München - "Immer schlimmer" ist die Situation vieler Pflegebedürftiger - das BRK macht die Pflegekassen dafür verantwortlich. Deren Sparpolitik grenze an "Körperverletzung".
Ein Pflegebedürftiger braucht dringend eine Dekubitus-Matratze, damit er sich nicht wundliegt. Doch die Pflegekasse schmettert den Antrag auf das Hilfsmittel ab. Erst als es zu spät ist, als als der Großvater wunde Stellen am Rücken hat, geht’s doch: Die Matratze wird der Familie bewilligt. Fälle wie dieser aus Weiden (Oberpfalz) häufen sich, sagt Leonhard Stärk, Landesgeschäftsführer des Bayerischen Roten Kreuzes: „Das wird immer mehr.“
Stärk schimpft: „Unsere Pflegekräfte erbringen Leistungen und die Krankenkasse lehnt ab. Pauschal erst mal, ohne Begründung“ – selbst dann, wenn es nur um wenige Euro gehe. Beispiel: die Medikamentenvergabe an Demenzkranke. In der Regel würden seine Mitarbeiter die Pflege auch so durchführen. Man könne die Menschen ja nicht einfach im Stich lassen. „Aber auf Dauer können wir das nicht leisten“, sagt er. Stärk und BRK-Präsidentin Christa Prinzessin von Thurn und Taxis werfen den Kranken- und Pflegekassen eine „gefährliche Sparpolitik“ zu Lasten der Patienten und Pflegebedürftigen vor. Es würden Leistungen in der häuslichen Krankenpflege verweigert, „obwohl sie den Patienten per Gesetz zustehen“, kritisiert Thurn und Taxis. Durch die Blockadehaltung entstehe zum Teil eine „gefährliche Pflege“, die an Körperverletzung grenze. Häufig müssten Sozialgerichte den Patienten zu ihren Rechten verhelfen.
Die Entwicklung habe vor einigen Monaten begonnen, sagt Stärk. Anfangs seien vereinzelt Meldungen von den Pflegediensten eingegangen. Nachdem die gesetzliche Krankenversicherung nun aber einen neuen Rekordstand vermeldete, sei die Empörung groß – und weitere Mitarbeiter hätten ähnliche Fälle gemeldet. Die Kassen hatten im ersten Halbjahr 2012 einen Überschuss von rund 2,7 Milliarden Euro erzielt und verfügen nunmehr über ein Finanzpolster von 21,8 Milliarden Euro. Dies teilte das Bundesgesundheitsministerium unter Berufung auf vorläufige Zahlen mit.
Die Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassenverbände in Bayern verteidigt den rigorosen Kurs: Genehmigungsverfahren für die häusliche Krankenpflege seien für alle Krankenkassen gesetzlich verpflichtend, weil sie nur medizinisch und pflegerisch notwendige Leistungen finanzieren dürfen. „Leider hat es in der Vergangenheit hier immer wieder Fehlverhalten gegeben“, sagte Sprecher Michael Leonhart. Dies würden auch die Sozialgerichtsverfahren zeigen, die zugunsten der Krankenkassen ausgehen. Außerdem hätten die bayerischen Krankenkassen und das BRK erst jüngst für die häusliche Krankenpflege eine deutliche Gebührenerhöhung vereinbart.
Das BRK hat angekündigt, betroffenen Angehörigen jetzt verstärkt zum Klageweg zu raten, um zu ihrem Recht zu kommen.
Carina Lechner