Rosenheimer Raser-Prozess: Ein Angeklagter muss hinter Gitter

Rund ein halbes Jahr nach dem Raserunfall mit tödliche Folgen bei Rosenheim hat der Richter die beiden Angeklagten verurteilt. Einer der Männer muss ins Gefängnis.
Rosenheim - Der Saal des Rosenheimer Amtsgerichts ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Anteilnahme der Zuhörer enorm: Tränen, Empörung, Wut. Es sind die Hinterbliebenen, deren Töchter, deren Schwestern, die bei einem Autounfall im November 2016 plötzlich aus dem Leben gerissen wurden. Warum? Wegen eines riskanten Vergnügens zweier Autoraser?
„Genau wissen wir es nicht“, führt der Vorsitzende Richter aus. Er verurteilt einen 24-Jährigen aus Rosenheim zu einer Haftstrafe von zwei Jahren wegen fahrlässiger Tötung. Er habe auf einer Bundesstraße ein überholendes Auto nicht einscheren lassen, obwohl Gegenverkehr in Sicht war. In dem Wagen saß ein 25-Jähriger aus Ulm. Weil dieser nicht mehr zurück in die Spur konnte, krachte er in ein entgegenkommendes Auto, besetzt mit drei jungen Frauen. Der Ulmer kommt mit einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und acht Monaten davon - ebenfalls wegen fahrlässiger Tötung.
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Zwei von vier Fahrzeuginsassen sterben
Bei dem Unfall im November 2016 starben die 21-jährige Fahrerin des entgegenkommenden Wagens sowie eine 15-Jährige. Deren damals 19-jährige Schwester überlebte schwer verletzt. Auch die Beifahrerin des 25-Jährigen erlitt schwere Verletzungen. Unter Tränen hört sie zu, wie der Staatsanwalt in seinem Schlussvortrag die schweren Unfallfolgen schildert.
Der 24-Jährige habe sich gedacht, so der Richter, „den lass ich jetzt nicht vorbei“. Der Rosenheimer habe rücksichtslos gehandelt. Es sei ein einseitiges Kräftemessen gewesen und das Verschulden des Überholten damit größer. Vor der Verkündung seines Urteils wendet sich der Richter noch an die Angehörigen: „Uns ist es wichtig, dass die Nebenklage weiß, dass wir mit ihnen leiden.“ Bei dem Urteil habe er sich auf plausible Zeugenaussagen und den gesunden Menschenverstand verlassen müssen.
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Polizisten sagen als letzte Zeugen aus
Die letzten Zeugen im Prozess waren zwei Polizisten. Mit ihren Aussagen sorgten sie für Empörung bei vielen Zuhörern: Knapp eine Woche vor Beginn der Hauptverhandlung Anfang April hätten sie den 24-Jährigen bei einem Autorennen gestoppt.
Die Staatsanwaltschaft hatte eine Freiheitsstrafe von drei Jahren für beide Angeklagte gefordert. Jeder hätte bremsen und den Frontalzusammenstoß verhindern können, erklärte sie.
Auch beim 25-jährigen Ulmer laufen später die Tränen. „Mir tut es unendlich leid“, wendet er sich an die Hinterbliebenen. Bis heute habe er mit den Folgen zu kämpfen. Verzweifelt betont er: „Ich bin definitiv kein Rennen gefahren.“ Der zweite Angeklagte dagegen verfolgt die Verhandlung nahezu regungslos.
Unfallfahrer fühlte sich offenbar provoziert
Nach Ansicht des Richters hat er an jenem Tag nicht rücksichtlos gehandelt, sondern falsche Entscheidungen getroffen. Davon sprach zuvor auch der Verteidiger des Unfallfahrers: Sein Mandant habe sich zum Überholen provozieren lassen, als zwei ihm unbekannte Fahrer an ihm vorbeizogen und dann ihr Tempo drosselten. Als sie ihm bei dem Manöver nicht einscheren ließen, habe er zudem nicht auf die Bremse gedrückt und den Zusammenstoß abgemildert.
Am Dienstag ergreift der Vater der toten Fahrerin als einziger Familienangehöriger das Wort. Ganz im Gegensatz zu dem Rosenheimer merke man beim Unfallfahrer „wenigstens, dass der Unfall etwas mit ihm gemacht hat“.
Linda Vogt