Brenner: Aufstand gegen Bahntrasse im Inntal geht weiter

Es gibt Kritik an der Bahn und an der Planung zum Brenner-Zulauf. Das Misstrauen sitzt tief, so tief, dass nicht einmal den Zahlen der Deutschen Bahn getraut wird.
München/Rosenheim – Täglich fahren etwa 190 Züge auf der zweigleisigen Strecke zwischen Kiefersfelden und Rosenheim, sagt die Bahn. Maximal 260 am Tag seien machbar, mit Einbau digitaler Signaltechnik 320. Die Zahlen stimmen alle nicht, sagt Thomas Riedrich, als Vorsitzender des Vereins Brennerdialog einer der Wortführer der Protests. Seine Leute haben an der Strecke eine Videokamera installiert, die seit drei Monaten die Züge täglich erfasst. „Wir kommen auf eine deutlich niedrigere Belastung“, sagt Riedrich. Täglich nur 150 bis 160 Züge sollen es sein.
Brenner-Zulauf: Heftige Kritik an Gleisneubau durch das Inntal
Hinter den alternativen Zahlen steckt eine glasklare Botschaft: Die Altstrecke kann, so wie sie ist, „definitiv“ (Riedrich) noch viel mehr Verkehr aufnehmen. Würde man sie begradigen und digital ausbauen, dann könnten sogar 400 bis maximal 470 Züge auf den beiden Gleisen fahren. So hat es für die Kritiker des Brenner-Zulaufs der Münchner Verkehrsplaner Martin Vieregg errechnet, der gestern eine neue Studie in München vorstellte. Dass Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sich erst vergangene Woche in Rosenheim klar für die Neubaustrecke positioniert hat, spornt Vieregg eher noch an: Er ist das Schreckgespenst der Bahn – schon öfters hat er Planungen etwa zur zweiten Stammstrecke in München oder zu Stuttgart 21 zerpflückt.
Bund Naturschutz: „Unsinns-Transporte“ müssen verboten werden
An seiner Seite nahm gestern Richard Mergner Platz – der Landesbeauftragte des Bund Naturschutz zeigte erstmals, was er von den Planungen der Bahn hält: nämlich nichts. „Wir haben einen viel zu billigen Verkehr auf der Brennerroute“, schimpfte Mergner. Der Verkehr müsse eingeschränkt, „Unsinns-Transporte“ verboten werden. Reglementieren würde Mergner den Verkehr über den Brenner – nach Berechnungen der Tiroler Landesregierung jährlich 2,8 Millionen Lkw – am liebsten über eine Alpentransitbörse, bei der ein Spediteur dann Durchfahrtsrechte kaufen würde. Bis dahin hält Mergner eine gegenüber den heutigen Mautsätzen erhöhte Korridormaut für sinnvoll. Da steht er auf der Seite von Tirols Landeshauptmann Günther Platter.
Brenner Bahn-Trasse: Bahn glaubt an „astronomisches Wachstum“
Planer Vieregg kritisierte „phantastische Annahmen“ der Bahn über ein „astronomisches Wachstum“ des Güterverkehrs. Hauptproblem ist für ihn nicht die Altstrecke. „Eigentlicher Engpass ist der Bahnhof Rosenheim.“ Hier gebe es „Fahrstraßenkonflikte“, die beseitigt werden müsste. Die Altstrecke müsse nur abschnittsweise ausgebaut werden. Im Gebiet von Raubling nahe Rosenheim hält Vieregg den Neubau einer Umfahrungsstrecke für Güterzüge für sinnvoll (als „Zukunftsoption“). Die anderen Abschnitte könnten zum Teil tiefer gelegt werden. Nur ganz im Süden, bei Kiefersfelden, hält Vieregg eine Neubaustrecke für notwendig. Die Altstrecke würde der Planer dafür beseitigen. Kosten soll das alles nur ein Drittel von dem, was ein Komplett-Neubau zweier Gleise verschlingen würde. Da die Bahn ihre Kosten nicht beziffert hat, hält sich auch Vieregg hier zurück.
Die Bahn zeigte sich von Viereggs Studie gestern unbeeindruckt: Ein Ausbau nur der Bestandsstrecke sei „keine zukunftsfähige Alternative“, sagte ein Sprecher. „Aus Untersuchungen von Kritikern“ erwarte man „keine neuen Erkenntnisse“.
Im Januar machten Rotwesten machen Front gegen Bahn-Pläne.
Dirk Walter