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Darum verkümmert Bayern

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Die Verödung der Dörfer: Stillgelegter Gasthof mit Metzgerei im Landkreis Fürstenfeldbruck. © Stefan Rossmann

München - Selten hat man Egon Johannes Greipl, Bayerns obersten Denkmalschützer, so zornig erlebt wie derzeit. Der Grund: Das von Wirtschaftsminister Martin Zeil verantwortete neue Landesentwicklungsprogramm.

 „Was weg ist, ist weg“, zürnt Egon Johannes Greipl. Und malt ein Horrorgemälde: „Bayerns Denkmäler und Ortsbilder sind Vergangenheit und lassen sich an einer Hand abzählen. Übrig geblieben sind nur ein paar Traditionsinseln, wie sie die Reisenden

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Egon Johannes Greipl (64) ist in Passau geboren und in Regensburg aufgewachsen. Er promovierte 1978 in Geschichte. 1993 bis 1999 war er Kulturreferent in Regensburg, seit 1999 ist er Generalkonservator beim Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege. © Schlaf

aus Übersee gerne haben: Welterbestätten wie Regensburg, Bamberg, die Würzburger Residenz, die Wieskirche.“ München ersticke derweil in Luxusimmobilien, und „wer in das bayerische Hinterland fährt, sieht eine Mischung aus Energielandschaften, Gewerbegebieten, verödeten Dörfern und Wohnsiedlungen.“

Gewiss, das gibt der Generalkonservator gerne zu: Das Szenario ist noch nicht Realität. „Aber die entsprechende Entwicklung ist bereits im Gang. Eine Entwicklung, die bedenklich ist und gegen die wir, die haupt- und ehrenamtlichen Denkmalpfleger seit Jahren entschlossen ankämpfen: mit weniger Personal, mit unzureichenden finanziellen Mitteln und ebenso unzureichender politischer Unterstützung.“ Nur „in einem wirklich verschwindend geringen Umfang“ würden die gesetzlich geschützten Denkmäler in der „Gesamtfortschreibung des Landesentwicklungsprogramms Bayern“ (LEP) berücksichtigt.

Das LEP soll eine Art Blaupause dafür sein, wie sich der Freistaat in den nächsten zehn bis 20 Jahren entwickelt. Zeils Beamte haben 84 Seiten verfasst, die von vielen Fachleuten angegriffen werden – von Bürgermeistern, Mittelstandsverbänden, selbst von den Startbahn-Gegnern, denn die 3. Startbahn ist – Bürgerentscheid hin oder her – ausdrückliches Planungsziel im LEP.

Greipl sagt: Auf dem Feld der Kultur, der Wissenschaft, der Theater, der Museen, der Bibliotheken, der Musik, der Baudenkmäler, der archäologischen Stätten liege Bayerns Reichtum. „Hier wäre zu punkten, in der Berliner Republik und weit darüber hinaus!“

Diese Chance sei von den Verantwortlichen für das Landesentwicklungsprogramm offensichtlich nicht erkannt worden, erklärt der Chef der Denkmalschützer. „Denkmäler und Kulturlandschaften haben dort den Platz eines Mauerblümchens, das aus ein paar Ritzen lugt und im Schatten des neu justierten Planungsgebäudes LEP verkümmert.“ Dieser Entwurf stehe für einen „Paradigmenwechsel der bayerischen Kulturpolitik“.

Ein solches LEP leiste Vorschub für den schleichenden Verlust der über 170 000 bayerischen Denkmäler – nicht nur Schlösser, Kirchen und Klöster, sondern auch das Bauernhaus, das Handwerkeranwesen, ein Ortsbild, ein Bahnhof, eine Maschinenhalle, ein Armenhaus oder das archäologische Erbe. Die keineswegs nur von den Denkmalpflegern vorgetragenen Einwände gegen das Landesentwicklungsprogramm hätten nichts bewirkt. Greipl: „Als Generalkonservator appelliere ich an alle politischen Entscheidungsträger: Bayern ist ein Kulturstaat und muss es bleiben.“

Und er zitiert Hans Maier, den ehemaligen bayerischen Kultusminister: „Wir haben dafür zu sorgen, dass das Einzigartige und Besondere, was aus vergangenen Tagen auf uns gekommen ist, das Bayern aus vielen Ländern Europas heraushebt und was ohnehin in seinem Bestand .... erheblich geschmälert worden ist, dass also dieser Anteil am europäischen Kulturerbe nicht in einer oder zwei Generationen vom Erdboden verschwindet.“ Das bedeute aber nicht, „dass die lebendige Entwicklung unseres Landes gehemmt wird.“

1973 hat Maier das gesagt. „Soll das“, fragt Greipl, „heute nicht mehr gelten?“

Dirk Walter

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