Keine Corona-Hilfen für Familienbetriebe: Brauerei erfindet aus Not Monster-Bierkasten - und landet Hit
Hotel: geschlossen, Gaststätte: geschlossen - Corona-Hilfen? Fehlanzeige. Um irgendwie über die Runden zu kommen, hat eine Brauerei in Franken den Monster-Bierkasten erfunden. Mit Erfolg.
- Der Brauerei-Gasthof von Hans-Günther Wirth (34) im fränkischen Adelsdorf nördlich von Nürnberg hat inklusive Hotel seit Lockdown-Beginn geschlossen.
- Corona-Hilfen bekommt der 270 Jahre alte Familienbetrieb keinen Cent.
- Mit einem Monster-Bierkasten will Wirth auf den Missstand aufmerksam machen - mit Erfolg. Nicht sein erster Coup übrigens.
- Alle Corona-News für die Region Nürnberg und für ganz Bayern lesen Sie immer top aktuell und nur bei uns im Ticker.
Adelsdorf - Sein wichtigstes Ziel hat Hans-Günter Wirth (34) mit seinem Monster-Bierkasten erreicht: Aufmerksamkeit. Das Problem ist nicht neu, interessiert hat es bisher niemanden. Hubert Aiwanger versprach zwar Mitte November Abhilfe, passiert ist bisher nichts.
Anmerkung der Redaktion
Dieser Artikel wurde ursprünglich am 10.12.2020 veröffentlicht. Da er für unsere Leser noch immer Relevanz besitzt, präsentieren wir Ihnen ihn noch einmal.
Fränkische Brauerei erfindet Monster-Bierkasten - Idee hat todernsten Hintergrund
Dank dem 120-Flaschen-Bierkasten inklusive Facebook-Hit schaut jetzt ganz Bayern auf den kleinen Brauerei-Gasthof mit Hotel in Adelsdorf, 40 Kilometer nördlich von Nürnberg*. Sat.1 war schon da, Antenne Bayern, die Nürnberger Nachrichten, Infranken.de, Bayern 3 ist auch schon dran und so weiter.
Genauso wollte das der junge Brauer. Denn Wirth will auf ein Unrecht aufmerksam machen, das gerade die Traditionsbetriebe ins Mark trifft, die Bayern ein Stück weit ausmachen. Einige werden den Corona-Lockdown vielleicht nicht überleben.
Bayern-Problem: Brauerei-Gasthöfe bekommen oft keine Corona-Hilfe - McDonald‘s schon
Das Problem ist eigentlich schnell erklärt. Mischbetriebe, also Unternehmen, die auf mehreren Standbeinen stehen, bekommen nur die üppige Corona-Hilfe von Freistaat und Bund, wenn mindestens 80 Prozent Umsatz vom Shutdown betroffen sind. Wirths Brauerei hat im Vergleich zu Hotel und Gaststätte zu viel Umsatz gemacht und diese Grenze überschritten. Denn Bier gebraut und in Flaschen verkauft darf ja weiter werden. Deshalb gibt’s für den 270 Jahre alten Brauerei-Gasthof keinen Cent. Weder fürs Hotel, noch für die Wirtschaft. Starbucks, McDonald’s & Co., die schon vorher hauptsächlich vom Straßenverkauf lebten, den sie - ohne ihn auf die Hilfen anrechnen zu müssen - fröhlich weiter machen dürfen, bekommen die volle Förderung, also bis zu 75 Prozent des Umsatzes der Vorjahresmonate. Und das ist noch nicht alles.

Keine Corona-Hilfe für Bayern-Traditionsbetriebe - trotzdem riesiger Umsatzeinbruch
Denn nun muss man wissen, dass die bayerischen Brauerei-Gasthöfe nur in Kombination ein Erfolgsmodell sind. Sie gehen quasi eine Symbiose ein. Das eigene Bier als Handwerksbetrieb brauen funktioniert nur dann wirtschaftlich, wenn man es selbst ausschenkt, also in der eigenen Gaststätte, im eigenen Biergarten - oder auf Festen. Wirth: „Das Flaschenbier verkauft sich zwar aktuell gut, damit machen wir aber kaum Gewinn.“

Keine Corona-Hilfe für bayerische Brauerei-Gasthöfe: Betrieb macht 200.000 Euro Verlust
Mag also schon sein, dass die Brauerei November und Dezember 2019 24 Prozent des Umsatzes ausgemacht hat. Jetzt aber, im harten Bayern-Lockdown*, bringt das wenig. Wirth rechnet mit 200.000 Euro Verlust allein in den Monaten November und Dezember.
