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Nachhaltiges Gas, regional produziert? Regensburger Start-up könnte neue Maßstäbe bei Energieversorgung setzen

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Von: Michael Bothner

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Michael Dengler und Michael Schmid, Gründer des Regensburger Start-ups Microbify
Vor knapp einem Jahr haben Linda Dengler und Georg Schmid Microbify gestartet. © Michael Bothner

Gas aus regionaler und nachhaltiger Produktion? Genau daran forscht das Regensburger Start-up Microbify. Auf der Kundenliste stehen unter anderem Energieriesen wie RWE.

Regensburg - Es ist ein eher kleines Büro im Neubau der Biologiefakultät auf dem südlichen Gelände der Universität Regensburg, von dem aus neue Maßstäbe für die Energieunabhängigkeit in Deutschland gesetzt werden könnten. Hier haben Linda Dengler und Georg Schmid vor knapp einem Jahr das Unternehmen Microbify gegründet – eine Firmenausgründung aus dem Lehrstuhl für Mikrobiologie & Archaeenzentrum.

Uni Regensburg: Winzige kleine Lebewesen als Lösung des Energieproblems?

Am Anfang stand dabei, wie so oft, ein Problem. Energiekonzernen fiel immer wieder auf, dass das Gas, das sie im Sommer günstig einkaufen und es in unterirdische Speicher pressen, um es im Winter an die Endverbraucher zu liefern, auf unerklärliche Weise weniger geworden ist. „Gleichzeitig hatte das Gas aber an Qualität zugenommen“, erzählt Schmid. Wie sich herausstellte, hatten Mikroorganismen, sogenannte Archaeen, den im Gas enthaltenen Wasserstoff in Methan umgewandelt.

In Regensburg sind solche Prozesse schon lange bekannt. Bereits in den 1980ern forschte hier der Biologe Professor Karl O. Stetter zu den Archaeen, einzellige Organismen, die selbst unter Extremsituationen überleben und Wasserstoff mit Kohlenstoffdioxid in Methan umwandeln können. Heute gilt die Regensburger Universität weltweit als führend auf dem Gebiet der Archaeenforschung.

Regensburger Start-up Microbify: Energiekonzerne suchen schon lange nach Expertise

Immer häufiger hätten deshalb Energiekonzerne bei der Universität Regensburg wegen des Problems angefragt. „Die Gasversorger wollten wissen, was da in ihren Speichern los ist.“ Denn die winzig kleinen Lebewesen können „ziemlich viel Blödsinn“ anstellen, Rohre angreifen und so enorme Kosten verursachen. Doch an der Universität fehlten die Kapazitäten – und so gründete Schmid und Dengler im April 2021 ihr Start-up, um diese Leerstelle zu füllen. Unter anderem der Energieriese RWE steht auf der Liste der Kunden.

Als Dienstleister nimmt Microbify Proben aus den Gasspeichern. „Wir wollen wissen, was genau da unten los ist und welche Organismen dort unter welchen Bedingungen leben“, sagt Schmid. Einerseits wollen die Energieunternehmen wissen, ob ihr Gas, künftig vor allem in Form von Wasserstoff, in der Tiefe sicher ist. Denn den bestehenden Speichern soll auf dem Weg zur Energiewende eine wichtige Rolle zukommen. Die Idee: Der in Spitzenzeiten überschüssig produzierte Strom aus Wind, Wasser und Solar kann über Elektrolyseverfahren in „grünen“ Wasserstoff umgewandelt, die Energie so also in Gas gespeichert werden.

Werden Gasspeicher zu Produktionsanlagen?

„Wir gehen davon aus, dass sich mit diesen Speichermöglichkeiten das 8000-fache unseres Stromverbrauchs decken lassen würde“, sagt dazu der renommierte Regensburger Experte Professor Michael Sterner. „Das ist ein enormes Potenzial. Es fehlt nur eben an der Umsetzung der vorhandenen Möglichkeiten.“ Dieses Gas kann künftig zum Beispiel in den riesigen unterirdischen Porenspeichern eingelagert werden.

Und das ist der zweite Aspekt, mit dem sich Microbify beschäftigt: Könnten die Speicher zu Produktionsstätten von Methan umfunktioniert werden? „Wenn wir es schaffen, da unten optimale Bedingungen für Archaeen zu schaffen, könnten wir in einem völlig neuen Maßstab Bio-Methan produzieren“, hoffen Schmid und Dengler. So könnte im Frühjahr nachhaltig produzierter Wasserstoff in die Speicher gepresst werden. Die Archaeen würden diesen dann bis zum Winter nach und nach in Methan umwandeln – regional und nachhaltig produziert.

Energieversorgung: Umsatteln dringend notwendig

Microbify forscht nun daran, welche Bedingungen es dazu in den Speichern bräuchte. „Die Gasbetreiber müssen jetzt umsatteln“, verweist Dengler auf den „massiven Umbruch“ der in der Energiebranche schon länger stattfinde – und vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs und der dadurch zutage getretenen Abhängigkeit Deutschlands von russischen Gasimporten noch an Dringlichkeit gewinnt. Es gibt aktuell nur wenige Unternehmen, die eine ähnliche Expertise haben wie das Regensburger Start-up. Die Prognose bei Schmid und seinen drei Kolleginnen ist daher positiv. Wäre da nicht ein Regensburger Problem. „Es fehlt an Laborkapazitäten.“ Der Biopark der Uni platze schon länger aus allen Nähten. Deshalb ist man auf der Suche nach eigenen, größeren Räumlichkeiten. (Michael Bothner)

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