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RSV-Welle in Bayern: Kinderkliniken „dramatisch“ überlastet – Holetschek mit klarer Ansage gegenüber Merkur.de

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Von: Felix Herz

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DIVI-Sprecherin Nina Meckel beschreibt die RSV-Welle in Bayern als „dramatisch“ und „brenzlig“. Gesundheitsminister Holetschek reagiert nun auf die Krise.

München – Die Corona-Zahlen sinken, doch eine andere Krankheitswelle bereitet allen Mitarbeitern des Gesundheitswesens derzeit große Sorgen: die RSV-Welle. Es ist eine besonders dramatische Mischung, die gerade Fahrt aufnimmt – auf der einen Seite mangelt es an Intensiv-Kinderbetten, auf der anderen Seite sind besonders Kleinkinder von der Atemwegserkrankung betroffen. Gegenüber Merkur.de schlägt DIVI-Sprecherin (DIVI = Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin) Nina Meckel Alarm.

RSV-Welle in Bayern: „Brenzlige Lage“ – Großer Teil der Intensivbetten nicht betreibbar

Die RSV-Erkrankungen stiegen zuletzt stark an – nicht nur in Bayern, sondern im gesamten Bundesgebiet sowie in den europäischen Nachbarländern. In Frankreich wurde kürzlich der Notstand ausgerufen. Im Gespräch mit unserer Redaktion beschreibt Meckel die Lage als „brenzlig“. Man leide derzeit sowieso unter starkem Personalmangel, durch die RSV-Welle habe man derzeit eine „dramatische Überbelastung“.

RSV – was ist das?

RSV steht für Respiratorische Synzytial-Virus. Dabei handelt es sich um einen weltweit verbreiteten Erreger, der Erkrankungen der oberen und unteren Atemwege zur Folge hat. Kinder und Erwachsene entwickeln meist nur milde RS-Virus-Symptome, die Erkältungssymptomen ähneln – besonders betroffen dagegen sind Kleinkinder bis zu zwei Jahren. In den ersten drei Lebensmonaten können die Infektionen besonders schwer verlaufen, schreibt lungeninformationsdienst.de. Alle Informationen finden Sie hier auf der Website.

Prekäres Umfrage-Ergebnis zeichnet sich ab: „40 Prozent der Intensiv-Kinderbetten nicht betreibbar“

Viele Kleinkinder im Alter von 0 bis 3 Jahren müssen wegen einer RSV-Infektion beatmet werden – doch es fehlt an Intensiv-Kinderbetten. In einer bundesweiten Umfrage, deren finale Ergebnisse offiziell am Donnerstag, 1. Dezember, vorgestellt werden, würden die erhobenen Zahlen die Notlage verdeutlichen. „Es zeichnet sich ab, dass wohl 40 Prozent der Intensiv-Kinderbetten nicht betreibbar seien“, erklärt Meckel. Das zeigt sich in den bayerischen Krankenhäusern: Vor allem in Kinderkliniken in Regensburg und Nürnberg fehlt es an Intensiv-Kinderbetten. In München ist die Lage ebenfalls dramatisch.

Grund dafür ist die akute Personalnot im Pflegebereich. Auf die Frage, ob da Corona-Ausfälle eine Rolle spielen würden, sagt Meckel resigniert: „Schön wär‘s“. Denn: Wenn es Krankheitsausfälle wären, würden die Mitarbeiter in absehbarer Zeit zurückkommen – da die Pflegekräfte aber unter anderem wegen der gewaltigen Überlastung in andere Branchen abgewandert seien, ist die Lage nicht nur kurzfristig prekär.

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RSV-Welle in Bayern: Dramatische Lage bei Kleinkindern – Ursachenforschung dauert an

Vor allem für Kleinkinder ist eine RSV-Infektion gefährlich. Durch die kleinere Lungengröße richten die Viren schneller und umfangreicheren Schaden an, erklärt Meckel. Daher müssen sie beatmet werden. Kann dies jedoch nicht gewährleistet werden, eben wegen des Intensivbetten-Mangels, dann fehlt dem Gehirn Sauerstoff. Bei längerer oder anhaltenderer Unterversorgung entstehen bleibende Schäden – Meckel nennt die aktuelle Lage nicht umsonst „dramatisch“ und „brenzlig“.

RSV-Wellen gibt es aber jedes Jahr – warum ist es in diesem so schlimm? Darauf suche man noch Antworten. Es liege aber nicht daran, dass Corona das Immunsystem der Kinder beschädigt habe. Eine Rolle spielt das Virus aber wohl trotzdem: Man vermutet, dass 2022 Infektionen nachgeholt werden. In den letzten zwei Pandemie-Jahren seien Kleinkinder, beziehungsweise deren ältere Geschwister, unter anderem wegen Kita-Schließungen, weniger in Kontakt mit den Viren gekommen. Denn dass sie das tun, ist normal: „Bis zum Ende des zweiten Lebensjahres haben nahezu alle Kinder mindestens eine RS-Virus-Infektion durchgemacht“, schreibt lungeninformationsdienst.de.

