Bergwacht Bayern sauer über Darstellung in ARD-Film: „Ganze Organisation diskreditiert“

Die bayerische Bergwacht über scharfe Kritik an den Machern eines ARD-Films über den Einsatz in der Riesending-Höhle. Der Film würde die Retter diskreditieren.
Berchtesgaden – Mit „Riesending. Jede Stunde zählt“ hat das Erste am vergangenen Mittwoch ein dreistündiges Höhlendrama gesendet – und damit auch viele Kritiker auf den Plan gerufen. „Die Bergwacht so hinzustellen, als könnten sie nichts, würden die Arbeit den anderen überlassen und sich dann mit fremden Federn schmücken – eine bodenlose Frechheit“, schreibt eine Zuschauerin auf Facebook.
ARD-Film über Riesendig-Rettung sorgt für Aufruhr - „In keiner Weise nimmt der Film die Wirklichkeit auf“
Den ARD-Zweiteiler hat Oscar-Preisträger Jochen Alexander Freydank verfilmt. Es ist ein fiktionales Werk, zeigt aber ein reales Ereignis im Jahr 2014: Der Forscher Johann Westhauser wird damals in der Riesendinghöhle im Berchtesgadener Land von einem herabfallenden Stein getroffen. Er erleidet ein schweres Schädel-Hirn-Trauma, muss mehrfach wiederbelebt und aus der Höhle geborgen werden. Kein leichtes Unterfangen für die über 800 Rettungskräfte: Die Riesendinghöhle im Untersberg ist mit über 20 Kilometern Länge und über 1100 Metern Tiefe die längste und tiefste Höhle Deutschlands.
Freydanks Film überhöht Ereignisse und schafft Raum für dramaturgische Schauplätze wie die Höhle selbst, aber auch die Zentrale, von der aus die Einsatzkräfte der Bergwacht die diffizile Rettungsaktion koordinieren. In der Realität stößt die Darstellungsweise bei der Bergwacht Bayern auf wenig Freude. „In keiner Weise nimmt der Film die Wirklichkeit auf“, sagt Thomas Küblbeck von der Bergwacht Marktschellenberg, Einsatzleiter beim Riesending-Einsatz 2014.
Produzent Ulf Israel verteidigt sich: „Die Produktion ist ein fiktionales Werk, das von dem Unfall zwar inspiriert wurde, aber nicht beabsichtigt, die wahren Geschehnisse wiederzugeben.“ Film sei und bleibe Fiktion.
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Sprecher kritisiert Darstellung in ARD-Film: „Am Ende geht das zu Lasten der Bergwacht“
„Am Ende geht das zu Lasten der Bergwacht“, sagte Roland Ampenberger, Sprecher der Bergwacht Bayern. Von dem Ehrenamt werde eine Schwarz-Weiß-Welt gezeichnet. Zugunsten der Dramaturgie sei in der Verfilmung mehrfach vom tatsächlichen Geschehen abgewichen worden. Die Konflikte zwischen Höhlenrettern und Bergwacht hätten so nicht bestanden. „Wir fragen uns, was die Aussage des Films sein soll, wenn ein Realitätsanspruch besteht – gleichzeitig aber eine ganze Organisation diskreditiert wird, um Spannung zu erzeugen“, so Ampenberger.
Im Film sagt Einsatzleiter Bertram Erhardt, gespielt von Maximilian Brückner: „Wir sind die Bergwacht. Wir haben alles unter Kontrolle.“ Aber: Erhardt zaudert tagelang, den Verletzten zu retten und die Höhlenretter, die aus anderen Ländern angereist waren, wollen abreisen. Im ARD-Zweiteiler macht der Einsatzleiter in dem Chaos eine gnadenlos schlechte Figur, ist hilflos, überfordert.
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Erhardt übergibt daher die Leitung seiner Kollegin. Währenddessen forcieren in der Höhle zwei Ärztinnen die Rettung des Schwerverletzten. Real soll sich das so nicht zugetragen haben. Im Abspann werden die Namen der fiktiven Protagonisten abgekürzt und ihr Leben in Kurzbiografien erzählt. Realität und Fiktion verschwimmen, was sogar Innenminister Joachim Herrmann anprangert: „Der Film ist keine Dokumentation, sondern ein am realen Geschehen angelehntes modernes Märchen. Was die Bergwacht betrifft, weicht der Film deutlich vom tatsächlichen Geschehen ab.“
Mehrere Einsatzkräfte, die an der Höhlenrettung 2014 beteiligt waren, wollten sich auf Anfrage nicht zum ARD-Film äußern. Und Höhlen-Experten, die das Riesending in- und auswendig kennen, hatten im Vorfeld eine Zusammenarbeit mit dem TV-Team abgelehnt. (K. PFEIFFER mit dpa)
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