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Wirbel um Dietfurter Chinesenfasching: Rassismus-Vorwürfe um „Yellowfacing“ nach viralem Video

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Von: Felix Herz

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Jährlich feiern die Dietfurter den Chinesenfasching. Der Brauch hat Tradition – steht jetzt jedoch in der Kritik. Der Bürgermeister wehrt sich.

Dietfurt – Bayerisch China, die Dietfurter Chinesen, das Chinesenviertel – der Spitzname aus dem Reich der Mitte hat eine lange Tradition in der Stadt im Landkreis Neumarkt in der Oberpfalz. Jährlich feiern die Oberpfälzer auch den damit verbundenen Chinesenfasching. Wegen eines viralen Videos auf Twitter steht die Tradition nun aber in der Kritik und muss sich mit Rassismus-Vorwürfen auseinandersetzen.

Dietfurter Chinesenfasching: Festzug seit 1954

Jährlich feiern die Dietfurter den Chinesenfasching am unsinnigen Donnerstag, dem letzten Donnerstag der Faschingszeit, mit einem Festzug und begleitenden Veranstaltungen. Mit dem lauten Weckruf um 2 Uhr morgens geht es los, im Anschluss an den Festzug folgt das große Maskentreiben – feiern bis in die Morgenstunden lautet dann das Stichwort.

Jährlich wird das Dietfurter Chinesenfasching gefeiert – der Brauch geht auf einen scheiternden Steuereintreiber zurück.
Jährlich wird der Dietfurter Chinesenfasching gefeiert – der Brauch geht auf einen scheiternden Steuereintreiber zurück. © Westend61 / IMAGO

In der heutigen Form feiern die Dietfurter ihr Chinesenfasching seit 1954. In den vergangenen Jahren sahen sich die Veranstalter der Feierlichkeiten jedoch immer wieder mit Rassismus-Vorwürfen konfrontiert. Heuer ist es vor allein ein TikTok-Video, das in der vergangenen Woche viral ging und schwere Vorwürfe gegen den Brauch erhebt.

Kritik am Dietfurter Chinesenfasching: „Weiß geprägte Fantasien“

In einem 50 Sekunden langem Video des Accounts „willkommen_zuhause“ äußert sich eine junge Frau kritisch gegenüber dem Dietfurter Chinesenfasching. „Tausende Weiße, die sich ihre Gesichter gelb anmalen und sich als Chinesen ausgeben“, sagt sie. Es klinge erfunden, passiere aber jedes Jahr in Dietfurt, einer Kleinstadt in Bayern. Yellowfacing, gefakte chinesische Akzente und Kostüme würden dazugehören.

Das Problem: Damit würden viele Teilnehmende, so die TikTokerin, auch wenn sie es ohne Absicht tun, gefährliche Stereotype verbreiten. Es seien „weiß geprägte Fantasien“, was chinesisch sei. Dies sei keine kulturelle Wertschätzung, sondern täusche darüber hinweg, dass „ostasiatisch gelesene Menschen noch immer rassistische Gewalt erfahren“, erklärt sie. „Unsere Lebensqualität und Hautfarbe ist kein Kostüm, das wir beliebig ablegen können“, so die junge Frau abschließend.

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Chinesenfasching in Dietfurt: Zustimmung in den Kommentaren – Kritik auf Twitter

Das Video erhält dabei viel Zustimmung in den Kommentaren. Viele User zeigen sich negativ überrascht von dem Faschingsbrauch. „Bin einfach nur angewidert von dem Ganzen“, heißt es da zum Beispiel. Andere User bitten aber auch darum, sich mit dem Hintergrund des Brauchs auseinanderzusetzen.

Auch auf Twitter sammeln sich unter dem Hashtag #chinesenfasching viele Beiträge, die den Festzug und die begleitenden Feierlichkeiten kritisch sehen. Eine Userin schreibt zum Beispiel: „Hab heute vom Dietfurter Chinesenfasching erfahren und wundere mich zwar nicht, dass es Bayern ist, aber bin doch extrem angewidert. Wie rassistisch kann man sein?“

Bürgermeister verteidigt Chinesenfasching – und verweist auf Winnetou

Gegenüber Bild.de wehrt sich der Dietfurter Bürgermeister Bernd Mayr (54) vehement gegen die Vorwürfe des „Yellowfacings“ und der kulturellen Anmaßung. Sie seien „völliger Blödsinn“. Gegenüber nordbayern.de erklärte er, dass es das wirkliche „Yellowfacing“ schon lange nicht mehr gebe.

Vor allem auf den geschichtlichen Hintergrund des Brauchtums verweisen die Verteidiger des Dietfurter Chinesenfaschings. Er geht zurück auf eine Anekdote aus dem Mittelalter: So heißt es auf der stadteigenen Website, dass einem damaligen Fürstbischof aufgefallen sei, dass die Dietfurter zu wenig Lehen und Abgaben leisten. Er schickte seinen Kämmerer, doch die Dietfurter bekamen Wind von der Stippvisite und verschlossen die Stadttore. Verärgert kehrte der Kämmerer zum Bischof zurück und sagte, die Dietfurter würden sich wie die Chinesen hinter einer Mauer verschanzen.

Dietfurter Chinesenfasching: Zwischen Kritik und Feierlichkeiten

Heute wird der Spitzname von den Dietfurtern gefeiert, beim Chinesenfasching wird ein Kaiser gewählt und in der begleitenden Hymne heißt es: „Man blickt auf uns mit Neid, Chinesen aus Bayern, wir wollen immer feiern“. Auch führen die Verteidiger auf, dass die Kostüme aus China kommen, es den bayerisch-chinesischen Kultursommer gebe und man eine chinesische Partnerstadt habe. Außerdem würden Vertreter des Konfuzius-Instituts oder des Generalkonsulats den Umzug besuchen, heißt es auf Bild.de.

Grundsätzlich habe Politik bei dem Umzug nichts verloren, erklärt Mayr – und vergleicht die Aufregung mit der Winnetou-Debatte aus dem Sommer 2022. Da halte er es wie Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger und liebe Winnetou, so der Dietfurter Bürgermeister. (fhz)

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