Augsburger Puppenkiste: Die Marionetten tanzen wieder

Fast zwei Jahre lang hingen die weltberühmten Puppen in den Seilen. Mit neuen Figuren und neuem Programm startet die Augsburger Puppenkiste jetzt verspätet aber doch in die Spielsaison 2022. Kasperl-Chef Klaus Marschall ist nach langer Corona-Durststrecke vorsichtig optimistisch. Hauptsache: Es geht endlich wieder los.
Augsburg – Prinzessinnen und Politiker, Tiere, Monster und Kasperl. Rausgeputzt und restauriert hängen die Marionetten noch schlaff hinter den Kulissen der Augsburger Puppenkiste. Vier neue Figuren sind dazugekommen: Olaf Scholz, Karl Lauterbach, Annalena Baerbock und Friedrich Merz. Im Jahrhunderte alten Haus der Augsburger Spitalgasse Nummer 15 laufen die Vorbereitungen für die Premiere auf Hochtouren: Generalprobe, Desinfizieren, aktuelle Corona-Regeln nochmal checken – nach zwei Jahren öffnet die Kiste wieder.
Kasperls Nebenjob beim Kultusministerium
„Dem Kasperl war sehr langweilig in der Arbeitslosigkeit“, sagt Klaus Marschall, Chef der Augsburger Puppenkiste und tätschelt der Marionette liebevoll den Rücken. „Auch wenn er als Doktor Kasperl im Schnelltest-Erklärvideo des Kultusministeriums zwischenzeitlich einen Nebenjob fand.“ Die Figur und ihr Chef sind eng verbunden. Seit über 20 Jahren haucht Klaus Marschall dem Kasperl über dünne Schnüre Emotionen ein und teilt seine Stimme mit ihm. Gelernt hat er das von seinem Patenonkel, „einem echten Lechhausner“, erzählt er stolz. In dritter Generation führt seine Familie bereits das weltberühmte Puppentheater.

60 Arbeitsstunden für eine Puppe
1948 eröffnete die Kiste mit der Aufführung vom „Gestiefelten Kater“. So schwer wie in den letzten zwei Jahren war der Spielbetrieb seitdem noch nie: Schließungen, Kapazitätsbeschränkungen, verlorene Mitarbeiter, Hygieneregeln. Die Augsburger Puppenkiste hatte bis auf eine kurze Unterbrechung im vergangenen Herbst durchgehend geschlossen. Das größte Problem sei der nicht planbare Kartenvorverkauf und die verlorenen Mitarbeiter. Angestellte, die auf 450 Euro Basis beschäftigt waren, konnten nicht in Kurzarbeit gehalten werden und mussten sich einen neuen Job suchen. „Die fehlen uns jetzt an der Garderobe, im Museum oder im Café.“ Zwei Puppenspielerinnen mussten die Kiste während der Pandemie verlassen, zwei weitere sind in Elternzeit. Ersatz zu finden, funktioniert nicht von heute auf morgen. „Die muss man selbst anlernen“, sagt Marschall. Etwa drei Jahre dauere es, bis Puppenspieler gelernt haben, den Figuren Leben einzuhauchen. Die restlichen Marionettenkünstler haben sich auch während der langen Pause in kleinen Gruppen getroffen, um nicht außer Form zu geraten. „Gerade Lenden- und Schultermuskulatur mussten wir fit halten, das kann man nicht einfach im Fitnessstudio trainieren“, erklärt Marschall.
Kulturbranche hängt insgesamt am seidenen Faden
Mit den Politikern der Ampelkoalition haben Kasperl, Urmel und Jim Knopf diese Saison neue Freunde gefunden. „Neue Regierung, neue Figuren“, sagt Marschall. „Angela Merkel wurde ausrangiert.“ Die Vier sind Teil des neuen Kabaretts, einem Nummernprogramm aus gespieltem Witz und politischer Satire, in dem sich auch der Kasperl zu aktuellen Themen äußert. 50 bis 60 Arbeitsstunden stecken in einer Figur. In liebevoller Detailarbeit wurden sie geschnitzt, gepinselt und genäht.
Neben dem neuen Kabarett soll es im Herbst ein neues Märchen aus der Kiste geben. Welches? Das ist bisher noch ein Geheimnis. „Dornröschen war im Schlaflabor, die Bremer Stadtmusikanten haben Musikunterricht genommen – jetzt starten wir wieder durch“, sagt Marschall. Auch wenn der Saal nur zu 75 Prozent gefüllt werden darf, die 2G-Regel gilt und die Öffnungszeiten erst einmal reduziert sind. Er hofft einfach, dass er nicht erneut schließen muss. Die Zukunft der Kultur hängt, genau wie die Augsburger Puppen, immer noch am seidenen Faden.
Karten und Infos
Es gelten eingeschränkte Öffnungszeiten: Donnerstag/Freitag 14 bis 18 Uhr, Samstag/Sonntag 18 Uhr. Derzeit gibt es keinen Online-Vorverkauf. Interessierte können Karten telefonisch unter 0821/450 34 50 oder direkt bei der Augsburger Puppenkiste in der Spitalgasse 15 reservieren. Weitere Infos und das Programm finden Sie auf der Kisten-Homepage.