Hausarzt unter Verdacht: Entsetzen über möglichen Impfbetrug in Bayern

Er soll hunderten Patienten ein Impfzertifikat ausgestellt haben, ohne sie tatsächlich zu impfen - und manche sogar in dem falschen Glauben gelassen haben, immunisiert zu sein. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den Hausarzt aus Schwaben.
Wemding – Gerüchte gingen in Wemding, einer Kleinstadt im schwäbischen Donau-Ries, schon länger um. Von Autos mit Kennzeichen aus ganz Deutschland, die vor der Hausarztpraxis von Dr. Gerhard Holst parkten. Etwa, um sich dort einen Aufkleber im Impfausweis abzuholen, ohne die Impfung* tatsächlich bekommen zu haben? Mehrere solcher anonymer Hinweise sind seit August bei der Polizei eingegangen. Nun reagierten die Behörden. Die Praxis wurde auf behördliche Anweisung geschlossen. Und gegen den Arzt ermittelt die Staatsanwaltschaft.
Gemeinsam mit Polizei und Staatsanwaltschaft berichtete Landrat Stefan Rößle gestern bei einer Pressekonferenz zum Sachstand in dem Fall, der „immense Ausmaße“ annehme. Mehrere hundert Personen könnten demnach betroffen sein. Einerseits Impfgegner, die sich bei dem Arzt möglicherweise gefälschte Impfbestätigungen ausstellen ließen. Andererseits aber auch Patienten des Hausarztes, die bislang davon ausgingen, geimpft zu sein, den Impfstoff möglicherweise aber gar nicht injiziert bekommen haben. Für sie hat das Landratsamt nun ein eigentlich zum Monatswechsel geschlossenes Impfzentrum wieder reaktiviert, um mit Antikörpertests festzustellen, ob ein Impfschutz besteht oder nicht. Schon am Montag kamen 132 Betroffene zum Nördlinger Impfzentrum, um sich testen zu lassen, wie Landrat Rößle erklärte.
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Von Urkundenfälschung bis Körperverletzung - es stehen mehrere Delikte im Raum
Der Verdacht gegen den Arzt hatte sich erhärtet, nachdem skeptische Patienten nach den Gerüchten auf eigene Faust Antikörpertests durchgeführt hatten. Dabei kam laut Kriminalpolizei heraus, dass wohl kein Impfschutz besteht. Am vergangenen Mittwoch wurden Praxis und Wohnung des Arztes von der Polizei durchsucht. In seiner Praxis hing zuletzt ein Schild mit der Aufschrift: „Wegen Krankheit geschlossen.“ Am Wochenende veröffentlichte das Landratsamt in Absprache mit der Polizei den Namen des Arztes. Das sei unüblich, aber in diesem Fall sei der Schutz der Bevölkerung höher einzustufen als das Persönlichkeitsrecht des Einzelnen, betonte Landrat Rößle. Schließlich seien unter den vermeintlich Geimpften auch Menschen mit schweren Vorerkrankungen, für die eine Infektion tödlich verlaufen könne. Der Datenschutzbeauftragte habe das Vorgehen im Nachgang bestätigt, so Rößle.
Berichte von Betroffenen gegenüber dem Bayerischen Rundfunk legen nahe, dass Holst der Impfung sehr kritisch gegenüberstand. Patienten berichteten demnach, Holst habe sie gewarnt, dass man von einer Impfung sterben könne. Trotzdem habe er eine Spritze verabreicht, und zwar bei den meisten in das Gesäß, nicht in den Arm.
Hausarzt unter Verdacht: Entsetzen über möglichen Impfbetrug
Laut Staatsanwaltschaft stehen in dem Fall mehrere Delikte im Raum – von der Urkundenfälschung und Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz bis zur Körperverletzung. „Wir stehen hier aber noch ganz am Anfang der Ermittlungen“, sagte Andreas Dobler von der Staatsanwaltschaft Augsburg. Derzeit würden Vernehmungen durchgeführt und die sichergestellten Praxisunterlagen gesichtet. Ob Personen, die sich für geimpft hielten, in der Folge erkrankt oder gar gestorben sind, darüber machte die Staatsanwaltschaft zunächst keine Angaben. Genauso wenig auf die Frage, ob auch diejenigen Konsequenzen zu befürchten haben, die sich bei Holst möglicherweise ein falsches Impfzertifikat ausstellen liesen. Die Ermittler hoffen nun auf weitere Hinweise von betroffenen Patienten.
Einen ähnlichen Fall gab es im April in einem Impfzentrum im norddeutschen Kreis Friesland. Dort soll eine Krankenschwester Spritzen mit Kochsalzlösung statt mit Impfstoff aufgezogen haben. Rund 10 000 Betroffene sollen dort nachgeimpft werden. *Merkur.de/bayern ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA