Anklagen gegen Heckler & Koch und Regisseur Harrich nach TV-Doku

Die "Tödlichen Exporte" haben ein Nachspiel für Heckler & Koch: „Report Mainz“ berichtet über Klage gegen den Waffenhersteller. Regisseur Daniel Harrich hat deren illegale Waffenexporte in seiner TV-Doku aufgedeckt.
Es ist ein Paukenschlag. Der sich für Daniel Harrich anfühlt, als habe er ein zweites Mal den Grimme-Preis gewonnen. Einen bekam er bereits; vor drei Wochen für den ARD-Themenabend „Tödliche Exporte“. Der Spielfilm und die Dokumentation, die das Erste vergangenes Jahr ausstrahlte, decken auf, wie der baden-württembergische Waffenhersteller Heckler & Koch illegal Kriegsgerät nach Südamerika verkaufte. Gegen sechs Mitarbeiter, unter anderem zwei Geschäftsführer, erhob die Staatsanwaltschaft im Oktober 2015 daraufhin Anklage. Doch auch gegen Harrich und sein Team wird ermittelt. Der Vorwurf: Veröffentlichung von Geheiminformationen. Harrich freut’s – er sieht es als Bestätigung seiner Arbeit. Denn es beweist, dass sie wahrlich etwas aufgedeckt haben, was unter dem Teppich hatte gehalten werden sollen.
Bisher war nur bekannt, dass gegen die sechs Heckler & Koch-Mitarbeiter Anklage wegen des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontroll- und Außenwirtschaftsgesetz erhoben wurde. In der Anklageschrift, die unserer Zeitung vorliegt, wird deutlich, wie umfassend der Vorwurf tatsächlich ist. Und hier kommt er, der Paukenschlag. Im genauen Wortlaut heißt es in der Anklage nämlich, dass die Angeschuldigten „jeweils gemeinschaftlich und durch andere, gewerbsmäßig und als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Straftaten verbunden hat“ agiert hätten. „Letztlich heißt das nichts anderes als bandenmäßige illegale Kriegswaffenexporte“, betont Harrich. Eine solche Anklage ist ungewöhnlich. „Normalerweise wurde in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten, wenn es um illegale Waffenexporte ging, wegen Korruption oder Beihilfe zur Erschleichung von Exportgenehmigungen ermittelt. Doch das hier heißt letztendlich: organisierte Kriminalität!“, sagt er.
Ein ehemaliger Landgerichtspräsident ist mutmaßlich in illegale Waffengeschäfte involviert
Bandenmäßiges Vorgehen, illegale Waffengeschäfte – und dieser Vorwurf zudem ausgerechnet gegen eine Person, deren Namen man in Justizkreisen vorher aus einem anderen Kontext kannte: Angeschuldigter Peter Beyerle war früher Landgerichtspräsident in Rottweil. Das ist übrigens das Landgericht, das auch für die Ortschaft Oberndorf zuständig ist – wo die Firma Heckler & Koch sitzt. „Nun wird einem Landgerichtspräsidenten bandenmäßiger Kriegswaffenexport vorgeworfen – das ist schon ein Skandal“, findet der Journalist, Autor und Filmemacher.
Heute wird der „Report Mainz“ in seiner Jubiläumssendung zum 50-jährigen Bestehen über die Anklage gegen die Heckler & Koch-Mitarbeiter berichten (ARD, 21.45 Uhr). Harrich findet neben der Frage, wer angeklagt ist, auch interessant, wer nicht angeklagt ist. So werde in keiner Weise irgendeiner der Beamten des Bundeswirtschaftsministeriums, des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle oder des Verteidigungsministeriums genannt. Obwohl Harrich auch in seinem Buch „Netzwerk des Todes – Die kriminellen Verflechtungen von Waffenindustrie und Behörden“ (Daniel Harrich/Jürgen Grässlin/Danuta Harrich-Zandberg, Heyne; 384 Seiten) und im Spielfilm „Meister des Todes“ dokumentieren konnte, wie sehr eingebunden einige Beamte in diese fragwürdigen, jetzt mutmaßlich bandenmäßig organisierten Kriegswaffenexporte in Krisenregionen waren. „Gerade erst wurde ein Gutachten veröffentlicht, das belegen soll, dass die 43 demonstrierenden Studenten in Mexiko von Polizisten erschossen worden sind, die mit G 36-Sturmgewehren von Heckler & Koch ausgestattet waren, die sie gar nicht hätten haben dürfen“, empört sich Harrich. Doch statt dagegen zu ermitteln, ermittle man gegen Journalisten. Das tut übrigens laut seiner Quelle derselbe Staatsanwalt, der fünfeinhalb Jahre benötigte, die Anklage gegen die Heckler & Koch-Mitarbeiter vorzubereiten – „die Einleitung der Ermittlungen gegen Journalisten gelang dann aber innerhalb weniger Wochen“. Das möge juristisch alles sauber sein. Moralisch-ethisch aber höchst bedenklich.
Versucht die Staatsanwaltschaft, die illegalen Geschäfte zu decken?
Wobei Harrich eben nicht die moralische Frage stellen möchte, ob Kriegswaffenexporte generell geboten sind. Ihm geht es um Gerechtigkeit. „In Deutschland gibt es klare Gesetze, die die Exporte von Kriegswaffen regeln wie Rechts vor Links beim Straßenverkehr. Da kann es doch nicht sein, dass möglicherweise mit Hilfe von Beamten Kriegswaffenhändler die Gesetze fröhlich über Jahrzehnte hinweg übergehen – und jetzt, da sie einmal erwischt werden, versucht anscheinend die Staatsanwaltschaft, das zu decken“, ärgert sich Harrich. Denn das sei kein Spiel. Am Ende gehe es um Menschenleben.
Deshalb nimmt Harrich den juristischen Kampf gerne auf. Es ist auch einer für die Pressefreiheit und den investigativen Journalismus in unserem Land. Lakonisch merkt er an, dass man skurrilerweise ja gar nicht in die Türkei schauen muss, um Einschüchterungsversuche gegenüber Journalisten zu sehen. Er, selbst „großer Optimist und leidenschaftlicher Demokrat“, hält Deutschland trotz aller aufgedeckten Verwicklungen nach wie vor für ein Paradies, in dem man grundsätzlich die Presse- und Religionsfreiheit noch genießen könne. Damit es dabei bleibt, wird er weiter kämpfen. „Man muss einfach mit Argusaugen aufpassen, dass unser Metier, die Pressefreiheit, genauso unberührt bleibt wie die Ermittlungsermächtigung der Polizei und der Staatsanwaltschaft. Das gehört alles zu einem gesunden Land dazu. Ich glaube, dass es unsere Pflicht ist, diese Themen aufzugreifen.“