Hurra! Hurra! Pumuckl darf seinen Kugelbauch behalten

München - Für seine Freunde war es ein Schock: Pumuckl wird schlanker. Der Münchner Merkur hat exklusiv erfahren: Schon bald kriegt der Kobold seinen Kugelbauch wieder.
Als in einer Folge das Wort „Kirschlikör“ zum ersten Mal fällt, fängt es beim Zuhörer oder Zuschauer an zu ziehen. Irgendwo in der oberen Magengegend, dort, wo bei braven Kindern und bravgebliebenen Erwachsenen die Alarm-Zentrale sitzt. Achtung, funkt die, gleich gibt’s Ärger. Das ist immer so, so geht das Prinzip Pumuckl. Der schönste Nervenkitzel in Deutschlands Kinderzimmern, und zwar seit Jahrzehnten.
In dieser Folge bekommt Schreinermeister Eder von einer Kundin ein Flascherl Kirschlikör geschenkt, der neugierige Kobold düdelt sich verbotenerweise einen an und leidet – wir haben’s doch gleich gewusst – schrecklich am Rausch. Und Meister Eder schimpft, wie immer. Aber schon bald ist Pumuckl wieder nüchtern und der Meister Eder wieder lieb. Auch das ist ein Pumuckl-Gesetz: Am Ende wird alles gut.
Pumuckl muss abnehmen? Kann nicht gut ausgehen
Neulich machte der rothaarige Kobold, dieses Urgestein der Kinderhelden, seltsame Schlagzeilen. „Neu illustriert: Pumuckl wird schlanker“, schrieben die Zeitungen in ganz Deutschland. Denn der rothaarige Wicht haust zwar als zuagroaster Klabautermann in einer Münchner Hinterhofwerkstatt, aber kleine und große Freunde hat er auch an der Nordsee oder im Teutoburger Wald. Und bei vielen zog es plötzlich im Bauch: Der Pumuckl muss abnehmen? Das geht nicht gut aus. Ein Pumuckl ohne Wampe, das ist wie ein Pumuckl ohne Streiche, wie ein Pumuckl ohne Gedichte, nix Halbes, nix Ganzes. Was bitteschön war passiert?
Pumuckl-Freunde wissen: Der Kobold ist ein Genießer, er sagt Sätze wie „Ich mag keine Suppe. Die läuft bei mir immer durch die Gabel“. Er liebt „Puddeling“ und stellt dafür auch einiges an. Er hasst Käse, mag aber Schokolaaaaade für sein Leben gern, Wurst sowieso und ab und zu sogar ein Schlückerl Bier. Das war schon so, als seine Erfinderin, die großartige Ellis Kaut, ihn 1962 zum ersten Mal ins Radio geschickt hat.
Wer gerne isst, der ist auch rund, das könnte ein altes Klabautersprichwort von Pumuckl höchstpersönlich sein. Schon in den ersten Büchern, die ab 1965 erscheinen, spitzelt seine kleine Wampe zwischen der grünen Hose und dem gelben T-Shirt raus. In den Filmen liegt er – nicht nur nach dem Spanferkelessen im Wirtshaus – selig in der Schiffsschaukel und träumt von Knödeln, das Bäuchlein in die Höhe gestreckt. Und nun soll diese Kugel, die der Kobold sich beim Lachen so gerne hält, dem Schlankheitswahn unserer Zeit weichen? Reicht es nicht, dass schon die Biene Maja abspecken musste? Macht der Body-Mass-Index jetzt nicht einmal vor Klabautermännern Halt?
Pumuckl: "Ich sollte ihn dynamischer zeichnen"
Am 11. September erscheint ein neues Pumuckl-Buch. Der Stuttgarter Kosmos-Verlag feiert so den Geburtstag von Ellis Kaut, die am 17. November 95 wird. Dafür wurde der Kobold neu gestaltet. Herausgekommen ist ein schlanker Wicht. Der Bauch ist noch da – aber viel flacher.
„Ich sollte ihn dynamischer zeichnen“, sagte der Illustrator Jan Saße, nachdem sein Entwurf veröffentlicht wurde. Er habe sich an seinen sportlichen Söhnen orientiert. Saße, 39, versicherte: „Gehungert hat Pumuckl nicht.“ Und der Verlag erklärte: „Pumuckl sollte einerseits klassisch und wiedererkennbar sein für die Erwachsenen, die Pumuckl noch aus ihrer eigenen Kindheit kennen. Andererseits sollte er auch einen leicht modernen Touch bekommen.“ Doch der Verlag hat offenbar nicht mit Pumuckls treuen Fans gerechnet. Denn die gingen jetzt auf die Barrikaden.
