CSU soll eigenen Stadtratsbeschluss torpedieren: Stadtbahn steht auf der Kippe - „ein Armutszeugnis“

Das „Bündnis für einen hochwertigen ÖPNV in Regensburg“ wirft der CSU vor, das Projekt Stadtbahn bewusst zu torpedieren und fordert den Stadtrat auf, aktiv zu werden.
Regensburg - Mit nur einer Gegenstimme beschloss der Regensburger Stadtrat 2018, in der Bezirkshauptstadt der Oberpfalz eine schienengebundene Stadtbahn zu bauen. Machbarkeitsstudien wurden auf den Weg gebracht und ein eigenes Amt geschaffen. Im Koalitionsvertrag von SPD, CSU, FDP, Freien Wählern und CSB steht die Stadtbahn als zentrales Verkehrsprojekt. Ein Projekt, das voraussichtlich mit etwa 90 Prozent von Bund und Land gefördert wird (mehr darüber).
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Stadtbahn in Regensburg: Der Haussegen in der Koalition hängt schief
Doch in der Koalition hängt der Haussegen schon seit geraumer Zeit wegen des Vorhabens schief. Im Oktober preschte die CSU* nach vorn und forderte einen Ratsentscheid zur Stadtbahn – die Bürgerinnen und Bürger sollten über deren Umsetzung entscheiden (mehr darüber). Seitdem lädt die Partei regelmäßig zu Ortsbegehungen ein. Nicht um das Projekt zu verhindern, versichert CSU-Chef Michael Lehner, aber: „Wir sollten die kritischen Stimmen früh genug wahrnehmen und darauf eingehen.“
Doch dass es allein darum geht, bezweifeln nicht nur Teile der Koalition und der Grünen im Regensburger* Stadtrat, sondern zunehmend auch andere Befürworter der Stadtbahn. Einer von ihnen ist Professor Walter Weber. Er ist Koordinator des „Bündnisses für einen hochwertigen ÖPNV in Regensburg und Umgebung“, ein Zusammenschluss aus rund 30 Vereinen und Initiativen.
CSU und Stadtbahn: Ortstermine um Stimmung gegen das Projekt zu machen?
Nachdem er und einige Mitstreiter Anfang Dezember an einer von der CSU organisierten Ortsbegehung teilgenommen haben, ist ihr Eindruck ein völlig anderer. Der CSU scheine „es weniger um Gedankenaustausch und Information zur jeweiligen Situation“ gegangen zu sein, sondern vielmehr darum, die Stadtbahn grundsätzlich infrage zu stellen. Das schreibt Weber in einer Mail an Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer (SPD), die er über einen größeren Verteiler geschickt hat.
Entgegen der Ankündigung der CSU, die zu der Ortsbegehung am Unteren Wöhrd eingeladen hatte, sei es dort nicht um die konkrete Situation vor Ort gegangen. Vielmehr habe sich CSU-Chef Lehner „ausführlich dazu ausgelassen, dass es in vielen deutschen Städten Stadtbahn-Vorhaben gibt, gegen die sich die Bürger wenden.“ Lehner habe ausgeführt, dass „der Regensburger Stadtbahnneubau die Stadt mit 600 bis 800 Millionen Euro enorm belasten würde“. Den Verweis auf die voraussichtliche Förderung des Vorhabens mit bis zu 90 Prozent habe Lehner mit dem Argument abgewiegelt, dass „alles Steuergeld sei, ganz gleich, ob es von der Stadt oder von anderer Stelle kommt“.
Kritik an Stadtrat und Verwaltung: Über die Stadtbahn wird zu wenig informiert
Webers Fazit des Termins: „Insgesamt hatte man den Eindruck, dass es nicht um Bürgerinformation und Gedankenaustausch zum Unteren Wöhrd geht, sondern um die Verhinderung der Regensburger Stadtbahn grundsätzlich. Dazu soll wohl auch der von ihm (Lehner,, Anm,. d. Red.) angekündigte Ratsentscheid dienen.“
Doch Weber kritisiert auch Stadtrat, Stadtspitze und Verwaltung. Bei dem Vor-Ort-Termin habe er wahrgenommen, dass es nach wie vor große Informationsdefizite in Sachen Stadtbahn gebe. „Warum hat man nach dem Stadtratsbeschluss von 2018 die euphorische Stimmung pro Stadtbahn nicht genutzt die Bürger einzubeziehen, zu informieren und zu begeistern?“, fragt er die Oberbürgermeisterin.
Obwohl längst ein eigenes Amt für die Stadtbahn eingerichtet sei, inklusive Pressesprecherin, werde kaum nach außen kommuniziert. Einen Flyer mit den wichtigsten Informationen „kennt kein Bürger“. Er appelliert an Gertrud Maltz-Schwarzfischer: „Lassen Sie doch den Flyer 50.000-mal drucken und als Postwurfsendung allen Haushalten in der Stadt zustellen. Schalten Sie Großanzeigen in den Tageszeitungen zum Thema. Organisieren Sie öffentliche Veranstaltungen (…).“
Ratsbegehren zur Stadtbahn? „Damit stellt sich der Stadtrat selbst in Frage.“
Weber und das von ihm vertretene Bündnis sind leidenschaftliche Befürworter der Stadtbahn. Ein weiterer Ausbau der Busflotte sei allein mangels Verkehrsflächen nicht möglich, es brauche einen umweltfreundlichen, attraktiven und leistungsfähigen ÖPNV sowie die generelle Förderung eines solchen Projekts durch Bund und Land lauten einige ihrer Argumente.
Ein Ratsbegehren zur Stadtbahn lehnt das Bündnis ab. „Im System der repräsentativen Demokratie haben die gewählten Mandatsträger zum Wohl der Bürger und deren Stadt zu entscheiden – nach bestem Wissen und Gewissen, sowie auf Grundlage ihrer mandatsbedingten, detaillierten Informationen.“ Sämtliche bisherigen Beschlüsse zur Stadtbahn seien nahezu einstimmig gefallen. Ein Ratsbegehren, das eigentlich dazu diene, den Bürgerinnen und Bürgern einen Alternativvorschlag zu einem Bürgerbegehren vorzulegen, würde all dies auf den Kopf stellen. Nach bisherigen Beschlüssen würde die Verantwortung an die Bürger zurückgegeben. „Der Stadtrat würde damit seine Aufgabe und Bedeutung als Beschlussgremium, ja sich selbst, in Frage stellen.“
Scheitern der Stadtbahn wäre „Armutszeugnis für die Verwaltung“.
Und Weber wird durchaus deutlich: „Sollte Regensburg* die sich jetzt bietende Chance zur Realisierung einer modernen Stadtbahn im ÖPNV ungenutzt verstreichen lassen, wäre das nicht nur ein unverzeihliches Versagen der Stadtpolitiker, sondern auch ein Armutszeugnis für die Verwaltung.“ *Merkur.de/bayern ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA