Es ist richtig, dass sich die Welle etwas abflacht, die Ankunft neuer Flüchtlinge ist überschaubar. Aber niemand weiß, wie sich der Krieg entwickelt. Und wir haben zum Beispiel im Landkreis Fürstenfeldbruck schon 2000 Ukraine-Kriegsflüchtlinge – die müssen wir ja weiter versorgen.
Was ist die größte Herausforderung für die Landkreise?
Zeitlich am drängendsten ist die Systemfrage. Der Bund will die Unterbringung der Geflüchteten ab Juni nicht mehr nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, sondern nach Hartz IV regeln.
Wo ist das Problem?
Wird das umgesetzt, muss nicht mehr der Bund komplett für Flüchtlinge, die nicht privat wohnen, aufkommen. Vielmehr sollen die Kommunen nach dem Hartz IV-Modus 37 Prozent der Kosten übernehmen. Das geht nicht. Außerdem müssen sich die Flüchtlinge dann komplett selbst um ihre Unterkünfte kümmern – die Landkreise können diese nicht mehr zur Verfügung stellen. Ich befürchte verstärkte Obdachlosigkeit.
Sind die Flüchtlinge in Bayern gerecht verteilt?
Darauf würde ich nicht den Hauptfokus legen. Da die Flüchtlinge nicht dem Asylbewerberleistungsgesetz unterliegen, können sie hinziehen, wohin sie wollen.
Übrigens: Unser Bayern-Newsletter informiert Sie über alle wichtigen Geschichten aus dem Freistaat. Melden Sie sich hier an.
Es gibt Städtepartnerschaften mit der Ukraine, etwa München und Kiew. Sind Partnerschaften auch für Landkreise denkbar?
Vorstellbar wäre das, zum Beispiel um nach dem Krieg Aufbauhilfe zu leisten. Wir hatten das nach der Wende, etwa gab es eine Partnerschaft der Landkreise Fürstenfeldbruck und Zeulenroda/Greiz in Thüringen.
Dauerthema der Landkreise ist auch die Digitalisierung. Warum geht es so schleppend?
Klar müssen wir schneller werden. Eine Studie hat ausgerechnet, dass wir heute für 3000 Verwaltungsvorgänge zwingend eine persönliche Unterschrift benötigen. Auf Nachfrage hieß es dann, bei mindestens 2700 müsse das unbedingt auch so bleiben. So kommen wir natürlich nicht weiter. Außerdem müssen wir Insellösungen vermeiden. Bei der Digitalisierung gibt es Kleinstaaterei – jeder Landkreis, jede Stadt sucht sich ihre eigenen Online-Lösungen.
Wo könnten Sie sich für den Bürger mehr Angebote vorstellen?
Da bietet sich das Zulassungswesen an. Warum sollte man sein Auto nicht rein online zulassen? Oder Baugenehmigungen – auch da ließe sich vieles digital vereinfachen.
Wird das 9-Euro-Ticket für mehr Kunden im MVV sorgen?
Nein, das ist nett gedacht. Aber schade ums Geld. Im Münchner Großraum werden sich die Menschen freuen, wenn sie drei Monate billiger fahren. Noch mehr einsteigen können in die wieder gut gefüllten S-Bahnen ja kaum mehr. Und auf dem Land, wo es wenig ÖPNV gibt, hilft es niemandem, wenn ein nicht vorhandener Bus oder Zug wenig kostet.
Der Landkreis Wunsiedel hat gut 70 000 Einwohner, der Landkreis München hingegen fast 350 000. Ist eine Gebietsreform notwendig?
Nein. Das ist immer mit viel Verdruss verbunden und es gibt im Moment wirklich wichtigere Themen.
Sie sind 59, bei der nächsten Kommunalwahl 2026 dann 63. Treten Sie wieder als Landrat und dann auch Landkreis-Präsident an?
Das muss ich offen lassen.
Das Interview führte Dirk Walter