Prüfungen in der Corona-Krise: An diesen Lösungen tüfteln Bayerns Unis - Datenschützer warnt

Dieses Semester ist ungewöhnlich für Bayerns Studenten: Wegen der Corona-Krise studieren sie vor allem über das Internet. Auch die Prüfungen werden anders als normal ablaufen: Mehrere Varianten sind im Gespräch.
- Nicht nur Schulen stehen in Corona-Zeiten vor besonderen Unwägbarkeiten - denn auch an Unis finden Prüfungen unter ganz neuen Voraussetzungen statt.
- Einige Hochschulen wollen ihre Klausuren online abhalten.
- Doch dabei könnte ein Eingriff in die Grundrechte nötig werden.
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München - Es ist ein Novum für tausende Studenten: Wegen der Corona-Krise* werden viele Prüfungen zum Ende des Sommersemesters nicht wie gewohnt in den Hörsälen stattfinden. Zwar wäre das inzwischen mit Hygiene- und Schutzmaßnahmen* wieder erlaubt, viele Universitäten suchen aber nach Alternativen.
„Mit großem Einsatz auf Seiten des Staatsministeriums sowie der Hochschulen“ werde an Lösungen gearbeitet, sagt Andreas Ofenbeck, Sprecher des Wissenschaftsministeriums: „Insgesamt ist wichtig, dass praktikable Regelungen im Interesse der Lehrenden und Studierenden gefunden werden, die auch den datenschutz- und prüfungsrechtlichen Erfordernissen gerecht werden.“
Uni-Prüfungen in Corona-Zeiten: Großteil soll über alternative Wege abgelegt werden
Daran tüftelt gerade die Ludwig-Maximilians-Universität München. „Wir empfehlen allen Fakultäten, wo immer es möglich ist, keine Präsenz-Prüfungen abzuhalten“, sagt Professor Oliver Jahraus, Vizepräsident der LMU für den Bereich Studium und Lehre. Vor Ort stattfinden müssten die Staatsexamensprüfungen. Bei den anderen Prüfungen dagegen plädiert er für alternative Lösungen. Eine Variante seien digitale Tests, die zu Hause abgelegt werden.
„Bei Online-Klausuren ist es uns sehr wichtig, dass Manipulationsmöglichkeiten eingeschränkt werden“, sagt Jonas Federl von der Studierendenvertretung. Laut Jahraus gebe es verschiedene Modelle. Helfen könnten zum Beispiel Videoaufnahmen während der Prüfung. Außerdem gebe es sogenannte „Open-Book-Prüfungen“: „Bei denen spielt es keine Rolle, welche Materialien und Hilfsmittel verwendet werden, weil es auf die Transferleistung ankommt“, erklärt Jahraus.
Uni-Prüfungen in Corona-Zeiten: TU München setzt auf Online-Prüfungen
Auch an der Technischen Universität in München sollen Online-Prüfungen stattfinden. „Die allermeisten Studierenden sind dafür offen“, sagt Sprecher Ulrich Marsch. Um Betrug zu vermeiden, sind ebenfalls eine andere Gestaltung der Aufgaben und eine Kontrolle mit Kameraaufnahmen im Gespräch.
„Prinzipiell können elektronische Prüfungen ein guter Weg sein, so lange es auch eine Alternative dazu gibt“, sagt Alexander Spears von der Studentischen Vertretung. Ein Programm, das Gesichtsbewegungen des Prüflings festhält und Zimmeraufnahmen fordert, sieht er aber kritisch: „Das ist datenschutzrechtlich ein großer Eingriff.“
Uni-Prüfungen in Corona-Zeiten: Uni Augsburg will klassische Klausuren anbieten
Anders wird die Situation in der Universität in Augsburg gehandhabt. „Bei uns gibt es klassische Klausuren“, berichtet Sprecher Michael Hallermayer. „Dazu werden wir sämtliche Räume nutzen und eventuell auch noch Räume anmieten.“ So solle ein ausreichender Abstand sichergestellt werden.
„Es gibt einen eigenen Hygieneplan* für jeden Raum“, fügt Hallermayer hinzu. Digitale Prüfungen hält er für noch nicht massentauglich: „Dafür braucht es eine gute IT-Ausstattung und die Technik muss auf allen Seiten funktionieren.“ Zudem sei die Datenschutzfrage nicht geklärt.
Uni-Prüfungen in Corona-Zeiten: Datenschutzbeauftragter verweist auf Eingriff in Grundrechte
Darauf macht auch der Landesbeauftragte für Datenschutz Thomas Petri aufmerksam. „Wenn mit der Kamera das Zimmer gefilmt wird, berührt das die Unverletzlichkeit der Wohnung“, erklärt er. „Für diesen Eingriff in die Grundrechte gibt es noch keine Rechtsgrundlage.“ Hochschulsatzungen seien nicht ausreichend - es bräuchte eine staatliche Verordnung.
Denn auch wenn die Studenten in die Aufnahmen einwilligen, sieht der Datenschützer Probleme. „Wenn es keine andere Alternative gibt, ist es die Einwilligung nicht freiwillig und nicht wirksam.“ Studenten müssten die Wahl haben. Er persönlich würde nach derzeitigem Stand für Präsenzprüfungen plädieren. „Gegenwärtig sehe ich nicht die Notwendigkeit für Fernprüfungen“, sagt er. Bei digitalen Prüfungen wiederum sei wichtig, dass die Daten vertraulich behandelt werden und es Löschfristen gibt.
Uni-Prüfungen in Corona-Zeiten: Studenten sollen Leistungen nachreichen können
Die Universitäten wollen nach einer für alle fairen und sicheren Lösung suchen. „Die Studierenden sollen keine Nachteile haben“, sagt Ulrich Marsch von der TU. Wer wegen des Lockdowns Praktika nicht nachweisen kann, sich gegen eine Online-Prüfung entscheidet oder technische Probleme hat, müsse die Leistungen nachreichen können.
„Wir wollen den Studierenden so weit es geht entgegenkommen“, sagt auch Oliver Jahraus. „In vielen Fällen bieten die Satzungen die Option, Prüfungen zu wiederholen.“ Er ist optimistisch, auch die Prüfungen gut zu bewältigen: „Ich bin absolut positiv überrascht, wie gut die Umstellung auf den Online-Betrieb in so einem kurzen Zeitraum funktioniert hat.“
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Claudia Schuri