Annalena Baerbock als Kanzlerin? Fridays for Future-Mitglied stellt klar: „Inhalte sind wichtig, nicht Personen“

Matilda Gettins ist seit dem ersten Tag der „Fridays for Future“-Bewegung in München engagiert. Jetzt studiert die 19-Jährige in Oxford. Bei den Grünen ist sie „noch“ Parteimitglied - im Interview erklärt sie, was sie von der Kanzlerkandidaten Annalena Baerbock hält.
München – Matilda Gettins ist seit dem ersten Tag der „Fridays for Future“-Bewegung im Dezember 2019 in München mit engagiert. Die 19-Jährige studiert Philosophie, Politik und Wirtschaft im englischen Oxford. Doch auch von dort aus ist sie aktiv. Bei den Grünen ist sie „noch“ Parteimitglied, erklärt sie, da sie bei der Grünen Jugend war, bevor es „Fridays for Future“ gab. Im Interview berichtet sie, was sie von der grünen Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock hält und wie genau sie die Wahlprogramme der anderen Parteien verfolgt.
Haben Sie sich über die Nachricht gefreut, dass Annalena Baerbock Kanzlerkandidatin wird?
Uns sind Inhalte wichtig – und nicht die Personen. Wir finden, die politische Diskussion sollte sich viel mehr darum drehen, was die Parteien in Sachen Klimaschutz machen werden, als darum, wen sie als Kandidaten aufstellen.
Sie haben also gar keine Sympathien für gewisse Kandidaten?
Nur strategisch: Wenn wir etwa denken, dass eine Person durch Netzwerk-Kontakte bessere Klimapolitik betreiben kann.
Ihr versucht also, die Politik rein sachlich zu betrachten?
Als Bewegung: ja. Natürlich kann es sein, dass Einzelne manche Kandidaten lieber haben als andere, aber das ist nicht unser Ziel als Bewegung.
Wollt Ihr als Bewegung die Kanzlerkandidatin Baerbock unterstützen?
Nein. Wir sehen es als unsere Rolle an, Politiker und Politikerinnen zur Verantwortung zu ziehen, sie auch zu kritisieren – und nicht, sie zu unterstützen.
Aber fühlt Ihr Euch als Bewegung nicht einer Partei wie den Grünen näher als anderen?
Tatsächlich merken wir inzwischen, dass sich fast alle Parteien das Ziel gesetzt haben, die Klimakrise zu verhindern – was wir natürlich sehr gut finden. Dann bewerten wir die Parteien danach, ob die Ziele ausreichend sind und für wie realistisch wir ihre Pläne halten.
Schaut Ihr Euch wirklich alle Wahlprogramme durch?
Das klingt vielleicht etwas nerdig, aber das ist tatsächlich genau das, was wir tun. So sehen wir etwa: Keine einzige Partei erklärt in ihrem Programm genau, wie sie das 1,5-Grad-Ziel erreichen will. Außerdem fehlt etwa bei den Linken ein genauer Ausbauplan für erneuerbare Energien, bei der SPD fehlt Konkreteres zum Kohleausstieg, und bei den Grünen fehlt der Plan, wie sie die Emmissionen reduzieren wollen.

In ihrem Wahlprogramm kündigen die Grünen immerhin an, dass sie im Jahr 2030 70 Prozent weniger Treibhausgase als 1990 fordern...
Der Knackpunkt ist nicht nur, wie viel reduziert wird, sondern auch was. Die ersten 70 Prozent kann man etwas einfacher einsparen, etwa durch den Ausbau erneuerbarer Energien oder durch Sanierung. Doch die letzten 30 Prozent liegen zum Beispiel bei Verkehr und Industrie – das wird viel schwieriger. Sich dort mehr Zeit zu lassen, ist keine schlaue Idee. Unsere Forderung ist deshalb: Klimaneutralität im Jahr 2035.
Steht Ihr kurz davor, selbst eine Partei zu gründen?
Das nicht. Wir sehen uns genau in der Rolle, alle Parteien zu der Einsicht zu bringen, dass Klimaschutz nicht Sache einer einzigen Partei sein kann. Diese Basis sollten alle Parteien gemein haben, und sich dann bei anderen Themen auseinandersetzen.
Ist Baerbock zumindest als relativ junge, politisch engagierte Frau ein Vorbild für Sie?
Ich freue mich schon über junge und weibliche Personen in der Politik, aber deswegen ist Annalena Baerbock kein Vorbild für mich. Wenn ich mir eine junge Frau als Vorbild nehmen würde, dann wäre das Elena Balthesen, eine junge Aktivistin aus unserer Ortsgruppe. Sie zeigt, wie viele Themen zusammenhängen – zum Beispiel, dass die Klimakrise Ungerechtigkeiten verstärkt.
Würden Sie sich trotzdem freuen, wenn Baerbock Kanzlerin werden würde?
Weniger darüber, dass dann genau sie Kanzlerin ist, sondern eher darüber, dass es zeigt, was alles möglich ist. Und dass auch junge Frauen eine Chance auf solche Posten haben.