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Muslimische Bestattungen in Bayern: Der Ärger um die letzte Ruhe

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Von: Katrin Woitsch

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Die Debatte um eine Lockerung der Sargpflicht ist nicht neu – aber sie kocht immer wieder hoch. Zuletzt vor wenigen Tagen, als die SPD mit einem entsprechenden Antrag scheiterte. Bayern ist eines von vier Bundesländern, das sich gegen die Reform wehrt. Die Bestatter fürchten viele Probleme auf sich zukommen.

München – Salih Güler hasst diese Momente. Wenn er vor trauernden Angehörigen in seinem Bestattungsinstitut in München sitzt und etwas erklären muss, was er selbst nicht verstehen kann: warum Muslime in Bayern nicht nach ihren Riten bestattet werden dürfen. Denn die Beerdigung nur in Leinentüchern, ohne Sarg, ist im Freistaat und in drei weiteren Bundesländern nicht erlaubt. Überall anders in Deutschland wurde die Sargpflicht bereits gelockert. Obwohl die Debatte im Landtag immer wieder hochkocht – zuletzt vergangene Woche nach einem Antrag der SPD – deutet nichts darauf hin, dass sich daran so bald etwas ändern wird.

Güler kümmert sich im Jahr um etwa 200 islamische Bestattungen. Er sagt: „70 Prozent der Familien wollen eine Erdbestattung und keine Überführung in die Heimatländer.“ Als Bestatter bleibe ihm nichts anderes übrig, als sie zu überreden, den Sarg zu akzeptieren. „Die Nachfrage nach muslimischen Bestattungen steigt“, betont Güler. Er kann nicht verstehen, warum Bayern nicht auf den Wunsch muslimischer Bürger für die letzte Ruhe eingehen will. „In anderen Bundesländern funktioniert das doch auch.“

„Sind muslimischen Bürgern entgegengekommen, soweit wir konnten“

Jörg Freudensprung, der stellvertretende Vorsitzende des Bayerischen Bestatterverbandes, sieht das völlig anders als sein Kollege. „In Bayern ist in dieser Hinsicht schon viel passiert“, betont er. „Wir sind den muslimischen Bürgern entgegengekommen, soweit wir konnten.“ Auf vielen Friedhöfen gebe es inzwischen muslimische Grabstellen. Dort sind die Gräber Richtung Mekka ausgerichtet, außerdem gibt es Räume für die rituellen Waschungen. Man versuche bereits, die Bestattung für Muslime innerhalb von 24 Stunden zu organisieren. Auch auf den Wunsch nach ewiger Ruhe sei man eingegangen. „Wir können rechtlich zwar keine Ewigkeitsgräber anlegen“, sagt Freudensprung. „Aber wir haben eine Ruhefrist für 60 Jahre möglich gemacht.“

Einer Lockerung der Sargpflicht steht der Bestatterverband allerdings höchst kritisch gegenüber. „Wir sehen dadurch Probleme auf uns zukommen, für die uns die Politik keine Lösungen liefern kann.“ Zum Beispiel, was den Transport der Verstorbenen angeht oder wie der Schutz der Friedhofsmitarbeiter gewährleistet werden kann, wenn die Verstorbenen eine ansteckende Krankheit hatten. „Außerdem würde die Zersetzung der Leichen länger dauern, wenn sie ohne Sarg in den nassen Matschböden unserer Breitengrade liegen.“ Freudensprung weist auch darauf hin, dass die Leichen nach muslimischen Riten nicht direkt mit Erde in Kontakt kommen dürfen. Deshalb werde dort der Leichnam ins Grab gelegt und anschließend mit einem Holzverbau von der Erde abgeschirmt. „Die deutsche Berufsgenossenschaft würde sofort Alarm schlagen, wenn wir in offenen Gräbern arbeiten“, sagt er.

Freudensprung berichtet, dass die Nachfrage nach Bestattungen im Leinentuch bayernweit sehr gering sei. Dasselbe berichtet Christian Jäger, der Geschäftsführer des Bestatterverbandes Nordrhein-Westfalen. Dort ist die Sargpflicht 2003 komplett gestrichen worden. „Trotzdem lassen sich die meisten Muslime nach dem Tod lieber in ihre Heimatländer überführen.“ Allerdings geht er davon aus, dass die Zahlen steigen werden. „Die Migranten in zweiter oder dritter Generation haben nicht mehr so eine starke Bindung an ihre Heimatländer.“

Auch Jörg Freudensprung kann sich vorstellen, dass die Nachfrage nach muslimischen Bestattungen in Bayern zunimmt. „Wir sind nicht grundsätzlich dagegen, das Thema zu diskutieren“, sagt er. Solange für die vielen Fragen im Bestattungsalltag keine Antworten gesucht werden, hält Freudensprung die ständig wiederkehrende Debatte aber für reinen Populismus. „Das Ziel muss eine gute Lösung sein“, betont er. „Andernfalls wäre einem Verfall unserer Bestattungskultur Tür und Tor geöffnet.“

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