„Bayern braucht mehr Migranten-Lehrer“

München - Der Anteil von Lehrern mit Migrationshintergrund in Bayern ist verschwindend gering – rund ein Prozent. Das soll sich ändern. Das Ministerium will Migranten-Schüler für den Lehrerberuf begeistern. Auch einen Verein gibt es schon.
Als Alparslan Bayramli eine Lehrerstelle am Lion-Feuchtwanger-Gymnasium in München bekam, wollte er nur eines: Mathematik, Physik und Informatik unterrichten. „Ich wollte ein normaler Lehrer sein.“ Nur langsam dämmerte ihm, dass er noch weitere Kompetenzen hat: Er ist Türke und damit eigentlich ideal geeignet, ein Ansprechpartner für Migranten-Kinder und -Eltern zu sein. „Beim Elterngespräch rede ich auch mal Türkisch“, bekennt Bayramli, und sagt heute, dass er zu deren Problemen vielleicht „einen Zugang hat, den man ohne eigenen Migrantenhintergrund vielleicht nicht hat“.
Bayramli hat mit anderen Migranten-Lehrern einen Verein gegründet: „LEMI. Generation Integration. Bayerisches Netzwerk für Lehrkräfte mit Migrationsgeschichte“. Etwa 100 Lehrer aus ganz Bayern sind schon beigetreten. Ziel ist es, den Migrations-Hintergrund der Lehrer für die Schule nutzbar zu machen. „Wir können halt auch in der Landessprache der Eltern erklären, was das Abitur ist“, erläutert Thomas Smiatek, geboren in Polen und heute Fachoberschullehrer in Nürnberg. „Das wirkt authentischer.“ Außerdem: „Ich rede gerne mal wieder polnisch“, schmunzelt der Junglehrer.
Die Türkin Ilknur Celik, Grundschullehrerin in Memmingen, wird auch mal von deutschen Kollegen um Rat gefragt, wenn es Probleme mit türkischen Schülern gibt. Und Hatice Tanirgan-Lutz, die an einer Nürnberger Realschule Mathe und Physik unterrichtet, spricht von einer „Vorbildfunktion“. Bei vielen Migranten-Eltern sei „nicht angekommen, dass die deutsche Sprache die Schlüsselqualifikation ist“, sagt die Türkin – so sei das Bildungsgefälle zwischen deutschen und ausländischen Kindern wohl zum Teil erklärbar.
Dann erzählt Hatice Tanirgan-Lutz ihre persönliche Erfolgsgeschichte. Die Mutter von drei Kindern hat einst die Hauptschule besucht, dann die Realschule, die Berufsschule, und machte über den zweiten Bildungsweg ihr Abitur, so dass sie anschließend Lehramt studieren konnte. Wenn sie das ihren Schülern erzielt, erntet sie oft Staunen. „Ich kann die aufbauen: Ich konnte auch kein Deutsch, als ich hierher kam.“ Solche Karrieren meint Kultusminister Ludwig Spaenle, wenn er sagt: „Bayern braucht mehr dieser Lehrkräfte.“ Denn der Anteil von Lehrern mit Migrationshintergrund in Bayern ist „deutlich“ (Spaenle) zu gering – das Ministerium schätzt ihn auf nur ein bis zwei Prozent, der Verein „LEMI“ sogar auf unter ein Prozent. Ziel müsse es sein, ihre Zahl ungefähr der Schülerzahl anzugleichen – die Quote von Schülern mit Migrationsanteil liegt bei etwa zwölf Prozent.
Freilich: Nicht jeder Migranten-Lehrern will als solcher im Schulalltag definiert werden. „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht der Migrant vom Dienst werden“, hieß es bei einer Zusammenkunft von „LEMI“ im Kultusministerium warnend. Das sei „eine Gratwanderung“.
Dirk Walter