Zahngold, alte Münzen, der Ehering der Oma: Wie aus Altgold Geld wird

München – Zuhause verbergen sich in Schubladen und Schatullen oft wertvolle Schätze. Obwohl der Goldpreis in den vergangenen Jahren gesunken ist, machen viele Deutsche ihr Altgold zu Geld. Ein Besuch beim Altgoldhändler.
Hinter dem Panzerglas glitzert und glänzt es. Goldkettchen, Armbänder und mit Edelsteinen besetzte Ohrringe sind im Schaufenster des Goldhändlers Degussa ausgestellt. Wer Gold kaufen möchte, ob in Form von Schmuck oder Barren, ist hier richtig am Münchner Promenadeplatz Nummer 12. Wer dagegen Altgold verkaufen möchte, verschwindet in einem unscheinbaren Hauseingang wenige Meter entfernt. Im ersten Stock liegt hier das Altgoldzentrum des Händlers. Nichts weist von außen darauf hin, dass hier Gold zu Geld gemacht wird. „Unsere Kunden schätzen Diskretion“, sagt Markus Ragg, Degussa-Niederlassungsleiter in München.
Sicherheitsleute sind am Eingang postiert. Vier Goldschmiede empfangen in den Hinterräumen die Kunden. Die Experten prüfen den Goldgehalt von Goldzähnen, Münzen und Schmuck – und machen ein Angebot.
Einer von ihnen ist Goldschmiedemeister Marcus Sailler. Drei Schmuckstücke liegen auf seinem Schreibtisch. Ein Ring, in den ein Datum eingraviert wurde, ein massives Armband und ein dünnes Goldkettchen. Sailler ist Goldschmied in dritter Generation, saß bereits im Alter von fünf Jahren in der Werkstatt auf dem Schoß des Vaters. Er vertraut auf seine Erfahrung, wiegt den Goldschmuck in der Hand. Bereits das Gewicht erlaubt Rückschlüsse auf den Goldgehalt.
333, 585 oder 750 Promille
Dann geht es an die Prüfung. Sailler klemmt sich die Juwelierlupe vor das linke Auge und untersucht den Schmuck. In den Ring ist die Zahl 333 eingeprägt, das bedeutet das, dass er zu 333 von 1000 Teilen aus Gold besteht, der Rest setzt sich aus anderen Metallen zusammen. Das entspricht einem Goldanteil von 33,3 Prozent. Kette und Armband ziert die Zahl 585. Der Goldanteil ist hier höher.

Doch halten die aufgedruckten Zahlen, was sie versprechen? Sailler zieht eine Schieferplatte aus dem Schreibtisch. Er nennt sie „Probierstein“. Mit Kraft reibt er den Ring an der Platte, bis ein dünner goldfarbener Streifen zu sehen ist. Auch Armband und Kette hinterlassen ihre Spuren. Der Goldschmiedemeister nimmt eine Reihe Glasfläschchen zur Hand. „Probiersäure für Gold“ steht auf den Etiketten. „Eigentlich handelt es sich um eine Mischung aus Salpetersäure und Salzsäure in unterschiedlichen Konzentrationen“, erklärt Sailler. Mit einer Pipette tröpfelt er die Säure auf die Schieferplatte. Langsam löst sich der goldfarbene Streifen, den der Goldring hinterlassen hat, auf. „Das ist der Beweis, dass es sich um einen Goldanteil von 333 Promille handelt“, so Sailler. Die beiden übrigen Linien bleiben erhalten, sie verschwinden erst, als Sailer eine Säure mit höherer Konzentration aufträgt.
Zu den gängigen Goldlegierungen gehören 333, 585 und 750 Promille. Je höher der Goldgehalt, umso wertvoller der Schmuck. Bei Degussa ist der Edelmetallgehalt die einzige Größe, die zählt. „Edelsteine werden mit der Zange herausgelöst. Der Kunde bekommt sie wieder mit nach Hause“, erklärt Sailler. Unangenehm wird es bei Zahngold. So mancher Kunde hat schon ein komplettes Gebiss auf Saillers Tisch gelegt. Auch das Herausbrechen von Goldzähnen gehört zum Job.
Manchen Kunden fällt es schwer, sich von einem Schmuckstück zu trennen
Das Degussa Altgoldzentrum München verzeichnet nach eigenen Angaben dreistellige Zuwachsraten beim Altgold-Ankauf. Und das obwohl der Goldpreis seit Jahren rückläufig ist. Manche schicken ihr Altgold per Post ein oder lassen es von Degussa abholen, andere suchen den Weg ins Altgoldzentrum. Die Kunden kommen aus den unterschiedlichsten Gründen, erzählt Sailler. Manche möchten nach einer Scheidung den Ehering loswerden – als letzten Akt der Trennung sozusagen. Andere brauchen schlichtweg Geld. Er habe schon alles erlebt. „Vom Freudensprung, weil das Gebiss des Opas 500 Euro bringt. Bis zur Trauer, weil geliebte Erbstücke verkauft werden müssen.“

