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Coronavirus: Experte mit erschreckender Warnung - „Sommer hält Epidemie nicht auf“

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Von: Lisa-Marie Birnbeck

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Coronavirus - In China wird großflächig desinfiziert.
Coronavirus - In China wird großflächig desinfiziert. © dpa / Xiong Qi

Italien kämpft mit aller Macht gegen die Ausbreitung des Coronavirus. Auch in Deutschland steigt die Zahl der Infizierten von Tag zu Tag. Experten sagen eine Epidemiewelle voraus.

München – Eigentlich ist es eine Bezeichnung, mit der man sich in der Landeshauptstadt Bayerns gerne schmückt: München, die nördlichste Stadt Italiens. Dahinter verbirgt sich ein positives Lebensgefühl, Dolce Vita am heimischen Isarufer. In Zeiten des Coronavirus* heißt nördlichste Stadt Italiens aber auch: höchste Alarmstufe. Unter den 20 größten deutschen Städten hat München die höchste Dichte an bestätigten Coronavirus-Infektionen. Insgesamt gibt es in München derzeit 60 gemeldete Corona-Patienten. Allein gestern kamen 16 neue Fälle in der Landeshauptstadt hinzu.

Die Zahl der Erkrankten in der ganzen Republik mag derzeit noch gering erscheinen. Doch gerade das Beispiel Italien zeigt, wie schnell sich das Blatt wenden kann. Innerhalb von nur zweieinhalb Wochen ist hier die Lage eskaliert. Am 20. Februar wurde Italiens erster Corona-Patient „Mattia“ in der Lombardei gemeldet. Nur 19 Tage später lag die Zahl der in Italien mit dem Coronavirus* Infizierten bei mehr als 7300 (siehe Grafik).

Coronavirus in München: Die Entwicklungen in der „nördlichsten Stadt Italiens“

Diese rasante Ausbreitung erklären sich Experten damit, dass das Virus wochenlang unbemerkt blieb. „Wir haben den Brand erst entdeckt, als schon fast das ganze Haus in Flammen stand“, sagt der Mailänder Fachmann für Infektionskrankheiten Massimo Galli. Heißt im Klartext: Der 38-jährige Mattia war nicht „Patient 1“. Inzwischen gehen Experten davon aus, dass das Coronavirus* sich bereits ab Anfang, spätestens seit Mitte Januar in Italien auszubreiten begann. Galli meint, der wahre „Patient 1“ habe vermutlich keine Symptome gehabt und daher blieb die Infektion unerkannt.

Italien hat im Kampf gegen eine weitere Ausbreitung des Coronavirus drastische Maßnahmen ergriffen. Per Dekret verfügte die Regierung die Einrichtung einer Sperrzone, welche die gesamte Lombardei sowie 14 weiter Landkreise, darunter auch Städte wie Mailand und Venedig, umfasst. 16 Millionen Italiener befinden sich derzeit in Quarantäne. Italien hat die höchste Zahl an nachgewiesenen Corona-Toten nach China, derzeit sind es über 360.

Coronavirus in Deutschland: Die Entwicklungen liefen parallel zu jenen in Italien

„In den letzten Tagen dachte ich an das, was ich über Churchill gelesen habe: Es ist unsere dunkelste Stunde, aber wir schaffen es“, sagte Italiens Regierungschef Guiseppe Conte der Zeitung „La Repubblica“ und bezieht sich damit auf den britischen Weltkriegspremier. In Südtirol wurde gestern wegen des Coronavirus die Skisaison vorzeitig beendet. Die Bundesregierung hatte die Provinz als Risikogebiet eingestuft, zur Sperrzone gehört sie jedoch nicht.

Die „dunkelste Stunde“ Italiens – sie ist Deutschland nicht nur räumlich näher, als den meisten lieb sein dürfte. Vergleicht man die Zahlen der offiziell bestätigten Corona-Infizierten der beiden Länder, so zeigt sich: Deutschland ist nur etwas mehr als eine Woche hinter Italien. Während dort am 25. Februar bereits 229 Infizierte dokumentiert waren, waren in Deutschland am 4. März, sprich nur acht Tage später, ebenso 240 Fälle bekannt. Die Entwicklung verlief auch die darauffolgenden Tage beinahe parallel. Stand Sonntag gab es in Deutschland 847 gemeldete Corona-Fälle, Italien war am 29. Februar bei 888 Infizierten.

Coronavirus: „Direkt in eine Epidemiewelle hineinlaufen“

Jetzt nehmen auch die drastischen Maßnahmen in Deutschland im Kampf gegen das Virus zu. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) rief gestern in Berlin alle Bürger dazu auf, daran mitzuwirken, die Ausbreitung des Virus zu bremsen. „Wir müssen den Ausbruch verlangsamen, damit unser Gesundheitssystem weiter funktionieren kann“, sagte er.

Die Panik vor dem Coronavirus scheint bereits vielerorts allgegenwärtig – aber ist sie auch begründet? Fest steht, dass sich das Virus exponentiell ausbreitet. Ohne Maßnahmen beträgt die Verdopplungszeit der Infektionen eine Woche. Wirtschaftsjournalist Ranga Yogeshwar zeigte am Sonntagabend in der ARD-Talkrunde von Anne Will einen möglichen Verlauf anhand eines Rechenbeispiels auf. Geht man derzeit von 1000 Infizierten aus, gäbe es kommende Woche bereits 2000 und die Woche darauf 4000. Mit dieser Rechenformel käme man Ende Mai auf eine Zahl von einer Million Infizierten in Deutschland. Allerdings nur, wenn bis dahin keinerlei Maßnahmen gegen die Ausbreitung getroffen werden würden. Und gerade das ist der Knackpunkt: „Es ist wichtig, jetzt nicht zu panisch zu sein“, sagt Yogeshwar. Allerdings sei es ebenso unabdingbar, zu verstehen, dass jetzt drastische Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Verdopplungszeit möglichst weit zu strecken.

Coronavirus: Robert-Koch-Institut drängt auf neue Krisenvorbereitung

Die Lage sei „absolut ernst“, betonte der Chefvirologe der Charité, Professor Christian Drosten gestern. „Wir haben nicht viel Zeit, uns vorzubereiten.“ Selbst das Frühjahr und der Sommer dürften die Ausbreitung laut Drosten nicht aufhalten. Er berufe sich hierbei auf neue Studien aus den USA. Er befürchtet sogar das Gegenteil, nämlich, dass erst in der Zeit von Juni bis August das Maximum von Fällen auftreten werde. Noch in der vergangenen Woche war Drosten von einer Verminderung der Infektionen im Sommer ausgegangen. „Wir müssen damit rechnen, dass wir direkt in eine Epidemiewelle hineinlaufen werden.“ Ressourcen müssten nun eingesetzt werden, wo sie am nötigsten sind.

Auch das Robert-Koch-Institut drängt auf schnelle Krisenvorbereitung. Laut RKI-Präsident Lothar Wieler werden sich die Zahl der Todesfälle zwischen Deutschland und Italien über die nächsten Wochen und Monate angleichen.

Das Coronavirus verbreitet sich weiter. In Deutschland gibt es hunderte Infizierte, dutzende Schulen in Bayern bleiben geschlossen. Jetzt droht Großveranstaltungen die Absage. Viele Menschen geben sich Mühe sich vor dem Virus zu schützen, dabei vergessen sie oft das wichtigste: Alltagsgegenstände, wie das eigene Smartphone, sorgfältig zu reinigen

*Merkur.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks.

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