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Eine „unendliche, ärgerliche Geschichte“: Regensburg streitet über Straßennamen

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Straßenschild Josef-Engert-Straße umbenannt in „Am Biopark“
Prominentes Beispiel für eine Umbenennung: Die frühere Josef-Engert-Straße heißt seit 2015 „Am Biopark“. © Robert Werner

Wie soll man mit „belasteten“ Straßennamen umgehen? Mit dieser Frage beschäftigt sich Regensburg seit Jahren. Eine vorab veröffentlichte Stadtratsvorlage sorgt für Streit.

Regensburg - Von einer „ärgerlichen, unendlichen Geschichte“ spricht die Regensburger CSU in einer aktuellen Pressemitteilung. Und völlig unrecht hat die größte Regierungsfraktion im Regensburger* Stadtrat nicht. Mindestens seit sechs Jahren, man könnte auch noch weiter zurückgehen, wird in Regensburg darüber diskutiert, wie mit „belasteten“ Straßennamen umgegangen werden soll, vornehmlich solchen aus der NS-Zeit.

Streit um Straßennamen in Regensburg: Was tun, wenn die Straße nach einem Nazi benannt ist?

Im Januar 2016 hatten sich Bildungsreferent Hermann Hage und der städtische Gedenkbeauftragte Raphael Birnstiel klar positioniert: Ein Konzept für eine Gedenk- und Erinnerungskultur in Regensburg, das damals zur Debatte stand, müsse sich dringend auch mit diesem Thema befassen.

Beispiele für Umbenennungen in Regensburg gibt es einige. 1999 wurde – nach langer Debatte - die frühere Florian-Seidl- in Johann-Hösl-Straße umbenannt. Schon länger war damals bekannt, dass Seidl glühender Nationalsozialist und Euthanasie-Befürworter. Ein weiteres Beispiel: Die Umbennenung der Josef-Engert-Straße an der Universität in „Am Biopark“. Recherchen des Online-Magazins regensburg-digital.de hatten damals aufgedeckt, dass Engert, nachdem sogar ein städtischer Preis benannt war, ein NS-Propagandist, Kriegstreiber und Antisemit war.

Straßennamen in Regensburg: Experten empfehlen Umbenennung nur in Einzelfällen

Doch ist Umbenennung immer das richtige Mittel der Wahl? Können es nicht auch erklärende Tafeln sein? Was ist mit Namen aus der Kolonialzeit wie der viel diskutierten Drei-Mohren-Straße oder solchen, die sich erst auf den zweiten Blick als NS-belastet erweisen, zum Beispiel die Danziger Freiheit? Was ist mit Herbert Quandt, BMW-Gründer, und nach heutiger Einschätzung ein Kandidat für die Anklagebank bei den Nürnberger Prozessen?

Als das Konzept für eine Gedenk- und Erinnerungskultur in Regensburg im Oktober 2017 schließlich auf dem Tisch lag, empfahlen die Verfasser, „nach sorgfältiger historiographisch-archivalischer (Über-)Prüfung aller betreffenden Straßen-, Gebäude- und anderer Namen eine öffentlich nachvollziehbare Kommentierung statt einer grundsätzlichen Eliminierung durchzuführen“. Umbenennungen schlossen. Dr. Jörg Skriebeleit, Dr. Heike Wolter und Professor Mark Spoerer zwar nicht grundsätzlich aus – allerdings nur in gut begründeten Einzelfällen und nach breiter Diskussion.

Straßennamen in Regensburg: Vorschläge des Bildungsreferenten verärgern die CSU

Im Juli 2020 wurde die Angelegenheit dann konkreter. Wieder wurde eine Expertenkommission eingesetzt. Der Auftrag: Alle in Frage kommenden Namen zu sammeln und zu prüfen. Die Namen sollen nun bald auf dem Tisch liegen. Vorschläge, wie mit diesen Namen dann zu verfahren ist, aber offensichtlich nicht. Hier soll nun ein „Begleitausschuss“ eingesetzt werden, wo – unter Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern – konkrete Entscheidungsvorschläge erarbeitet werden sollen. Das verriet Bildungsreferent Hermann Hage vorab der Mittelbayerischen Zeitung – und zog damit den Ärger von CSU und Grünen auf sich.

