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Mutmaßlicher russischer Doppelagent Carsten L.: Hat Putin einen Spion aus Oberbayern?

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Der Fall des mutmaßlichen russischen Spions Carsten L. erschüttert gerade die Republik. Jetzt stellt sich heraus: Er lebte in einer oberbayerischen Kleinstadt – als Jugendfußballtrainer.

München – Carsten L. – als der Name des mutmaßlichen Spions, der im Auftrag Russlands Staatsgeheimnisse verraten haben soll, kurz vor Weihnachten erstmals in der Presse auftaucht, denken sich in dem oberbayerischen Städtchen manche Bürger: Lustig, ich kenne auch einen Carsten L. Schnell wird aus Spaß Ernst, verbreiten sich im Ort die ersten Gerüchte. Eine Frau sagt, ihr Tauch-Bekannter Carsten L. sei der Spion, ein langjähriger Trainer-Kollege von Carsten L. bekommt auf die Weihnachtsgrüße am Handy untypischerweise keine Antwort, die Nachricht war nicht einmal angekommen. Wieder jemand anderes, Nachbarn von Carsten L., berichten von einer Razzia in dessen Haus kurz vor Weihnachten – so verdichtet sich das Bild.

Carsten L. hat einen herrischen Ton, der bei einigen Eltern nicht gut ankommt

Ein Anruf bei der Ehefrau von Carsten L. bringt schließlich Klarheit: Sie betont die Unschuldsvermutung ihres Mannes und poltert, „dann bringt eben einen Artikel, am besten groß noch mit Bild, damit jeder weiß, um wen es sich handelt“. Sie will ihre Kinder schützen, das Ehepaar L. hat eine Tochter und einen Sohn, beide eben dem Jugendalter entwachsen – für sie ist eine Welt zusammengebrochen. Um sie und ihrer Mutter das Leben nicht noch schwerer zu machen, werden alle Details in diesem Bericht anonymisiert.

Ein BND-Mitarbeiter ist wegen des Verdachts auf Russland-Spionage festgenommen worden.
Ein BND-Mitarbeiter ist wegen des Verdachts auf Russland-Spionage festgenommen worden. © dpa/(symbolbild)

Carsten L. taucht vor rund zehn Jahren erstmals im örtlichen Fußballverein auf, als Jugendtrainer betreut er Mannschaften aller möglichen Altersstufen. Auch in der Vorstandschaft ist er aktiv, arbeitet jahrelang ehrenamtlich als Jugendleiter. Seine Art ist gewöhnungsbedürftig: Er hat einen herrischen Ton, der bei einigen Eltern nicht gut ankommt – Folge seiner Tätigkeit bei der Bundeswehr, denken sich manche achselzuckend, da wird man eben so.

Manche Eltern wollen ihre Kinder nicht unter Carsten L. spielen lassen, andere haben mit ihm keine Probleme, weil er niemanden bevorzugt oder benachteiligt, sondern alle gleich behandelt. Die Kinder haben Spaß im Training, vor allem, wenn Carsten L. selber Übungen vormacht und oft verhunzt, weil er nicht der größte Fußballer ist.

Ehemaliger BND-Mitarbeiter wegen Verdachts des schweren Landesverrats in Untersuchungshaft

Vor kurzem schied Carsten L. aus der Vorstandschaft aus, beim Ausräumen wurden AfD-Materialien von ihm gefunden, was seine Nachfolger peinlich berührte. Bis zum vergangenen Herbst hat er die A-Jugend betreut, in der auch sein Sohn spielt, seitdem ist er nur noch als Betreuer bei den Spielen dabei – er hatte keine Zeit mehr, weil er nach Berlin versetzt worden war, wie er sagte. Dass er als Bundeswehroffizier in Diensten des BND stand, wusste im Verein niemand, von der jetzigen Enthüllung sind die meisten schockiert.

Der Spiegel berichtet in seiner neusten Ausgabe, dass Carsten L. als Referatsleiter in der Abteilung „Technische Aufklärung“ gearbeitet habe und frustriert war in seinem Job – er soll nicht aus Geldgründen zum Spion geworden sein. Aufgeflogen soll er sein, weil ein anderer westlicher Geheimdienst im russischen Sicherheitsapparat einen Datensatz entdeckte, der eindeutig dem BND zuzuordnen war. Man kam auf Carsten L. als möglichen russischen Informanten, er sei wochenlang überwacht worden, schreibt der Spiegel.

Carsten L. selbst äußert sich zu den Vorwürfen bisher nicht, es ist auch unklar, wie lange schon Daten und wie viele Informationen an die Russen weitergegeben wurden. Vorgeworfen wird ihm „schwerer Landesverrat“, was je nach Schwere der Tat von mehrjähriger Haft bis zu lebenslänglich bestraft wird. Es dürfte sich um den größten Spionagefall der jüngeren Geschichte in Deutschland handeln – von einem Jugendfußballtrainer aus einer oberbayerischen Kleinstadt.

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