Querdenker betreiben „Lernoase“ bei Rosenheim: Behörden über Ausmaß überrascht - „Ein Novum“

Den Betrieb einer illegalen Schule im Kreis Rosenheim haben die Behörden am Mittwoch untersagt. Dort wurden 50 Kinder in einem alten Bauernhof unterrichtet. Die Regierung konnte die Betreiberin nun der Querdenker- und Reichsbürgerszene zuordnen.
Rosenheim – Dichter Nebel liegt über Deutelhausen, als die Polizei gegen acht Uhr anrückt. Viel Trubel herrscht die letzten Tage in dem kleinen Ortsteil von Schechen (Kreis Rosenheim*). Vier Streifenwagen, drei Zivilfahrzeuge und drei Mannschaftswagen der Bereitschaftspolizei fahren auf einem alten Bauernhof vor – und warten ab. Seit Montag haben sich die Hinweise darauf verdichtet, dass dort Kinder zur Schule gehen. Bis zu 40 Autos am Tag hatten Anwohner gezählt und die Polizei verständigt. Die Behörden reagierten schnell und schlossen die illegale Schule am Mittwoch.
„Betreiber ist eine selbst ernannte, hierzulande nicht registrierte Stiftung, die ‘Freiheit braucht Mut‘ heißt. Ihr Sitz soll in Russland sein, wo sie angeblich anerkannt und registriert ist“, sagt Wolfgang Rupp, Sprecher der Regierung von Oberbayern. Laut der Betreiberin und selbst ernannten Schulleitern unterstehe die Einrichtung russischem Recht und nicht dem deutschen. „Die Betreiberin der illegalen Schule kann in die Querdenker- und Reichsbürger-Richtung eingeordnet werden“, so Rupp. Dies gehe auch aus Unterlagen hervor. „Dort gibt es einige eindeutige Hinweise auf den querdenker- und reichsbürger-typischen Sprachgebrauch.“
Schechen: Bauernhof wird zur illegalen Schule - Leiterin stammt aus Reichsbürgerszene
Die Regierung vermutet, dass der Schulbetrieb schon seit Anfang vergangener Woche läuft. Rund 50 Kinder aus den Jahrgängen eins bis neun besuchten den Unterricht. Ob ihre Eltern auch der Querdenker- und Reichsbürgerszene zugeordnet werden können, konnte Rupp nicht sagen. „Es handelt sich aber um Schüler, deren Eltern sie wegen verpflichtender Tests und Maskenpflicht von der Schule abgemeldet haben.“ Die Kinder gehen laut Rupp auf unterschiedliche Schulen und wurden alle ordnungsgemäß entschuldigt. Daher und weil sie am Distanzunterricht teilgenommen haben, sei ihr Fernbleiben wohl nicht weiter thematisiert worden.
Die Stiftung wollte mit den Eltern Verträge abschließen, um ihre Kinder gegen Bezahlung auf dem Hof zu unterrichten. So habe ein Elternteil sein Kind sogar offiziell von der staatlicher Schule abgemeldet. „Das war strategisch etwas blöd“, sagt Rupp. „Auf dem Schreiben stand: Wir haben ihn in der Schule in Schechen angemeldet.“

Die Einrichtung soll Kinder aus dem Rosenheimer Umland und darüber hinaus aufgenommen haben. Autos mit Kennzeichen aus Bad Aibling, Miesbach* und Erding* standen auf dem Hof. Die Schulleiterin kommt wohl aus Dorfen (Kreis Erding) und ist eine beurlaubte Lehrerin. Die Schule beschrieb sie als „ganzheitliche Lernoase.“ Den Vorwurf einer „Querdenker-Schule“ wies sie gegenüber dem Bayerischen Rundfunk zurück. „Unter den Eltern sind unter anderem Kräuter- und Musik-Pädagogen, aber auch Schamanen.“
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Bis zu 20.000 Euro Strafe fallen bei Wiederaufnahme des Unterrichts an
„Private Schulen brauchen eine Genehmigung von der Regierung, Lehrplan und Unterrichtskonzept müssen das leisten, was öffentliche Schulen auch vermitteln – und ihr Personal hat der verfassungsrechtlichen Ordnung zu folgen“, sagt Rupp. „Wir fahren natürlich nicht übers Land und suchen nach illegalen Schulen. In der Regel fällt es aber auf, wenn eine öffnet. Etwa durch die Nachbarn.“ Schulartige Lerngruppen mit fünf bis zehn Teilnehmern gab es immer wieder. „Aber bei uns kann sich niemand daran erinnern, dass eine Schule dieses Ausmaßes aus dem Boden gestampft wurde. Das ist ein Novum.“
Für das Landratsamt Rosenheim hingegen ist primär entscheidend, dass der Bauernhof falsch genutzt wurde: Weder als Wohnraum noch landwirtschaftlich. „Verstößt der Betreiber gegen unseren Untersagungsbescheid, beträgt das Bußgeld 5000 Euro“, sagt Sprecherin Ina Krug. Das Bußgeld, das gegenüber der Regierung bei Wiederaufnahme des Unterrichts trotz des Untersagungsbescheides fällig würde, wäre mit bis zu 20.000 Euro weitaus höher. „Die Polizei hat gestern vor Ort kontrolliert, ob die Einrichtung auch wirklich geschlossen bleibt – und hätte die aufgeklärt, die die Schließung vielleicht noch nicht mitbekommen haben“, so Krug. Ermittelt habe die Polizei vor Ort aber nicht. *Merkur.de/bayern ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA