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Streit um Straßennamen in Regensburg: OB knickt vor der CSU ein - und brüskiert eigene Verwaltung

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Die Regensburger Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer und Bildungsreferent Hermann Hage
Gertrud Maltz-Schwarzfischer brüskiert am Donnerstag Bildungsreferent Hermann Hage - aus Rücksicht auf den Koalitionspartner. © Peter Ferstl/Stadt Regensburg

Einen Vorschlag von Bildungsreferent Hermann Hage zum Vorgehen beim Umgang mit problematischen Straßennamen finden fast alle Parteien im Stadtrat gut. Alle, außer der CSU.

Regensburg - Bildungsreferent Hermann Hage merkt man am Donnerstag an, dass er von den Ausführungen seiner Chefin nicht sonderlich begeistert ist. Eigentlich geht es im Bildungsausschuss um den Umgang mit belasteten Straßennamen in der Stadt Regensburg*. Dazu wird auch eine ausführliche Handlungsempfehlung vorgestellt, die von der Masterstudentin Nelly Klein an der OTH Regensburg erarbeitet wurde und die von den Stadträtinnen und Stadträten auch einhellig begrüßt wird. Doch es geht auch um eine Vorlage, die der Bildungsreferent den Ausschussmitgliedern vorstellen wollte und die dann doch nicht auf der Tagesordnung erscheint. Im Vorfeld hatte es Kritik von der CSU* gegeben – dem größten Mitglied der Regierungskoalition.

Streit um Straßennamen: OB brüskiert ihren Bildungsreferenten

Doch Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer (SPD) beharrt darauf: „Es ist keine Vorlage von der Tagesordnung genommen worden. Es ist ein Vorlagenentwurf nicht auf die Tagesordnung gekommen. Und die Tagesordnung wird von mir erstellt. Da kommen nur Punkte drauf, wenn ich sage, die kommen drauf.“

Allerdings es ist gleichgültig, ob nun eine Vorlage von der Tagesordnung genommen oder nicht in die Tagesordnung aufgenommen wurde. Es bleibt das Signal: Die Oberbürgermeisterin ist vor der CSU eingeknickt – zulasten ihres Bildungsreferenten.

Im Vorfeld der Sitzung hatte Hermann Hage die Vorlage an einen Journalisten der Mittelbayerischen Zeitung weitergegeben – im Vertrauen und mit Sperrfrist, nur als Hintergrundinformation, sagt Hage. Doch berichtet wurde dennoch darüber. Breit und ausführlich. Die CSU schrie Zeter und Mordio. Insbesondere den von Hage vorgeschlagenen „Begleitausschuss“, in dem unter Beteiligung der Öffentlichkeit über den jeweiligen Umgang mit einzelnen Namen diskutiert werden sollte, lehnt die Partei in einer Pressemitteilung ab – und stellte nebenbei das komplette Procedere infrage.

Streit um Straßennamen: CSU-Vorschlag verstößt gegen städtische Richtlinie

Man wolle nicht länger warten, hieß es. Stattdessen brauche es „jetzt endlich eine Befassung des Stadtrates, falls eine Straße, ein Platz oder ein Park in Regensburg* tatsächlich nachweislich durch einen NS-Namensgeber stark belastet“ sei. „Ein Sammelsurium aus Vorschlägen von der D.-Martin-Luther-Straße über die Richard-Wagner-Straße bis zur Drei-Mohren-Gasse (sic!) wird für die CSU und eine Mehrheit der Regensburger Bürgerinnen und Bürger sicher nicht zustimmungsfähig sein.“

Außerdem forderte die CSU eine rasche Umbenennung des Karl-Freitag-Parks, der den Namen eines NS-Multifunktionärs trägt, in Hildegard-Anke-Park, nach der früheren CSU-Sozialbürgermeisterin von Regensburg. Ein Vorschlag übrigens, der gemäß einer städtischen Richtlinie aus dem Jahr 1987 gar nicht möglich ist – Benennungen nach noch lebenden Personen sind demnach ausgeschlossen. Doch das ficht die CSU offenbar nicht an.

Ex-OB kritisiert OB: Angriffe auf Verwaltung nicht zu dulden

Maltz-Schwarzfischer nimmt den Koalitionspartner trotz dieser scharfen Attacke am Donnerstag in Schutz. Da liege wahrscheinlich „ein Missverständnis“ der CSU vor. Diese habe ja auch nur auf einen Zeitungsartikel reagiert und nicht auf einen Verwaltungsvorschlag.

Das wiederum sorgt für scharfe Kritik von Brücke-Fraktionschef Joachim Wolbergs, ehemals Oberbürgermeister. Es sei nicht hinzunehmen, dass die Oberbürgermeisterin derartige Angriffe der CSU auf die Verwaltung dulde. Ähnlich sieht das der Grünen-Stadtrat Daniel Gaittet. Die CSU habe „die Schaufel in den Sandkasten geworfen“. Sie stelle das gesamte weitere Vorgehen infrage, dem – das wird am Donnerstag – deutlich – alle Fraktionen, mit Ausnahme der CSU, durchweg positiv gegenüberstehen.

Handlungskonzept zu Straßennamen: Frauen sind dabei kaum präsent

Den Rahmen dafür steckt die 70-seitige Masterarbeit von Nelly Klein ab, ein Kooperationsprojekt mit dem Bildungsreferat. Klein erläutert die Benennungsmuster von Straßennamen und wie sich diese im Lauf der Jahrhunderte verändert haben. Nach der Französischen Revolution sei neben der reinen Orientierung hier zunehmend die Benennung nach Personen und nationalen Motiven wichtig geworden.

Nach dem I. Weltkrieg in der Weimarer Republik sei häufig auch die Verklärung von Gebieten ein Benennungsmotiv, die im Zuge des Versailler Vertrags abgetreten werden mussten, aber auch die Namen von „Kolonialpionieren“ und Kolonialverbrechern wurden so im Straßenbild verewigt. Während des Nationalsozialismus prägte dann vor allem die Arisierung und Tilgung jüdischer Straßennamen das Bild. Der Anordnung der Alliierten nach 1945, Straßen mit Bezug zum NS-Regime, NS-Verbrechern und Militarismus umzubenennen, wurde laut Klein nur unvollständig umgesetzt.

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Nach dem Krieg seien in Westdeutschland und auch nach der Wiedervereinigung Straßennamen zunehmend Gegenstand öffentlicher Debatten geworden – es habe eine Demokratisierung stattgefunden. Kleins Fazit: (Personenbezogene) Straßennamen sind kein Spiegel der Geschichte, sondern ein Abbild historisch gewachsener politischer Machtstrukturen, innerhalb derer manche Gruppen integriert und andere ausgegrenzt wurden. Männer seien deshalb im öffentlichen Straßenbild bis heute weitaus präsenter als Frauen.

Vorschläge zu Straßennamen: Breite Diskussion ist notwendig

Der Deutsche Städtetag hat dazu 2021 eine Handreichung zum Umgang mit Straßennamen herausgegeben. Wenn Namenspatinnen oder Organisationen, nach denen Straßen benannt sind, gegen das Grundgesetz oder Menschenrechte verstoßen, sollte demnach über Umbenennungen nachgedacht werden. Eine Benennung nach noch lebenden Personen sei dabei unzulässig.

Anstelle einer Umbenennung komme aber auch ein erklärendes Zusatzschild in Betracht, so Klein. Nach Erfahrungen aus anderen Städten habe es sich generell bewährt, zunächst ein Expertengremium einzusetzen, um in Frage kommende Namen zu identifizieren. Anschließend solle dringend die Öffentlichkeiz eingebunden werden – beispielsweise durch Ausstellungen, Diskussionsrunden, Kunst und weitere Bildungsangebote.

Vor alledem müsse ein Kriterienkatalog stehen, um in Frage kommende Straßennamen zu filtern. Gibt es Bezüge zum Nationalsozialismus, Kolonialismus und Militarismus oder gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit wie Rassismus?

Umbenennung von Straßen: „Keine Salamitaktik mehr.“

Von den rund 1300 Straßennamen in Regensburg wurden laut Bildungsreferent Hage bereits 400 als unbedenklich aussortiert. Nun sollen weitere Recherchen folgen, um am Ende ein gesammeltes Paket vorzulegen. „Keine Salamitaktik mehr“, so Hage.

Die CSU bleibt am Donnerstag eher kleinlaut. Stadträtin Bernadette Dechant stellt lediglich infrage, ob es denn tatsächlich ein neuerliches Gremium brauche, um sich damit zu beschäftigen. Die Stabsstelle Gedenkkultur reiche doch völlig aus, um das Ganze aufzuarbeiten. Und dazu brauche es ohnehin ausschließlich Wissenschaftler. Irgendwelche Anwohner seien doch damit überfordert. Auf den übrigen Inhalt der viel kritisierten Pressemitteilung geht Dechant nicht ein.

Und immerhin hier widerspricht die Oberbürgermeisterin. Eine Einbindung der Öffentlichkeit sei zwingend notwendig. Es müsse auch verstanden werden, warum eine Straße umbenannt werde oder eben nicht. Dabei bestehe weder Grund zur Aufregung noch zur Eile. „Wir haben Zeit.“

Nächster Koalitionsstreit steht bereits an

Wie nun mit der ursprünglichen Vorlage von Bildungsreferent Hage verfahren werden soll, bleibt derweil offen. Sie wird wohl noch die eine oder andere Runde im Koalitionsausschuss drehen. Dort steht in Kürze ein weiterer Konflikt an – die CSU möchte das Bildungsreferat nach Hages Ausscheiden Mitte 2022 nicht mehr neu besetzen, sondern Sozialbürgermeisterin Astrid Freudenstein zuschlagen. Aus Einspargründen, wie es offiziell heißt. *Merkur.de/bayern ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA

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