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Die Dialekt-Botschafter

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Von: Magdalena Höcherl

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I lern Boarisch: Die Sprachtafel für Einsteiger hat der Förderverein Bairische Sprache und Dialekte mit dem Integrationsbeauftragten entwickelt. Sie ist eigentlich für Migranten gedacht, aber auch für Schüler geeignet. © Marcus Schlaf

Ein Dialekt, den über drei Generationen niemand spricht, stirbt aus. Damit das dem Bairischen nicht passiert, setzen einzelne Schulen auf das Wahlfach „Heimat und Brauchtum“ – mit prominenter Unterstützung.

Oberding – Edeltraud Rey hat im Laufe ihrer 30-jährigen Karriere schon auf vielen Bühnen gespielt. Mit frechem Weiber-Kabarett ziehen die 54-Jährige und ihre Kollegin Bettina von Haken als die „PrimaTonnen“ übers Land. Aber in einer Schule ist Rey bislang noch nicht aufgetreten. Daher ist selbst die erfahrene Liedermacherin aus Jakobneuharting (Kreis Ebersberg) vor dieser Premiere etwas nervös: Mit ihrer Gitarre auf dem Schoß sitzt Rey in einem Klassenzimmer an der Realschule in Oberding (Kreis Erding). Um sie herum haben sich 17 Mädchen und Buben versammelt, die die blonde Frau im schwarzen Kleid neugierig mustern.

Rey ist zu Gast im Wahlfach Heimat und Brauchtum, das Thomas Kirchmeier seit fünf Jahren anbietet. Der Deutsch- und Religionslehrer möchte den Schülern in dem Fach bayerische Traditionen und Bräuche vermitteln. Heuer beschäftigen sich die Fünft- und Sechstklässler mit dem bairischen Dialekt.

Dazu hat Kirchmeier die Mundart-Künstlerin eingeladen. Denn Rey präsentiert ihr Programm nicht nur konsequent auf Bairisch, ihr liegt auch die Bewahrung der Mundart am Herzen. Seit zehn Jahren ist sie daher Mitglied des Landschaftsverbands „Zwischen Isar und Inn“ im Förderverein Bairische Sprache und Dialekte. Der kämpft gegen das Dialektsterben im Freistaat.

Was die Semmel mit den alten Römern zu tun hat

Zusammen mit dem Landschaftsverband-Vorsitzenden Manfred Trautmann, der seit einem Jahr als Bairisch-Botschafter in Schulen geht, hält Rey in Oberding ihre erste Stunde. Trautmann erzählt, wie sich das Bairische von den Kelten über die Römer bis heute entwickelt hat. „Die Semmel kommt vom lateinischen Wort simila – Mehl“, erklärt er. „Weil die Römer aber nicht über die Donau hinaus gekommen sind, heißen unsere Semmeln weiter nördlich Brötchen.“ Wieder was gelernt.

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Powerfrauen: Bettina von Haken (li.) und Edeltraud Rey treten seit zehn Jahren als „PrimaTonnen“ auf. © Archiv

Um die Theorie aufzulockern, ist Rey für den musikalischen Teil zuständig. Die Künstlerin hat mit 15 Jahren angefangen, Texte zu schreiben. Schon während der Schulzeit spielte sie vor Publikum. „Seit zehn Jahren bin ich als eine der PrimaTonnen unterwegs“, sagt die Mutter von zwei Kindern. Das bairische Musik-Kabarett ist mittlerweile über die Grenzen des Freistaats hinaus bekannt. Für ihren Einsatz hat Rey im vergangenen Jahr den Mundartpreis des Fördervereins bekommen. „Als die Anfrage kam, ob ich Lust habe, einen Bairisch-Kurs zu geben, habe ich zugesagt.“

Nun sitzt Rey mit den Oberdinger Schülern im Stuhlkreis und fragt: „Sagt euch der Karl Valentin was?“ Allgemeines Kopfschütteln. „Aber sein Lied über die Rittersleut im Isartal schon, oder?“ Jetzt nicken alle. Nur bei den vielen Strophen müssen die Zehn- bis Zwölfjährigen spicken. „Ja so warn’s“, schallt es aus 17 Kinderkehlen. Der Refrain sitzt – genauso wie beim Gstanzl-Singen. Das Selber-Dichten gelingt zwar noch nicht ganz so gut. Aber „Hollaradiri, hollaradio“ jodeln alle lautstark mit. Schwierigkeiten mit der Aussprache hat hier niemand – sehr zur Freude des Expertenduos. „Zu hundert Prozent lernen kann man Bairisch nicht“, sagt Trautmann. „Man muss es fühlen.“

Horst Münzinger, Vorsitzender des Fördervereins, bestätigt: Nur wer so früh wie möglich mit einer Sprache in Berührung kommt, versteht die Verbindungen zwischen Mentalität und Gesagtem. „Deshalb wollen wir verstärkt Pädagogen gewinnen, die in ihren Kindergärten und Schulen Bairisch-Kurse anbieten.“

In Oberding erfüllt Lehrer Thomas Kirchmeier diesen Wunsch sehr gern. In seinem Wahlfach sollen die Kinder ihre Heimat bewusst kennenlernen. „Wir spielen Schafkopf, probieren die bayerische Küche, gehen ins Theater – alles, was dazugehört“, sagt Kirchmeier. Dialektkunde darf natürlich nicht fehlen.

Trautmann und Rey sind nach dem Kurs ebenfalls zufrieden. „Ich freue mich sehr, dass die Kurse in den Schulen so gut angenommen werden“, sagt Trautmann. „Boarisch wird wieder modern.“ Rey nickt. Sie sieht das bei ihren Auftritten, die immer sehr gut besucht sind. „Aber wir müssen uns trotzdem für unseren Dialekt starkmachen“, betont Rey. Deshalb war ihr erster Schulbesuch sicher nicht der letzte. „Das mache ich gerne wieder.“

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