„Noch sterben wir nicht, aber wir müssen kämpfen“
An der Brauerei-Gaststätte Zum Löwenbräu in Adelsberg hängt nicht nur die Familie mit Wirths Eltern, seiner Frau Maria (34) und den gemeinsamen drei Kindern. Da hängen Mitarbeiter aus drei Betrieben dran. Da hängt eine Dorfgemeinschaft dran. Und nicht nur dort.
„Noch sterben wir nicht, aber wir müssen kämpfen“, sagt Wirth. Vielen anderen in Bayern geht es schlechter, weiß der Brauer. „Bei den Zahlen, die du da hörst, wird dir schwindlig.“
Dabei ist die Brauerei-Gaststätte als mittelgroßer Familienbetrieb so ein bisschen Essenz der bayerischer Kultur.
Brauerei-Gasthöfe erlebten in Bayern eigentlich eine Renaissance
Denn gerade in den letzten zehn Jahren hat diese besondere Geschäftsform eine kleine Renaissance erlebt. Die jüngere Generation hat vielerorts das Einheitshelle aufgebohrt, die Küche aufgemotzt. Sebastian Jakob ist noch so ein Beispiel. Der Brauer ist ähnlich alt wie Wirth und verkauft sein alkoholfreies IPA „Le Chauffeur“ inzwischen bis nach Italien und Frankreich. Als er die Brauerei im oberpfälzischen Nittenau am Regen vom Vater übernahm, gab‘s nur das Helle und er hatte mit Umsatzrückgängen wegen sterbender Kneipen zu kämpfen.
Inzwischen läuft nicht nur der Direktverkauf im Einzelhandel, sondern auch in den Bars. Vor allem aber schenkt er sein Bier in der Familiengaststätte aus, die sein Bruder mit moderner Küche veredelte und weit über den Ort hinaus bekannt machte - zumindest bis Corona. „Es ist eine komische Stimmung bei uns zur Zeit“, sagt auch Jakob. „Keiner weiß genau, wie es weitergeht.“
Davor haben viele kleine Brauer den Boom gleich wieder reinvestiert. Wirth in Franken hat seine Brauerei für rund 1,5 Millionen Euro erneuert. Jakob in der Oberpfalz hat eine riesige Lagerhalle angebaut, die pünktlich zum Lockdown fertig wurde.
Monster-Bierkasten aus Franken: Idee kam schon beim ersten Lockdown
Findig bleiben sie, die bayerischen Brauer. Auf den Monster-Bierkasten kam die Familie Wirth schon beim ersten Lockdown. Ein bisschen Witz und Lebensfreude trotz Corona. Doch dann war der erste Lockdown ein bisschen weniger streng. Die Wirths öffneten sofort ihren Biergarten, schenkten Bier to go aus und lobten parallel einen Preis aus für die drei schönsten Bier-Etiketten, designt von Kunden. Der Monster-Bierkasten verschwand in der Schublade.
Riesen-Bierkasten aus Franken: 300 Euro, 120 Kilo - kaum Gewinn
Aus der Not heraus holte ihn Wirth nun wieder hervor. Auf Facebook landete er mit dem ersten Foto sofort einen Hit. Dann sprangen die Medien auf. „Gerade bräuchten wir extra jemanden fürs Telefon, so viele rufen an.“ Ist dem Brauer nur recht. Reich wird er damit nicht. Sein Schreiner kann die Nachfrage auch nur begrenzt bedienen. „15 schafft er noch vor Weihnachten, 12 sind schon verkauft.“ 300 Euro kostet das Paket. 200 Euro für den Kasten, 100 Euro für 120 Flaschen Bier und Pfand.
„Die Idee ist jetzt nicht neu, da sind schon andere drauf gekommen“, gesteht Wirth ein. Aber Wirth ist ein bisschen Medien-Profi. Schon 2017 machte er auf sich aufmerksam, als er medienwirksam auf eine kuriose EU-Richtlinie hinwies, die den Ausschank von Schaumgetränken in Steinkrügen untersagte*. Alle Medien sprangen auch damals auf. Und Wirth hatte Erfolg. Die Richtlinie wurde zurückgenommen. Bleibt zu hoffen, dass ihm ein ähnlicher Kunstgriff mit seinem 120-Kilo-Kasten gelingt. Die Aufmerksamkeit ist ihm jetzt schon sicher. Jetzt wäre es noch schön, wenn die Politik reagieren würde. „Ich will kein Geld für meine Brauerei, ich will nur bei den Entschädigungen genauso behandelt werden wie McDonald‘s oder Starbucks. Um mehr geht es mir nicht.“ *Merkur.de und Rosenheim24.de sind Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks.