Die Chance seines Lebens - Die Karriere von Jose Holebas war beendet, ehe sie angefangen hat
Arona - Auf dem Kopf trägt Jose Holebas eine Frisur, die, tja, wie nennt man so was eigentlich? Dreadlocks sind es nicht, dafür verlaufen sie zu eng am Kopf. Rasta trifft es auch nicht. "Dazu müssten sie verfilzt sein", klärt er auf. Sein Styling trägt den Namen "Braids", stellt sich am Ende heraus, aber weil Journalisten von aktueller Frisurenmode keine Ahnung haben, muss er den Ausdruck buchstabieren.
Wenn Jose Holebas (23) im Trainingslager seine Geschichte erzählt, sind erst mal grundsätzliche Fragen zu beantworten. Seine Frisur, seine Jugend, seine Familie. Noch kennt die breite Öffentlichkeit den Offensivspieler als Mitglied der ersten Mannschaft kaum. Erst im Verlauf der Hinrunde stieß er hinzu und schoss beim 5:0 gegen Aue sein erstes Zweitliga-Tor. In den Monaten zuvor war nur den ständigen Beobachtern bekannt gewesen, dass in der U 23-Auswahl einer spielte, der torgefährlich war und auch sonst ziemlich auffällig. An seiner Frisur lag das damals nicht. Holebas trug in München anfangs Glatze.
Vor anderthalb Jahren ist er zu 1860 gekommen, mit der Empfehlung, 15 Tore in der Landesliga Nord geschossen zu haben. Geschichten von Amateurkickern, die sich in den unteren Spielklassen profilieren, bis die Späher der großen Klubs aufmerksam werden, gibt es immer wieder. Bei Holebas war es ähnlich und doch ganz anders, komplizierter und verschlungener. Eigentlich war seine Karriere schon vorbei, ehe sie überhaupt begonnen hatte.
Mit 23 hofft er doch noch auf den Durchbruch
Mit 18, wenn andere Talente richtig durchstarten, hat Holebas mit dem Fußballspielen aufgehört. Er hatte keine Zeit mehr. Die damalige Freundin in Aschaffenburg war schwanger, die Prioritäten verschoben sich. Nun ging es nur noch darum, Geld zu verdienen, um die junge Familie zu versorgen. Holebas brach seine Ausbildung zum Maler und Lackierer ab und nahm eine Stelle als Lagerarbeiter an, von da an schuftete er im Schichtdienst.
Dass er noch einen Anlauf startete, verdankt er Alfonso Smith. Sein Onkel spielt in dieser Geschichte eine tragende Rolle. Ebenso wie Vater Achilles, ein Grieche, der Joses Lebensweg prägte, indem er die Familie verließ, als der Sohn ein Jahr alt war. Längst haben die beiden keinen Kontakt mehr. Oder wie Mutter Lowis, eine Deutsch-Amerikanerin, die inzwischen ebenfalls von Aschaffenburg nach München gezogen ist. Oder Tochter Tanisha, die bei ihrer Mutter lebt und mit der er täglich telefoniert ("mindestens eine Stunde"). Smith aber, so Holebas, war derjenige, der ihm "auf Deutsch gesagt in den Arsch getreten" hat "und gesagt, das kannst du nicht machen".
Tatsächlich drohte da jemand sein Talent zu vergeuden. Beim SV Damm stieg Holebas in der Kreisliga wieder ein, stieg dreimal in Folge auf, wechselte zu Viktoria Kahl in die Landesliga und machte den TSV 1860 auf sich aufmerksam. "Dem Herrn Tanner", dem Leiter des Nachwuchszentrums, der ihn entdeckte, hat Holebas längst gesagt, "wie dankbar ich ihm bin". Bis 2009 läuft der Amateurvertrag noch. Üppig dotiert ist er zwar nicht, aber "für meine Verhältnisse ist das schon okay".
In mehr als einer Hinsicht ist da einer von weit unten gekommen. Daheim in Aschaffenburg hätten sich die Dinge vermutlich anders entwickelt. Der Umgang war nicht immer der Beste, räumt Holebas ein. "Viel Blödsinn" habe er verzapft, getrunken - "was man als Jugendlicher so macht". Die Theorie, dass die Geschichte über seinen Teneriffa-Aufenthalt mit den Profis den Arbeitstitel "Die Chance seines Lebens" haben könnte, bestätigt er, ohne zu zögern: "Das kann man so sehen." Es liegt allein an ihm, was er daraus macht. Sein Trainer Marco Kurz hofft, wohl zurecht, "dass Jose Blut geleckt hat". In der Tat weiß sein Schützling, dass der Sport ihm einige Türen öffnen kann: "Ich setze alles auf Fußball."
Nicht überraschend ist seine wichtigste Bezugsperson in der Mannschaft einer, der die Extreme eines Fußballerlebens in beide Richtungen ausgelotet hat. Bei der Familie von Berkant Göktan ist er regelmäßig zum Essen. Der Türke, der zwischen Champions League und Englischem Garten alles erlebt hat, hat ihm einen guten Rat gegeben: "Nicht mehr so oft weggehen." Holebas verspricht, sich daran zu halten, abends sei er eh ausgelastet. Da wird telefoniert. Mit Flatrate.