Manchen Kunden fällt es schwer, sich von einem Schmuckstück zu trennen. Der immaterielle Wert ist oft weit höher als der materielle. „Solchen Kunden rate ich manchmal, eine Nacht darüber schlafen“, sagt Sailler. Ist der Kaufvertrag erst einmal abgeschlossen, wird das Altgold eingeschmolzen. Der Großteil landet in einer Scheideanstalt in Pforzheim. Aus Zahngold, Ringen, Ketten und Co. werden Goldbarren oder sogenannte Vorprodukte für den Handel – zum Beispiel Verschlüsse für Goldkettchen.
Ein kleiner Schmelzofen steht aber auch im Altgoldzentrum der Degussa. Das hat zwei Gründe, erklärt Goldschmiedemeister Sailler. Zum einen kann der Goldgehalt mancher Schmuckstücke nur bestimmt werden, wenn das Gold vorher geschmolzen wurde – etwa wenn verschiedene Goldsorten bei der Herstellung verwendet wurden. Außerdem möchten manche Kunden gerne mit eigenen Augen verfolgen, wie ihr Gold geschmolzen wird.
Mit Ultraschall, Magnetwaage oder Röntgenfluoreszenzanalyse wird analysiert
Das Armband, das Kettchen und der Ring, die bereits untersucht wurden, landen nun in einem Tongefäß. Sailler schließt die Luke am Schmelzofen und schon steigt die Temperatur. Innerhalb von Sekunden sind 100 Grad erreicht. Bis auf 1200 Grad erhitzt sich der Ofen. Durch das Guckloch aus Glas sieht man, wie sich das Gold langsam verflüssigt und beginnt zu blubbern. „Alles, was nicht Gold ist, verbrennt oder schwimmt auf der Oberfläche“, erklärt Sailler. Er öffnet das Türchen, betätigt den Kippmechanismus, und das flüssige Gold fließt in eine Form. Einen Moment später ist die Masse bereits erstarrt. Mit einer Zange greift Sailler den kleinen Goldbarren.

Zurück im Büro des Goldschmiedemeisters wird nun erneut der Goldgehalt bestimmt – diesmal mittels sogenannter Röntgenfluoreszenzanalyse. Daneben gibt es weitere Methoden für die Goldprüfung. Durch Goldbarren wird zum Beispiel Ultraschall geschickt – oder eine Magnetwaage bestimmt die Leitfähigkeit des Edelmetalls. Bei der Röntgenfluoreszenzanalyse dringen Röntgenstrahlen durch das Gold. So wird sichergestellt, dass im Barren keine Hohlräume eingeschlossen sind und der Goldgehalt überall gleich hoch ist. 15 Sekunden dauert die Messung. 56,7 Prozent reines Feingold ergibt die Mischung aus Ring, Kette und Armband.
Den Geldwert gibt's bar auf die Hand
Doch was ist das wert? Sailler legt den kleinen Goldbarren auf die Waage und rechnet vor. Bei 142 Gramm Gewicht und 56,7 Prozent Goldgehalt ergibt das 80,51 Gramm reines Feingold. Alle fünf Minuten wird der Goldpreis bei der Degussa an den aktuellen Weltmarktpreis angepasst – danach richtet sich der Preis, den Degussa für Altgold bezahlt. Sailler prüft den aktuellen Preis – 30,02 Euro pro Gramm. Er tippt auf dem Taschenrechner. Das Angebot für Ring, Kette und Armband: 2417,03 Euro.
Ist der Kunde mit dem Preis zufrieden, zahlt Sailler das Geld bar und mit Quittung aus. Die Schmuckstücke wandern in den Tresorraum. Dort warten sie verpackt in Säcken auf den Abtransport zur Scheideanstalt, um zu Barren, Uhren, Münzen oder erneut zu Schmuckstücken verarbeitet zu werden. So schließt sich der Kreislauf des Goldes.
Worauf man als Kunde achten sollte
Wer Altgold zu Bargeld machen will, sollte aufmerksam sein. Die Zahl der Goldhändler ist riesig und nicht alle sind seriös. Wer an den falschen Händler gerät, kann viel Geld verlieren. Kunden sollten deshalb auf einige Dinge achten:
-Messgeräte und Methoden: Wie eine Stichprobe von Eichamtsmitarbeitern in Nordrhein-Westfalen ergab, halten sich viele Goldhändler nicht an die gesetzlichen Vorschriften. So fehle im Geschäft oft die vorgeschriebene Präzisionswaage, berichtet die Stiftung Warentest. Stattdessen lande das Gold auf einer simplen Küchenwaage. In solchen Fällen sollte man das Altgold wieder einpacken und einen anderen Händler aufsuchen. Degussa-Goldschmiedemeister Marcus Sailler warnt auch vor Händlern, die Zahngold nicht vom Zahn entfernen. Ein Angebot, das sich nach dem gegenwärtigen Goldpreis richtet, ist nur nach der Bestimmung des präzisen Gewichts und Goldgehalts möglich. Nach Augenmaß ist das nicht möglich.
-Hinterzimmer: Manche Händler verschwinden mit dem Gold des Kunden im Hinterzimmer. Verkäufer sollten darauf bestehen, dass das Altgold vor ihren Augen gewogen wird, rät die Stiftung Warentest. Nur so ist gewährleistet, dass das Gewicht korrekt angegeben wird und Schmuckstücke nicht vertauscht werden.
-Angebote: Verkäufer sollten unbedingt mehrere Angebote einholen, bevor sie sich entscheiden. Bei Degussa und vielen anderen Händlern ist das kostenfrei möglich. Drängt ein Händler zum Verkauf, sei das ein Zeichen für fehlende Seriosität, warnt Goldschmied Sailler.