RSV-Welle in Bayern: Notlage in Frankreich – Holetschek mit klarer Ansage gegenüber Merkur.de

In Frankreich war in den letzten Tagen der Höhepunkt der RSV-Welle erreicht. Im Nachbarland hat man darauf mit dem Notstand reagiert. In Deutschland, so Meckel, gehe man davon aus, dass der Höhepunkt der hiesigen RSV-Welle rund um das kommende Wochenende erreicht werde – etwa zehn bis zwölf Tage nach dem Scheitelpunkt in Frankreich.

In Bayern nimmt die RSV-Welle dramatische Ausmaße an – vor allem wegen des Mangels an Pflegekräften. Gesundheitsminister Holetschek antwortet nun auf die Krisen-Situation.
In Bayern nimmt die RSV-Welle dramatische Ausmaße an – vor allem wegen des Mangels an Pflegekräften. Gesundheitsminister Holetschek antwortet nun auf die Krisen-Situation. © Addictive Stock / IMAGO / Sven Hoppe/dpa/Archivbild / Merkur-Collage

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) hält davon wenig und sagt auf Merkur.de-Anfrage: „Für die Ausrufung des Katastrophenfalles sehe ich keinen Anlass, da ich nicht wüsste, was das bringen soll.“ Er warnt vor „unüberlegten Schnellschüssen“.

Holetschek: „Unliebsame Maßnahmen“ – Mehr Patienten pro Pflegekraft

Trotzdem stehe es außer Frage, dass es dringenden Handlungsbedarf gibt. „Wir brauchen jetzt möglichst schnell Lösungswege“, so Holetschek mit Blick auf die RSV-Welle in Bayern, die auch in anderen Bundesländern teilweise dramatische Züge annimmt. Dabei gelte es angesichts der „Dramatik der Ausnahmesituation“ auch „unliebsame Maßnahmen“ zu ergreifen. Die Rede ist dabei von den Pflegepersonaluntergrenzen. Diese legt eine maximale Anzahl von Patienten pro Pflegekraft fest, um deren Überbelastung vorzubeugen. Von dieser müssen die Kliniken aus Sicht von Holetschek „befristet abweichen“.

Auch sollte es kein Tabu sein, so Holetschek, Erwachsenenpersonal auch auf den Kinderstationen einzusetzen. Hier gäbe es dem Minister zufolge für die Krankenhäuser die Möglichkeit, einen Ausnahmetatbestand gegenüber den Krankenkassen geltend zu machen. Zudem müsse man in Erwägung ziehen, „ältere Kinder und Jugendliche mit Knochenbrüchen oder anderen Erkrankungen, deren Behandlung keine spezifische pädiatrische Expertise erfordert, außerhalb von speziellen Kinderstationen zu versorgen“. Darüber und über weitere Vorschläge werde Holetschek in Kürze mit Experten beraten, heißt es in dem Statement.

Personalnot im Pflegebereich: Holetschek will die „Hand am Bett“

Auf die große Personalnot, die Meckel beschreibt und für die sie Abwanderung nach langanhaltender und zu hoher Belastung als Ursache ausmacht, hat Holetschek ebenfalls eine Antwort. Er nennt – im Gegensatz zu Meckel – auch „aktuelle Personalausfälle infolge von Corona, Grippe oder anderen Atemwegsinfekten“ als Grund für die Engpässe, zu denen „auch eine zunehmende Ermüdung des Personals mit der Folge einer beruflichen Umorientierung“ führe.

Dies sei aber nicht das einzige Problem, erklärt Holetschek – und verweist auf die „überbordende Bürokratie“. Es gelte, mehrfache Dokumentierung zu vermeiden und Erleichterungen zu schaffen. Die Versorgung der Patienten müsse an erster Stelle stehen, und nicht unnütze Bürokratie, so der Gesundheitsminister: „Die Hand am Bett ist jetzt wichtiger als die am Schreibtisch.“

Dramatischer Appell: Triage in der Kindermedizin wegen RSV-Welle?

Die DIVI-Pressesprecherin Nina Meckel betont indessen gegenüber merkur.de nochmal die Wichtigkeit, aktiv zu werden – und bringt dabei das aus der Corona-Zeit gefürchtete Wort der Triage ins Spiel. Es beschreibt den Vorgang, in dem Ärzte entscheiden müssen, um wen sie sich – aufgrund höherer Chancen auf Behandlungserfolge – kümmern, da nicht für jeden Patienten Zeit und / oder Platz ist.

Damit es nicht so weit kommt, mahnt Meckel: „Es muss ganz dringend eine ganze Menge passieren!“ (fhz)

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