilt als Kronprinzessin der CDU: Julia Klöckner ist jung, konservativ und bodenständig. Ihre Bewährungsprobe hat die Pfälzerin bei der Landtagswahl im Frühjahr 2016.
Vor ein paar Monaten hat Julia Klöckner mal wieder die glorreiche Vergangenheit der CDU in Rheinland-Pfalz bemüht. Zum 85. Geburtstag schenkte sie Helmut Kohl weder Blumen noch Wein – sondern eine Landesgeschäftsstelle. „Helmut Kohl war der große Reformer unseres Bundeslands“, sagte die 42-Jährige zur Umbenennung der Parteizentrale in Mainz. Von hier aus plant Klöckner nun den eigenen Aufstieg, am besten in den großen Fußstapfen des Altkanzlers, dessen Nähe sie gerne sucht. Ein entscheidendes Datum ist dabei der 13. März 2016. Derzeit stehen die Chancen der jungen Frau nicht schlecht, die Landtagswahl in Rheinland-Pfalz zu gewinnen und Malu Dreyer als Ministerpräsidentin abzulösen.
Als Julia Klöckner 2011 vor der letzten Landtagswahl ihren Staatssekretärs-Posten in Ilse Aigners Berliner Verbraucherschutzministerium verließ, nannte die CSU-Politikerin das „konsequent und mutig“. Klöckner wusste: Die Wähler erwarteten von ihr ein Bekenntnis zum Bundesland an Rhein und Mosel. Sie hatte Erfolg – und doch wieder keinen. Die CDU legte zu, lag nur knapp hinter der SPD. Aber weil die FDP aus dem Landtag flog, fehlte die Machtoption.
Seither führt die 1972 geborene und in einem 200 Einwohner kleinen rheinhessischen Dorf aufgewachsene Winzertochter die Opposition im Mainzer Landtag. Dabei hat sie weniger mit Landesthemen punkten können als über ihre beachtliche Präsenz in der Bundespolitik. Die ehemalige Deutsche Weinkönigin und Wein-Journalistin weiß sich zu verkaufen und macht immer wieder Schlagzeilen durch Twitter-Kommentare. Als Mitglied der Wahlkommission bei der Kür des Bundespräsidenten Horst Köhler 2009 verkündete sie eine Viertelstunde vor der offiziellen Bekanntgabe des Ergebnisses: „#Bundesversammlung Leute, Ihr könnt in Ruhe Fußball gucke. Wahlgang hat geklappt!“ Es war der letzte Bundesliga-Spieltag – da muss die Orthografie schon mal zurückstehen.
„In der Zusammenarbeit hat mir vor allem gefallen, mit welcher Offenheit sie auf ihr Gegenüber zugeht und Kontroversen ausdiskutiert“, erinnert sich Ilse Aigner an ihre ehemalige Staatssekretärin. „Bei ihr zählt das Argument. Ich freue mich zu sehen, dass sie sich durchsetzt.“ In der Tat: Selbstbewusstsein und Redseligkeit hat die Klöckner, die nach dem CDU-Parteitag nächste Woche 43 Jahre alt wird, nicht zu knapp. Sie kommt aber auch bisweilen zu stürmisch, zu aggressiv daher. Dadurch erklären sich in Rheinland-Pfalz ihre schlechten Beliebtheitswerte im Vergleich zur SPD-Kontrahentin Malu Dreyer, wie die jüngste Umfrage zeigt. Die „Rheinpfalz“, führende Tageszeitung der Pfalz, fragte wahlberechtigte Bürger, wer sympathischer, wer kompetenter sei. 50 zu 31 Prozent liegt Dreyer in Sachen Sympathie vorn, 47 zu 30 Prozent, was die Kompetenz angeht. Klöckner kämpft im sehr ländlichen und letztlich konservativen Bundesland mit dem Image, eine junge Wilde zu sein, die nicht reif ist für das ganz große Amt.
Julia Klöckner (CDU): „Burka-Jule“ ist einer ihrer Spitznamen
„Burka-Jule“ lautet einer ihrer wenig schmeichelhaften Spitznamen. Er kommt aus den eigenen Reihen, da die wertkonservative Katholikin – sie ist Abtreibungsgegnerin und gegen die gleichgeschlechtliche Ehe – bei CDU-Parteitagen für ein Burka-Verbot eintritt. Bisher hatte ihr Antrag nie die nötige Unterstützung, auch nicht von Kanzlerin Angela Merkel. Aber immerhin Ilse Aigner hat ihn inzwischen übernommen. Derweil bastelte Klöckner an einem Antrag für den jetzt anstehenden CDU-Parteitag: So sollen sich Migranten verpflichten, die Gleichberechtigung von Mann und Frau und den Vorrang der deutschen Gesetze vor dem islamischen Rechtssystem, der Scharia, anzuerkennen. „Integration funktioniert wie ein Handschlag, es gehören immer zwei dazu“, sagt Klöckner.
