Zoff um Nachbarschaftspreis - Seehofer legt Schirmherrschaft nieder

Nach Kritik an seiner Flüchtlingspolitik hat Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) die Schirmherrschaft für den Deutschen Nachbarschaftspreis niedergelegt.
Berlin - Das teilte das Innenministerium am Donnerstag im Internetdienst Twitter mit. Zuvor hatten zwei Initiativen aus Berlin und Köln ihre Nominierung für den Preis wegen der Rolle Seehofers als Schirmherr abgelehnt.
Der Mitteilung zufolge informierte Seehofer Michael Vollmann, den Geschäftsführer der Stiftung nebenan.de, die den Nachbarschaftspreis vergibt, über seine Entscheidung. Der Minister verband dies mit Kritik an vorherigen Äußerungen Vollmanns. "Da Sie mir Toleranz, Mitmenschlichkeit und Offenheit absprechen, stehe ich für die Schirmherrschaft ab sofort nicht mehr zur Verfügung", schrieb Seehofer demnach.
Die Berliner Initiative "Moabit hilft" und der Kölner Verein "wielebenwir" hatten die Ablehnung ihrer Nominierung zuvor vor allem mit Seehofers Flüchtlingspolitik begründet. "Er steht für eine Politik, die die Gesellschaft spaltet, die auf Abschottung setzt und die Menschen in Not Hilfe verweigert", warf "wielebenwir" dem Minister vor. "Moabit hilft" akzeptierte zwar anschließend ein Gesprächsangebot Seehofers, bekräftigte aber zugleich die Kritik an dem Innenminister und CSU-Chef.
Seehofer: Aussagen sind „diskreditierend“
Seehofer schrieb nun an nebenan.de, er habe die Schirmherrschaft von seinem Vorgänger Thomas de Maizière (CDU) übernommen und halte es auch weiterhin "für wichtig, das Ehrenamt, den Zusammenhalt und ein demokratisches Miteinander in Deutschland voranzubringen". Für ihn seien "Toleranz, Mitmenschlichkeit und Offenheit Grundlage der Politik des Bundesministeriums für Inneres, für Bau und Heimat". Äußerungen Vollmanns über ihn im Zusammenhang mit dem Verzicht der beiden Initiativen bezeichnete Seehofer als "diskreditierend".
"Moabit hilft" nannte es in einer ersten Reaktion auf Twitter "traurig", dass Seehofer zwar die Schirmherrschaft abgebe, aber "nicht aus Einsicht", sondern weil er sich als Opfer stilisiere. Zuvor hatte die Organisation dem Minister Zynismus vorgeworfen, nachdem er sich darüber amüsiert hatte, dass an seinem 69. Geburtstag 69 afghanische Flüchtlinge aus Deutschland abgeschoben wurden. Ob das geplante Gespräch mit Seehofer nun noch stattfinde, "wissen wir nicht", sagte die Leiterin von "Moabit hilft" Diana Henniges, der "Berliner Zeitung" (Freitagausgabe).
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Seehofer hatte zuletzt mit der Forderung für Aufsehen gesorgt, bereits in anderen EU-Staaten registrierte Flüchtlinge direkt an der Grenze abzuweisen. Er löste damit eine schwere Regierungskrise aus. "Moabit hilft" ist in der Flüchtlings- sowie der Nachbarschaftshilfe in Berlin tätig. "wielebenwir" hat unter anderem ein Konzept für den kostenfreien Verleih von Lastenfahrrädern entwickelt.
Stiftung bedauert Entscheidung
„Den Rückzug Horst Seehofers halten wir für ein bedauernswertes Signal an die Zivilgesellschaft“, erklärte Vollmann am Donnerstagabend in Berlin. Die Stiftung habe mit der Verleihung des Preises „den Raum für Dialog zwischen den engagierten nominierten Initiativen und dem Schirmherrn aufgemacht. Diesen Raum nun nicht zu betreten, nehmen wir mit Enttäuschung zur Kenntnis“.Der Geschäftsführer der Stiftung hatte in den vergangenen Tagen Verständnis dafür gezeigt, dass zwei Organisationen, darunter die Berliner Flüchtlingshilfsorganisation „Moabit hilft“, die Nominierung für den Preis abgelehnt hatten, weil Seehofer Schirmherr war. Der „Berliner Zeitung“ hatte Vollmann gesagt, Seehofer habe zuletzt „verbal Grenzen überschritten“.
dpa/AFP