Update vom 3. Januar, 11.11 Uhr: Bereits vergangene Woche hatte sich der bayerische Kultusminister Michael Piazolo (61, Freie Wähler) gegenüber dem Münchner Merkur sehr vorsichtig ausgedrückt, als es um die Frage ging, ob die Schulen in Bayern nach Ende der Weihnachtsferien am 11. Januar wieder in den normalen Präsenzunterricht starten können. In Hinblick auf die heftige Kritik, die seine Baden-Württembergische Amtskollegin Susanne Eisenmann (CDU) für ein In-Erwägung-Ziehen dieser Option eingesteckt hatte, stellte Piazolo fest: „Einen Präsenzunterricht am 11. Januar für alle halte ich für unwahrscheinlich.“ (Siehe Erstmeldung vom 30.12.)
Eine Verlängerung des aktuell herrschenden harten Lockdown in Deutschland scheint nahezu beschlossene Sache. Doch gerade beim Thema Schule herrscht, wie bereits in vergangenen Diskussionen, Uneinigkeit. Piazolo selbst war vor den Weihnachtsferien bereits heftig in die Kritik geraten. Nach Verkündigung des Lockdown hatte sich herausgestellt, dass die bayerische Lernplattform Mebis trotz monatelanger Vorbereitungsmöglichkeiten noch immer nicht dem Zugriff aller Schüler standhalten kann. Nun hat der Kultusminister zumindest einen ersten Ausblick gegeben, wie in Bayern mit den Schulen verfahren werden könnte.
Vor allem bei den jüngsten Schulkindern, den Grundschülern, hält Piazolo laut einem Statement in der Augsburger Allgemeinen, Wechselunterricht für eine sinnvolle Lösung. Da die Kleinen noch weniger selbständig lernen könnten, sei hier die Anbindung an den Lehrer wichtiger. Beim Wechselunterricht lernen die Kinder abwechselnd zu Hause und in der Schule, je nach Modell tage- oder wochenweise. „Wechselunterricht wäre für die Jüngsten eine Möglichkeit, wenigstens teilweise in persönlichem Kontakt mit den Lehrkräften zu bleiben“, so der bayerische Kultusminister.
Bei älteren Jahrgängen müsse man differenziert vorgehen, so der Kultusminister, je nach Jahrgangsstufe. Auch wie mit Abschlussklassen verfahren werde, muss noch diskutiert werden. Sollten die Beschlüsse, die auf der für Montag (4. Januar) geplanten Ministerpräsidentenkonferenz getroffen werden, nicht den Vorstellungen des bayerischen Kultusministeriums entsprechen, so hält Piazolo einen bayerischen Sonderweg für durchaus denkbar. „Bildung ist Ländersache, es kann durchaus sein, dass Bayern am Ende eigene schulpolitische Vorstellungen umsetzt“, so Piazolo in der AA.
Erstmeldung vom 30. Dezember 2020
München - Ein Blick nach Baden-Württemberg: Dort hat sich Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) weit vorgewagt. „Ich gehe davon aus und werbe sehr dafür, dass wir Kitas und Grundschulen in jedem Fall wieder in Präsenz öffnen und die Klassen 5, 6 und 7 sowie die Abschlussklassen im Blick haben – unabhängig von den Inzidenzzahlen“, sagte die CDU-Politikerin am Montag (28. Dezember).
So weit würde ihr Kollege in Bayern nie gehen. Kultusminister Michael Piazolo (FW) ist vorsichtig. „Wir haben einen deutlichen zweiten Lockdown“, sagt er dem Münchner Merkur. Er steht vor schwierigen Januarwochen. Im Dezember war die ministerielle Lernplattform Mebis mehrmals unter der Last der Zugriffe zusammengebrochen. Dabei nutzten, wie das Kultusministerium jetzt mitteilte, nur ein Achtel der Schüler überhaupt die Plattform. Die CSU, allen voran Ministerpräsident Markus Söder*, hat deutlich gemacht, dass sie ab dem 11. Januar auf einen reibungslosen Unterricht am Computer pochen werden. Auch die Grünen drängen darauf, „schnellstmöglich einen Fahrplan“ für den weiteren Schulbetrieb vorzulegen. Es müssten „Eckpfeiler“ bestimmt werden, sagt die Grünen-Bildungspolitikerin Gabriele Triebel.
Piazolo steckt allerdings im Zwiespalt: Würden am 11. Januar alle 1,6 Millionen bayerische Schulkinder im Unterricht zu Hause verharren, würde das System trotz der über Weihnachten erfolgten weiteren Aufrüstung von Mebis ziemlich sicher wieder zusammenbrechen. Daher schließt Piazolo eine Verlängerung der Ferien, wie sie etwa der Deutsche Kinderschutzbund fordert, schon einmal aus. „Eine Verlängerung der Ferien brauchen wir nicht.“
Allerdings hält es der Minister auch für unmöglich, alle Kinder wieder in die Schule zu schicken. Es werde sicher eine Mischform geben mit Wechsel- und Distanzunterricht. Auf Mebis allein will sich Piazolo nicht mehr verlassen. „Das ist nur ein Tool.“ Trotz Lasttests über Weihnachten „kann man nie ausschließen, dass es ruckelt“. Vorsichtshalber appelliert Piazolo (wie schon im Dezember) an die Schulleitungen, eine gestaffelte Nutzung zu organisieren. Die ersten Klassen könnten ab 8, die nächsten erst ab 9 Uhr Mebis nutzen, dazu werde es auch Vorgaben geben, sagt Piazolo gegenüber dem Merkur.
Noch schwierig vorherzusagen ist, welche Klassen ab dem 11. Januar noch zu Hause bleiben sollen – und wo beispielsweise Klassen halbiert und im täglichen Wechsel wieder in die Schulen gehen können. Klar sei, sagt Piazolo, dass die Grundschulen als erste öffnen würden. „Jüngere Schüler können weniger eigenständig zu Hause lernen.“ Auch die vierten Klassen hat Piazolo im Blick. Für sie gibt es am 3. Mai die Übertrittszeugnisse. Normalerweise bestimmt ein Notenschnitt – 2,33 oder besser reicht fürs Gymnasium –, welche Schulart das Kind ansteuern darf. Forderungen etwa des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV), diesmal Eltern- und Lehrermeinung den Vorrang zu geben, lehnt Piazolo auch in der Corona-Pandemie* ab. „An dem üblichen Verfahren wollen wir festhalten.“ Die meisten Grundschulen hätten bis jetzt Präsenzunterricht gehabt und Proben geschrieben.
In Baden-Württemberg sieht sich Schulministerin Eisenmann nach ihrer freimütigen Ankündigung Angriffen in den sozialen Medien ausgesetzt. Der Twitter-Hashtag #EisenmannRücktritt machte bundesweit die Runde. Das hat man auch in Bayern registriert. Den Hashtag #PiazoloRücktritt ab dem 11. Januar würde der Minister jedenfalls gerne vermeiden. *Merkur.de ist Teil des Ippen-Digital-Netzwerks.
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