Das sichert nationale Aufmerksamkeit. Doch in Rheinland-Pfalz kämpft sie mit strukturellen Problemen: Die regierende SPD ist auch in der zweiten Reihe hinter der Spitzenkandidatin Dreyer stark aufgestellt. Dagegen bleibt völlig offen, wer hinter Klöckner für die CDU die Ministerämter bekommen soll. Die Partei ist zwar nach jahrzehntelangen Querelen wieder geeint, aber die Personaldecke dünn. Erschwerend kommt hinzu: Auch zweieinhalb Jahrzehnte nach dem Verlust der Macht ist der Selbstanspruch riesig. Zu glorreich ist die Vergangenheit – womit wir wieder bei Helmut Kohl wären. Und bei anderen Schwergewichten wie Heiner Geißler oder Bernhard Vogel. Von 1948 bis 1991 stellten die Christdemokraten den Ministerpräsidenten und entwickelten einen Machtanspruch, der dem der CSU in Bayern kaum nachstand.
Noch, so scheint es, gibt es keine Wechselstimmung. Die bis vor zwei Jahren tobenden Skandale der späten Regierung Kurt Beck um Millionendefizite an der Formel-1-Rennstrecke Nürburgring und um ein öffentlich bezuschusstes Luxus-Hotel im Wahlkreis des SPD-Patriarchen scheinen abgehakt zu sein. Aber die Wucht der Flüchtlingskrise und die neue Terrorangst schaffen ein Klima, in dem alles denkbar erscheint. Aktuell jedenfalls hat die CDU 40 Prozent im Land, während die SPD, die unter Kurt Beck 2006 noch die absolute Mehrheit gewann, nur 31 Prozent wählen wollen. Die AfD liegt inzwischen bei sieben Prozent Linke und FDP katzen an der Fünf-Prozent-Hürde, die Grünen kommen nur noch auf neun Prozent – die SPD verlöre die Staatskanzlei, wäre heute der Urnengang. Der Landauer Politikprofessor Ulrich Sarcinelli, ein führender Kenner der Landespolitik, sagte bereits im März dieses Jahres: Die Chancen für CDU seien „größer denn je“. Endet also die Durststrecke der CDU, die Politiker wie Johannes Gerster oder Christoph Böhr verschlissen hat?
Dennoch: Die Schuhe, die Julia Klöckner, die ab 1992 in Mainz Politikwissenschaft, katholische Theologie und Pädagogik studierte, füllen soll, sind riesig. Es sind die von Kohl. Die Kandidatin ist trotzdem überzeugt, dass sie zur Landesmutter taugt.. Dem „Focus“ verriet sie: „Ich bin eher der geländegängige Typ. Zwischen Gummistiefeln und Pumps, zwischen humorvollem Weinfest und akribischer Schreibtischarbeit, zwischen Tradition und Moderne.“
Der Super-Wahltag im März
Im politischen Kalender 2016 ist der 13. März ein markantes Datum: Dann wählt nicht nur Rheinland-Pfalz, sondern auch Baden-Württemberg, und Sachsen-Anhalt ihre Regierungen neu.
Spannend werden dürfte es vor allem in Baden-Württemberg: Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und seine grün-rote Koalition wollen weiterregieren. Doch in den Umfragen hat das Bündnis derzeit keine Mehrheit. Die CDU, die 2011 nach 58 Jahren den Ministerpräsidentenposten abgeben musste, hofft auf ein Comeback – obwohl sie möglicherweise ein schwaches Ergebnis einfährt. Viel wird davon abhängen, ob die FDP es wieder in den Landtag schafft, und wie die Linke und die Alternative für Deutschland (AfD) abschneiden. Nach Umfragen wären Schwarz-Rot, Schwarz-Grün und eine Ampel aus Grünen, SPD und FDP möglich. Eine Zusammenarbeit mit der AfD hat die CDU ausgeschlossen. Schafft sie es nicht zurück ins Staatsministerium, wäre das fatal für die Partei – und auch für Bundeskanzlerin Angela Merkel.
In Sachsen-Anhalt will Reiner Haseloff (CDU) Regierungschef bleiben – doch die Voraussetzungen sind ungünstiger als 2011. Der bisherige Koalitionspartner SPD hält sich auch ein Bündnis mit der Linken offen. Linke-Spitzenkandidat Wulf Galler könnte dann vielleicht nach Thüringer Vorbild in die Staatskanzlei einziehen. Derzeit ist die Linke zweitstärkste Fraktion nach der CDU im Magdeburger Landtag.
Doch es gibt viele Ungewissheiten: 2011 war die rechtsextreme NPD mit 4,6 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Diesmal sieht eine Umfrage die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) bei genau 5,0 Prozent.
2016 wird aber auch noch in zwei weiteren Ländern gewählt: In Mecklenburg-Vorpommern und in Berlin.
Von Ilja Tüchter und Mike Schier