Corona-Impfschutz reduziert? Chemikalie in Trinkwasser könnte Kreis in Bayern vor Probleme stellen
Aufgrund jahrelanger Verunreinigung des Trinkwassers im Landkreis Altötting sind hier viele Menschen stark mit der Chemikalie PFOA belastet. Hat das Auswirkungen auf ihren Corona-Impfschutz?
Altötting ‒ Mittlerweile ist es schon mehrere Jahre her, dass im Kreis Altötting gesundheitsschädliche Chemikalien im Trinkwasser entdeckt wurden. Doch die Menschen waren bis 2017 bereits jahrzehntelang der Belastung mit PFOA (Perfluoroctansäure) ausgesetzt. Es wird auch schon seit einiger Zeit untersucht, welche Auswirkungen die Stoffe auf verschiedene Krankheiten und das Immunsystem der Menschen haben, die überdurchschnittliche Mengen der Chemikalien in ihrem Blut haben. Seit letztem Jahr spielt dabei auch das Coronavirus* eine entscheidende Rolle.
Neben PFOA, der Chemikalie, von der die Menschen im Landkreis Altötting vor allem betroffen sind, zählen fast 5000 weitere Chemikalien zur Gruppe der per- und polyfluorierter Alkylverbindungen (kurz: PFAS). Ein Forscherteam der dänischen Universität in Odense fand Anfang 2021 in einer Studie heraus, dass Menschen, die größere Mengen dieser PFAS im Körper tragen, eher von einem schweren Covid-19-Verlauf betroffen sind. Dafür untersuchten die Wissenschaftler die Konzentration verschiedener PFAS bei 323 Patienten, die sich mit Corona infiziert hatten.
Kreis Altötting: Beeinflusst eine PFOA-Belastung die Wirkung der Corona-Impfung?
Was die Bürger im Landkreis Altötting aktuell aber besonders beunruhigt: Auch die Immunantwort auf Impfungen scheint Untersuchungen zufolge durch die PFAS-Konzentration im Körper beeinflusst zu werden. Die Aktivisten der Initiative für sauberes Trinkwasser „BINT“ („Bürgerinitiative Netzwerk Trinkwasser“) fordern daher dringend die weitere Aufklärung und fragen: „Könnten Chemikalien wie PFOA bei belasteten Bürgern die Antikörper-Antwort auf eine Impfung gegen Corona* beeinträchtigen oder gar schwächen?“
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) wies im März 2020 aufgrund einer gemeinsamen Untersuchung mit der Charité in Berlin darauf hin, dass Kleinkinder bei hohen PFOA-Gehalten im Blut eine geringere Zahl an Impfantikörpern entwickeln. Festgestellt wurden die Effekte bei den Impfungen gegen Influenza, Tetanus und Diphterie. Die gute Nachricht: Trotz geringerer Antikörper kommt es durch die bestehenden Sicherheitsmargen bei Impfungen schlussendlich nicht zu einem verminderten Impfschutz. Es gibt also derzeit keine Erkenntnisse darüber, dass ein Impfschutz geringer ausfällt oder im Umkehrschluss ein höheres Infektionsrisiko mit der jeweiligen Erkrankung besteht
PFOA-Belastung in Altötting: Bluttest zeigt deutlich weniger Antikörper gegen Sars-CoV-2
Carmen Seehuber ist selbst PFOA belastet. In ihrem Blut ist eine Belastung von 42 Mikrogramm PFOA nachweisbar - bedenklich ist bereits ein Wert über 10, wie sie dem Bayerischen Rundfunk erklärt. Weil auch sie sich Sorgen macht, ob die Corona-Impfung bei ihr richtig wirkt, wurde sie selbst aktiv. Das erzählt die Frau aus dem oberbayerischen Altötting dem BR. „Ich bin PFOA belastet, und das beunruhigt mich“, sagt Seehuber dem Portal „Ich habe gehört, dass die Impfung da nicht so wirkt. Das will ich jetzt wissen.“ Und damit ging sie zu ihrer Hausärztin. Die nahm ihr Blut ab und konnte Entwarnung geben: Frau Seehuber sei gegen das Coronavirus geschützt. Trotzdem hat sie im Vergleich zu anderen Geimpften deutlich weniger Antikörper im Blut.
Um einen tatsächlichen Zusammenhang zwischen der Belastung durch PFOA und der Wirkung einer Impfung zu sehen, müsse man allerdings mehrere hundert Leute untersuchen, sagte Professor Carsten Watzl von der Deutschen Gesellschaft für Immunologie dem BR. Die „BINT“-Aktivisten aus Bayern fordern auf ihrer Webseite genau das: Mehr Forschung und Aufklärung.
PFOA-Belastung im Kreis Altötting: Nächste Blutuntersuchung 2022 geplant
Denn zusätzlich dazu, dass es generell nur wenige Erkenntnisse über die Auswirkung von PFOA auf eine Impfung gibt, handelt es sich bei den Corona-Impfstoffen von Biontech und Moderna auch noch um neuartige RNA-basierte Vakzine. Daher sei es besonders schwierig vorherzusagen, ob der Corona-Impfschutz durch PFOA beeinflusst werden kann, sagte Professor Dr. Wolfgang Völkel vom Bayrischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) den „BINT“-Aktivisten.
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Das Landratsamt in Altötting hat nach eigenen Angaben derzeit allerdings keine Kapazitäten für die Klärung der Folgen durch die Belastung mit PFOA. Die Corona-Pandemie binde derzeit einfach fast alle Ressourcen des Gesundheitsamtes. Das LGL erklärte dem Bayrischen Rundfunk auf Anfrage, dass erneute Blutuntersuchungen in der Region voraussichtlich Jahr 2022 geplant seien. Ob dabei dann auch gleich die Impf-Antikörper geprüft werden, stehe noch nicht fest. (iwe) *Merkur.de/bayern ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.