Denn Pumuckl ist ein Phänomen. Kinder lieben ihn, daran hat sich in über fünf Jahrzehnten nichts geändert. Es gibt inzwischen supermoderne Kinder-Unterhaltung mit futuristischen Helden, die durchs Universum flitzen. Klar, auch die finden Kinder toll. Aber Pumuckls Streiche, die altmodische Werkstatt, die bayerische Grantlerei, die lieben sie auch. Schreinermeister Eder droht frechen Nachbarskindern mit Watschn, verschwindet auch mal unter Tags ins Wirtshaus auf einen Schnaps. Politisch höchst unkorrekt. Ganz anders als Fernsehen und Radio heutzutage – und vielleicht gerade deshalb so beliebt.
Pumuckl ohne Bauch? "Es war ein Fehler"
Es gibt Erwachsene, die mit Freunden ernsthaft über Lieblings-Folgen diskutieren. Jugendliche, die sich für zu cool für die Welt halten, aber wenn sie mit Grippe im Bett liegen, dann schieben sie eine Pumuckl-Kassette in den Recorder. Ertönt die krächzige Stimme von Hans Clarin, „Hurra, hurra, der Pumuckl ist wieder da“, ist die Welt in Ordnung. Bei Siebenjährigen genauso wie bei Siebenundzwanzigjährigen. Pumuckl, das ist ein Freund fürs Leben, kein Lebensabschnittsgefährte. Und an dem krittelt man nicht rum, bloß weil er einen Bauch hat. „Es gibt nur einen Pumuckl“, schreibt ein Fan zum schlanken Pumuckl im Internet. „Alles andere ist eine Fälschung!“ Auf Twitter gibt es ein eigenes Schlagwort – „bringbackbäuchlein“.
Das sehen auch Medien-Experten so. „Es war ein Fehler, Pumuckl ohne Bauch zu zeichnen“, sagt Maya Götz, 48, Leiterin des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen in München. Die Figur des alten Kobolds entspreche optisch einem Drei- bis Vierjährigen, „und da haben Kinder nun mal einen Bauch“. Ihr Institut hat in einer Studie, die im Dezember veröffentlicht werden soll, untersucht, was Kinder am Pumuckl mögen. Es ist das Runde, das Knubbelige, das Liebe an ihm. „Und auch das Anarchische“, sagt die zweifache Mutter. Dass sich Pumuckl nicht an Regeln hält. „Kinder wissen ganz genau, was richtig und was falsch ist. Gleichzeitig genießen sie es, Pumuckl dabei zu beobachten, wie er das anstellt, was sie auch gerne anstellen würden.“ Die Kanten, die Macken – das macht Pumuckl einzigartig. „Wenn ich die Kanten abschlage, verliere ich den Markenkern.“
Pumuckl: Für künftige Produktionen gilt die traditionelle Vorlage
Genau das hat sich auch Uschi Bagnall gedacht. Sie ist die Tochter von Ellis Kaut, Pumuckls Schwester, wenn man so will. Sie hat die Rechte an dem Kobold, zusammen mit der ersten Pumuckl-Zeichnerin Barbara von Johnson und ihrem Mann Brian Bagnall, der den Pumuckl später gestaltete. „Wir haben dem Verlag unser Einverständnis gegeben, den Pumuckl zu modernisieren“, sagt Uschi Bagnall. „Wir sind alle um die 70, wir wollten nicht altmodisch wirken. Und wir wollten wissen, welchen Pumuckl die Kinder lieber mögen.“ Doch als sie von dem Protest gegen den dünnen Kobold hörte, freute sie sich: „Wir haben uns bestätigt gefühlt.“ Und deshalb sagt sie jetzt: „Pumuckl bekommt seinen Bauch zurück.“
Es werde nur dieses eine Buch mit der dünnen Figur geben. Für künftige Produktionen gilt wieder eine traditionelle Vorlage. Der neue alte Pumuckl ist bereits entworfen, er sieht aus wie eh und je. Rund, knubbelig, lieb. Und Uschi Bagnall hat noch eine gute Nachricht: „Es wird ein Pumuckl-Musical geben.“ Die Premiere ist für 2016 oder 2017 im Gärtnerplatztheater in München geplant.
So geht es, das Prinzip Pumuckl. Am Ende ist alles gut.