Dachau: Energiewende scheitert an Fledermaus - Windrad muss nach Gerichtsverhandlung weiter nachts abschalten

In Zeiten von Klimawandel und Stromknappheit gelten erneuerbare Energien als Schlüsseltechnologie. Doch in Dachau muss eine Windkraftanlage nachts stundenlang stillstehen. Der Grund? Real-existierende, aber auch vermutete Fledermäuse. Wirklich wahr.
München – Wie oft und wie lange muss ein Windrad nachts zum Schutz der Fledermaus stillstehen? Mit dieser Frage hat sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof gestern in München befasst. Die Ziegelei Hörl + Hartmann aus Dachau hatte geklagt, weil ihre knapp 200 Meter hohe Windkraftanlage von April bis November nachts stundenlang stillstehen muss – damit deren Rotorblätter keine herumfliegenden Fledermäuse töten.
Rund 7,5 Millionen Kilowattstunden erzeugt die Anlage laut den Brüdern und Geschäftsführern Matthias und Michael Hörl. „Würde die Anlage die ganze Nacht laufen, könnten es schätzungsweise zwei bis drei Millionen Kilowattstunden mehr sein“, sagt Matthias Hörl. Umgerechnet ist das viel Geld, das dem Familienunternehmen flöten geht, weil keine Energie gewonnen wird, die vom Unternehmen verbraucht oder in das Stromnetz eingespeist werden kann. Pro Jahr verliere man so 300 000 bis 400 000 Euro, schätzen die Hörls.

Das Windrad steht seit 2016 auf dem Gelände in Dachau. Kombiniert mit Fotovoltaik kann die Firma ihren Energiebedarf auf das ganze Jahr gerechnet selbst decken. Für die Energiekrise ist Hörl+Hartmann gewappnet. Matthias Hörl ärgert sich dennoch: „Atom und Kohle sind verpönt und trotzdem gibt es noch so schwachsinnige Gesetze, die verhindern, bereits bestehende alternative Energiequellen wie unser Windrad voll auszunutzen. Die Energiewende wird so in diesem Land nie gelingen.“ Das habe er heute auch dem Richter erklärt. „Es geht nicht, dass wir bei erneuerbarer Energie mit diesen Einschränkungen kämpfen, weil der Artenschutz unhinterfragt als Grund angeführt wird.“
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Dass das Windrad von April bis November nachts stillstehen muss, ist von Anfang an eine Auflage des Landratsamtes. „Es schaltet prophylaktisch eine Stunde vor Sonnenuntergang ab und eine Stunde nach Sonnenaufgang wieder ein“, sagt Hörl. „Schlimmstenfalls steht es 15 Stunden still.“ Und es wird noch komplizierter: „Bei einer Windgeschwindigkeit von sechs Kilometern die Stunde, bei Starkregen und bei unter zehn Grad darf die Anlage allerdings laufen.“ Weil, so die Logik, dann keine Fledermäuse mehr fliegen.

Ein Algorithmus, dem eine wissenschaftliche Beobachtung der Fledermausaktivität rund um das Windrad zugrunde liegt, das sogenannte Gondelmonitoring, steuert die Anlage. In der Gondel des Windrades ist ein Mikrofon angebracht, das die Ultraschallwellen der Fledermäuse aufzeichnet. Das Problem laut Hörl: Es werden auch Wellen von Fledermäusen aufgezeichnet, die gar nicht von dem Windrad betroffen sind – von der Zwergfledermaus zum Beispiel, die gar nicht so hoch fliege. „Tote Vögel oder Fledermäuse haben wir noch nie gefunden“, sagt er. „Eine Hauskatze bringt mehr um als das Windrad.“
Eine Entscheidung hat das Gericht gestern nicht gefällt. Das Verfahren ist eingestellt, nachdem Betreiber und das Landratsamt als Kontrollbehörde sich auf eine Einigung verständigt haben. Die Fledermaus-Daten sollen künftig von einer neuen Version des Monitoringsystems „ProBat“ erhoben werden, die es möglich macht, zumindest teils zwischen betroffenen und nicht-betroffenen Fledermausarten zu entscheiden.
Laut Naturschutzbund Bayern sterben immer wieder Fledermäuse durch Windräder. Hochrechnungen gehen davon aus, dass insgesamt rund 200 000 Tiere im Jahr an den Anlagen in Deutschland verunglücken. (sco)