Die CSU, sonst dafür bekannt, immer wieder mal ohne Abstimmung mit ihren Koalitionspartnern in der Öffentlichkeit nach vorne zu preschen und gemeinsame Beschlüsse in Frage zu stellen, beschwert sich nun in einer Pressemitteilung selbst darüber, dass der Vorschlag des Bildungsreferenten ohne Abstimmung mit ihr veröffentlicht wurde. Während das eher für Erheiterung bei Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer sorgen dürfte, haben es die weiteren Ausführungen in der CSU-Mitteilung aber in sich.

Einerseits wirft die Partei der Stadt in Sachen Straßennamen Untätigkeit, andererseits werden bereits bekannten Vorschläge in der Beschlussvorlage, die am 10. Februar im Stadtrat diskutiert werden soll, offen in Frage gestellt.

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Streit um Straßennamen in Regensburg: CSU kritisiert Oberbürgermeisterin, Grüne kritisieren CSU

So verweist die CSU darauf, dass man im August vergangenen Jahres den Vorschlag gemacht habe, den Karl-Freitag-Park*, benannt nach einem NS-Multifunktionär, doch den Namen der früheren Sozialbürgermeisterin Hildegard Anke zu geben. Doch das sei von der Stadt nicht aufgegriffen worden, „obwohl unstrittig und schnell umsetzbar“. Abseits dieses eigenen Vorschlags aber scheint sich die Partei gegen weitere Umbenennungen sperren zu wollen. „Ein Sammelsurium aus Vorschlägen von der D.-Martin-Luther-Straße über die Richard-Wagner-Straße bis zur Drei-Mohren-Gasse wird für die CSU und eine Mehrheit der Regensburger Bürgerinnen und Bürger sicher nicht zustimmungsfähig sein“, heißt es nämlich in der Mitteilung weiter.

Reagiert haben darauf nun die Grünen, größte Oppositionsfraktion im Stadtrat. Stadträtin Wiebke Richter spricht von einem skandalösen Verhalten der CSU. Die Partei versuche, abseits ihres eigenen Vorschlags, den kompletten Prozess auszubremsen. „Dass die Regensburger CSU sich nun ausgerechnet ein Beispiel herauspickt, das sie nach einer CSU-Politikerin benennen möchte, ist den Leistungen von Frau Anke und der ganzen Auseinandersetzung um Straßennamen nicht angemessen“, wettert Grünen-Fraktionschef Stefan Christoph. „Das macht die Untersuchung der Straßennamen am Ende zur politischen Spielwiese.“

Im Übrigen sei auch die CSU schuld, dass es nicht schneller vorwärts gehe. Im Juli 2020 hatten die Grünen im Stadtrat beantragt, „in den Fällen, wo ohne Zweifel ein Zusammenhang zur Zeit des Nationalsozialismus besteht, unverzüglich mit der Erarbeitung eines Vorschlags zur weiteren Vorgehensweise zu beginnen“. Doch die Koalition lehnte dies ab – mit den Stimmen der CSU. Vor diesem Hintergrund sei das „Poltern der CSU (…) mehr als unglaubwürdig“, ärgert sich Wiebke Richter.

Umstrittener Vorschlag des Bildungsreferenten: Die Stadträte haben nur wenig Infos

Kritik müssen sich aber auch Bildungsreferent Hage und die Oberbürgermeisterin von den Grünen anhören. Denn in einem Punkt sind sie sich mit der CSU dann doch einig: Dass die Vorlage für den Bildungsausschuss bereits medial veröffentlicht wurde, ohne dass die Stadträtinnen und Stadträte deren Inhalt überhaupt kennen, „schadet der Sache“, so Stadtrat Daniel Gaittet.

Vorab herausrücken will die Oberbürgermeisterin die Vorlage nicht. Wie sie auf Nachfrage von bei der Stadtratssitzung am Donnerstag erklärte, sei diese noch nicht fertig. Es bestehe noch Abstimmungsbedarf… *Merkur.de/bayern ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA

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