Corona und Energiekrise verschärfen globale Ungleichheit – Deutschland wird Folgen zu spüren bekommen
Die Corona- und Energiekrise verschärfen die Ungleichheit weltweit. Deutschland kommt als Industrienation besser weg, bekommt die Folgen aber zu spüren.
Washington/Berlin – 685 Millionen Menschen im Jahr 2022 unter der Armutsgrenze, Bildungsungleichheiten und verkürzte Lebenserwartung: Lange hat die Weltwirtschaft einen Aufschwung erlebt. Doch die Coronakrise und der Ukraine-Krieg kehren die Trends um. Auch Deutschland wird die Folgen der wachsenden, globalen Ungleichheit zu spüren bekommen.
Corona verstärkt Ungleichheit: „Massive Lernverluste und verkürzte Lebenserwartung“
Bereits Corona war für viele Entwicklungs- und Schwellenländer ein schwerer Schlag. Unzureichende Impfkampagnen und steigende Verschuldung haben die Länder extrem anfällig für Krisen gemacht, so der „Global Wealth Report“ der Allianz. Zudem zeigten die Steuerpolitik und andere Soforthilfemaßnahmen zur Armutsbekämpfung in reichen Ländern, die mehr Mittel zur Verfügung hatten, eine deutlichere Wirkung, als in Entwicklungsstaaten, ergänzt der Report der Weltbank „Poverty and Shared Prosperity“.

„Die reichsten Volkswirtschaften haben sich viel schneller von der Pandemie erholt als die Volkswirtschaften mit niedrigem und mittlerem Einkommen“, so der Bericht. Die Daten zeigten, dass die ärmsten 40 Prozent der Weltbevölkerung doppelt so hohe Einkommensverluste hinnehmen musste, wie die reichsten 20 Prozent. Hinzu kommen Rückschläge in den Bereichen Bildung und Gesundheit „mit massiven Lernverlusten und verkürzter Lebenserwartung“, so der Bericht. Auch in Deutschland ist die Bildungs-Schere zu sehen.
Der Ukraine-Krieg und die damit verbundene Energiekrise verschlechtern die Situation weiter.
Armut verstärkt: EU und USA tragen aktiv zur Verschiebung bei
„Der Krieg in der Ukraine hat die Erholung nach Covid-19 abgewürgt und die Welt auf den Kopf gestellt“, so der „Global Wealth Report“. Inflation, Nahrungsmittel- und Energieknappheit führten weltweit zu Problemen und werden die Entwicklung der Märkte wohl noch Jahre beeinflussen. Die sogenannte De-Globalisierung führe zudem dazu, dass die EU und USA wichtige Investitionen aus Entwicklungsländern abziehen. Industrien wie Halbleiter, Batterien und Wasserstoff werden lieber heimisch angesiedelt.
Das beeinflusst auch die Armutsprognosen. Das Ziel der UN, extreme Armut bis 2030 auszurotten, sehen die Autoren des Weltbank-Berichts zum Scheitern verurteilt.
Die Extreme Armutsgrenze
Wie das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung mitteilt, versteht man unter Armut, „die Unfähigkeit, menschliche Grundbedürfnisse zu befriedigen.“ Dazu gehören der Konsum und die Sicherheit von Nahrungsmitteln, Gesundheitsversorgung, Bildung, Ausübung von Rechten, Sicherheit und menschenwürdige Arbeit.
Die Grenze extremer Armut liegt laut der Definition der Weltbank bei 1,90 US-Dollar pro Tag. „Das heißt, dass extrem arme Menschen nicht in der Lage sind, sich täglich die Menge an Gütern zu kaufen, die in den USA 1,90 US-Dollar kosten würden.“
Allein 2020 sei die Zahl der Menschen, die in extremer Armut lebten, um 70 Millionen gestiegen. Für 2030 wird erwartet, dass 574 Millionen Menschen, sieben Prozent der Weltbevölkerung, von weniger als 2,15 Dollar am Tag leben müssen, der Großteil davon in Afrika. Für 2022 wird die Zahl auf 685 Millionen Menschen geschätzt. In Deutschland lag die Armutsquote, nicht speziell der extremen Armut, 2021 bei 16,6 Prozent.
Einkommensverteilung verschiebt sich in die Extreme: Deutschland wird die Folgen zu spüren bekommen
Innerhalb der Länder verschiebe sich die Einkommensverteilung global ebenfalls in die Extreme. In den USA, China, Brasilien und Südafrika könne kaum mehr von einer Mittelschicht gesprochen werden. Eine funktionierende Mittelschicht sei nur in Rumänien, Italien und Israel zu sehen. Auch in Deutschland trifft es Geringverdiener und Rentner am stärksten. Die Corona- und Energiekrise hat damit den Rückgang der Armut in der Welt umgekehrt.
Diese Verschiebung wird auch Auswirkungen auf das Export-geprägte Deutschland haben. Verteilt sich das Vermögen weltweit auf wenige Nationen, schwinden die Kunden der Bundesrepublik, merkt focus.de an. Hinzu kommen mögliche Flüchtlingsströme mit Menschen, die vor extremer Armut fliehen. Trifft in Deutschland die Energiekrise den Osten härter als den Westen? (chd)