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Rede in Regensburg: Ex-Verdi-Chef Bsirske kritisiert „grobes Foul“ von Kanzler Scholz im Ukraine-Konflikt

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Von: Stefan Aigner

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Frank Bsirske, Bundestagsabgeordneter für die Grünen und früherer Bundesvorsitzender der Gewerkschaft ver.di
Frank Bsirske stellt im Leeren Beutel in Regensburg die geplänte Erhöhung der Militärausgaben in Frage. © Michael Bothner

Vor dem Hintergrund der geplanten Erhöhung der Militärausgaben als Konsequenz aus dem russischen Angriff auf die Ukraine übt der Bundestagsabgeordnete Frank Bsirske deutliche Kritik an Bundeskanzler Olaf Scholz. Dieser habe die Pläne weder mit den Grünen noch der SPD-Fraktion abgesprochen. Es bestehe „Diskussionsbedarf“ innerhalb der Ampel-Koalition.

Regensburg - Bei einer Rede zum Sozialpolitischen Aschermittwoch in Regensburg hat der frühere Bundesvorsitzende der Gewerkschaft ver.di und heutige Grünen-Bundestagsabgeordnete Frank Bsirske die geplante Erhöhung der Militärausgaben scharf kritisiert. Wenn Heeresinspekteur Alfons Mais davon spreche, dass die Bundeswehr „blank“ dastehe, dann sei das vor dem Hintergrund eines jährlichen Etats von 50 Milliarden Euro „nackte Propaganda“.

Angriffskriege gegen die Ukraine: Ex-Verdi-Chef Bsirske spricht von einem „Verbrechen“

In einer Regierungserklärung hatte Bundeskanzler Olaf Scholz vor dem Hintergrund des Krieges nicht nur angekündigt, das Zwei-Prozent-Ziel der NATO künftig nicht nur einzuhalten, sondern sogar noch zu übertreffen. Zusätzlich soll ein „Sondervermögen“ in Höhe von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr bereitgestellt werden. Laut Bsirske war diese Ankündigung weder mit der Grünen- noch mit der SPD-Fraktion angekündigt. Dieses Vorgehen sei ein „grobes Foul“ des Bundeskanzlers, „das Folgen haben sollte“. Es bestehe klarer Diskussionsbedarf innerhalb der Ampel-Koalition, so Bsirske. Er sei sich sicher, dass das einige Mitglieder der Grünen-Fraktion ähnlich sähen.

Zum Krieg in der Ukraine hat Bsirske eine unmissverständliche Haltung. Im Leeren Beutel in Regensburg spricht er vor knapp 70 Anwesenden von einem „Verbrechen“ und einer „eklatanten Verletzung des Völkerrechts“. „Die dafür ins Feld geführten Begründungen sprechen der Wahrheit Hohn und sind an Zynismus und Absurdität kaum zu überbieten.“ Die harten Sanktionen gegen Russland befürwortet Bsirske ausdrücklich. Auch wenn diese den Krieg kurzfristig nicht stoppen könnten, würden sie „mittel- und langfristig eine nachhaltige Wirkung entfalten“.

Ukraine-Konflikt: Erhöhung der Rüstungsausgaben - „Das muss man kritisch hinterfragen“

Kritisch sieht der Grünen-Politiker und Gewerkschafter aber die Verschärfung der sicherheitspolitischen Debatte in Deutschland. Wenn Stimmen wie der Militärhistoriker Sönke Neitzel einen „strukturellen Pazifismus“ in Deutschland beklagten und für eine „Wiederbelebung militärischer Tugenden“ einträten, dann müsse man das kritisch hinterfragen. Der derzeitigen Haltung, dass es keine Alternative zur Aufrüstung gebe, um zu verhindern, das in weiteren Staaten dasselbe passiere wie in der Ukraine, widerspricht Bsirske.

„Was Putin derzeit in der Ukraine erlebt, lädt nicht dazu ein, in den baltischen Staaten weiterzumachen.“ Putin möge zwar den Krieg in der Ukraine militärisch gewinnen, den Frieden gewinne er aber nicht, ebenso wenig die ukrainische Bevölkerung. Auf Dauer werde diese auf Krieg und Volksgefängnis gründende Herrschaft nicht tragen. Wirtschaftlich werde diese auf Fremdherrschaft und Vassalenterritorium gründende Idee für Russland noch viel mehr Last sein als es die osteuropäischen Staaten für die Sowjetunion waren. Das sei weder attraktiv noch habe es Aussicht auf Bestand, ist Bsirske überzeugt.

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Rüstungsausgaben in Deutschland: Bei geplanter Steigerung höher als in Russland

Bei der geplanten Erhöhung der Rüstungsausgaben in Deutschland lohne sich zudem ein Blick auf die Relationen bei den Rüstungsausgaben. Laut dem schwedischen Friedensforschungsinstitut SIPRI lagen die russischen Militärausgaben im vergangenen Jahr bei 61,7 US-Dollar. „Allein Deutschland würde Russland in den absoluten Rüstungsausgaben übertreffen“, wenn das Zwei-Prozent-Ziel der NATO künftig eingehalten werde, so Bsirske. Der Militärhaushalt stiege dann auf über 70 Milliarden US-Dollar. Ohnehin stehe den russischen Zahlen die USA mit Ausgaben von 778 Milliarden US-Dollar gegenüber. Die gesamten Militärausgaben der NATO-Staaten belaufen sich auf über eine Billion Dollar. „Und jetzt wird uns gesagt, das reicht alles nicht. Ich finde das nicht einleuchtend.“

Ein Ausrüstungsdefizit bei der Bundeswehr bejaht Bsirske zwar. „Aber es gibt kein Aufrüstungsdefizit.“ Der deutsche Rüstungshaushalt sei seit 2015 um mehr als ein Drittel gestiegen – von rund 32 Milliarden Euro auf mittlerweile rund 50 Milliarden im Jahr 2022.

Grünen-Abgeordneter Bsirske: Zustand der Bundeswehr trotz hohen Etats sind „Offenbarungseid“

Wenn die Bundeswehr trotz dieser Ausgaben angeblich „blank“ dastehe, dann müsse man fragen, „was da eigentlich falsch läuft anstatt noch zusätzliches Geld hinterher zu werfen“. Wenn die Bundeswehr trotz des bestehenden Etats nackt sei, dann sei das ein „Desaster für diejenigen, die die politische Verantwortung hatten“. Es sei ein „Offenbarungseid“ für die Kontrolle der Politik der unionsgeführten Verteidigungsministerien der letzten Jahrzehnte.

Als Konsequenz an dem nicht abgesprochenem Vorgehen von Bundeskanzler Olaf Scholz fordert Bsirske nun eine Diskussion über die Ausgestaltung des angekündigten Sondervermögens. Zur Sicherheit gehöre nämlich auch Energieunabhängigkeit – und damit müsse ein erheblicher Anteil der 100 Milliarden Euro in die Beschleunigung der Energiewende gesteckt werden. Und auch andere Tabus müssten angesichts dieser zusätzlichen Ausgaben nun gebrochen werden – etwa eine Vermögensabgabe für Milliardäre.

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