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Der Reisepass aus dem Jahr 1843

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Von: Katrin Woitsch

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Herbert Holly hält den alten Reisepass seines Ururgroßvaters in die Kamera
Ein Reisepass, ausgestellt vom Königreich Bayern: Dieses Dokument hat Herbert Holly entdeckt. Die Reisen seines Ururgroßvaters Jakob Adam sind darauf dokumentiert. Er war im 19. Jahrhundert Blutegelhändler. © Marcus Schlaf

Herbert Holly besitzt einen Reisepass aus dem Jahr 1843. Er hat seinem Ururgroßvater gehört. Der war Blutegelhändler und reiste deshalb um die Welt. Ein Teil der Vergangenheit konnte Holly durch den Pass rekonstruieren.

Feldkirchen – Jakob Adam hat der Welt ein Stück Vergangenheit hinterlassen: seinen Reisepass. Der ist deshalb etwas Besonderes, weil er am 9. Juli 1843 vom Königreich Bayern ausgestellt wurde. Zu einer Zeit, als Reisepässe alles andere als alltäglich waren. Als es nicht mal Fotos gab. Doch die Menschen wussten sich damals zu helfen, sie haben in den Pass einfach eine genaue Personenbeschreibung eingetragen. Deshalb kann sich Herbert Holly ein Bild von seinem Ururgroßvater machen, wenn er heute durch das alte Dokument blättert. Alter: 27, steht dort. Größe: 5’7’’9’’’. Haare: braune. Stirn: hoch. Augenbrauen: blonde. Augen: blaugraue. Nase: spitzig. Mund: klein. Bart: –. Kinn: oval. Angesicht: rund. Gesichtsfarbe: gesund. Besondere Kennzeichen: 0.

Jakob Adam brauchte diesen Pass. Denn er war Blutegelhändler, erzählt Herbert Holly. „Mit Ross und Wagerl ist ist er damals bis in die Türkei gereist, um die Egel dort abzuholen.“ Das waren lange Reisen damals – und sicher keine ungefährlichen. An jedem Grenzübergang musste Adam sich melden und seinen Pass vorlegen. Und trotz des häufigen Gebrauchs ist dieses alte Dokument noch sehr gut erhalten.

„Reise-Paß für das Ausland“, steht auf der Titelseite. Und: „Der Vorstand des königl. Landgerichts München ersucht hiermit unter dem Versprechen gleicher Gegendienste sämtliche Behörden auswärtiger Staaten den Adam, Jakob, ledigen Bauernsohn, gebürtig in Feldkirchen, wohnhaft in Pasing, welcher als Gehilfe des Blutegel-Händlers Deguis aus Lüttich nach den k.k. ausserreichischen Staaten Ungarn, Wallachai, Peterwardein bis an die türkische Grenze reiset, dann zurück nach Straßburg und Paris, ungehindert und sicher reisen zu lassen, auch demselben den extra Bedürftigen Schutz und Beistand zu gewähren. Gegenwärtiger Paß ist gültig auf ein Jahr.“ Gekostet hat der Pass damals drei Kreuzer, auch das konnte Holly nachlesen. Auf den Innenseiten des Passes finden sich zahlreiche Stempel und Visa-Einträge.

Der Pass war wie ein Puzzlestück zum Leben meines Ururopas.

Herbert Holly

Herbert Holly hat viel Zeit damit verbracht, diesen alten Reisepass zu studieren. Genauso akribisch beschäftigte er sich mit den vielen anderen alten Unterlagen und Dokumenten, die er auf dem Bauernhof seiner Oma gefunden hatte. Dort, auf dem Hölzlhof in Feldkirchen (Landkreis München), hat er viel Zeit verbracht. „Meine Oma erzählte sehr oft von früher, und das war für mich sehr spannend“, sagt er. Die Neugier am Leben seiner Vorfahren wurde immer größer – so dass er irgendwann damit begann, sich durch die vielen Briefe, Bilder und Urkunden zu arbeiten. Der Reisepass ist natürlich eines der spannendsten Dokumente aus der Vergangenheit seines Ururgroßvaters. Und er hat Holly dabei geholfen, ein spannendes Stück Familiengeschichte zu rekonstruieren.

„Pasing war damals ein guter Ausgangspunkt für das Blutegelgeschäft, denn es gab dort sogar eine Blutegelzucht“, erklärt er. Der Pasinger Weiher diente zur Zucht der Tiere, war aber auch Durchgangsstation für Blutegeltransporte aus Ungarn in Richtung Frankreich. Und die Pasinger durften kostenlos an den beiden ersten Samstagen im Monat im Weiher baden – denn die medizinische Behandlung durch Blutegel bei einsetzender Venenentzündung oder Kopfschmerzen ist seit dem Altertum praktiziert worden.

Irgendwann ist der Blutegelhändler Jakob Adam aber doch sesshaft geworden. Gemeinsam mit seiner Frau Barbara kaufte er ein Anwesen in Feldkirchen – den Hölzlhof, auf dem Hollys Oma aufwuchs. Und auf dem der 73-Jährige seine eigene Familiengeschichte erforschte.

„Der Pass war wie ein Puzzlestück zum Leben meines Ururopas“, sagt Holly. Für ihn ist er so wertvoll, dass er sich davon getrennt hat. Er hat ihn dem Gemeindearchiv Feldkirchen zur Verfügung gestellt. „Damit ihn möglichst viele Menschen sehen können“, sagt er. Denn so, findet er, ist ein Stück Geschichte für die Nachwelt gerettet.

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