UNESCO-Weltkulturerbe Schloss Neuschwanstein: Bürger sollen mitbestimmen

Soll Schloss Neuschwanstein UNESCO-Weltkulturerbe werden oder nicht? Darüber will die Gemeinde Schwangau die Bürger in diesem Jahr an der Wahlurne abstimmen lassen.
Schwangau - Voraussichtlich im Sommer 2025 wird das Welterbekomitee der UNESCO darüber entscheiden, ob die Königsschlösser Neuschwanstein, Linderhof, Schachen und Herrenchiemsee in die UNESCO-Welterbeliste eingetragen werden – 24 Jahre, nachdem der Bayerische Landtag das dafür erforderliche Verfahren eingeleitet hat (siehe Infokasten).
Deutlich früher, nämlich noch in diesem Jahr, sollen die Schwangauer Bürger an der Wahlurne darüber abstimmen, ob die Gemeinde die Bewerbung unterstützen soll oder nicht. Ein entsprechendes Ratsbegehren soll der Gemeinderat in seiner Sitzung am kommenden Montagabend, 6. Februar, beraten und beschließen.
Hintergrund sind die weitreichenden Folgen, die eine Ernennung des Märchenschlosses zum UNESCO-Weltkulturerbe für die Gemeinde hätte, wie Hauptamtsleiterin Christina Gerster gegenüber dem Kreisboten erläuterte. „Das möchte der Gemeinderat nicht allein entscheiden“, sagte sie.
Tatsächlich müsste die Gemeinde im Fall einer Ernennung des Schlosses künftig bei ihren Bauleitplanverfahren die besonderen Belange des Denkmalschutzes berücksichtigen. Und auch auf den Tourismus im Ort dürfte sie erhebliche Auswirkungen haben.
„Bei jedem Bauleitperfahren hätte man diesen Zusatzschritt“, so Schwangaus Bürgermeister Stefan Rinke (CSU) im Gespräch mit dem Kreisboten. Denn sollte Ludwigs Märchenschloss tatsächlich Welterbe werden, müssten die Sichtachsen auf das Schloss frei bleiben und dürften somit nicht bebaut werden. Betroffen davon wäre das Gebiet von Alterschrofen bis zum Bannwaldsee, die sogenannte Pufferzone um das Schloss herum. Das Prunkgebäude selbst würde zur „Kernzone“.
Sichtachsen schützen
„Neuschwanstein funktioniert über die Sichtachsen auf das Schloss in Kombination mit der Landschaft“, erläuterte Rinke. „Diese Sichtachsen versucht man zu schützen.“ In Dresden beispielsweise habe das nicht funktioniert, erinnert der Rathauschef. 2004 war das Desdner Elbtal zum Weltkulturerbe erklärt worden, bekam den Titel aber nur fünf Jahre später von der UNESCO wieder aberkannt. Der Grund: der Bau der Waldschlösschenbrücke über die Elbe in Dresden.
Im Dorf der Königsschlösser ist die Situation allerdings eine andere. „Wir haben die Flächen ja auch so schon in den letzten 100 Jahren freigehalten“, erklärte Rinke. Immerhin wisse man in der Gemeinde nur zu gut um die Bedeutung des Schlosses, auch und vor allem für den Tourismus. „Die Gäste schätzen den freien Blick.“ Somit gehe es eigentlich nur um die Formalisierung des ohnehin schon vorhandenen Willens, eine freie Sicht auf Neuschwanstein zu ermöglichen.
Wie entwickelt sich der Tourismus?
Sollte Neuschwanstein den Titel zugesprochen bekommen, könnte das aber auch Auswirkungen auf den Tourismus im Ort haben. Die Frage laut Rinke ist: kommen dann mehr oder weniger Gäste? „Wir rücken damit auf in die Liste der absoluten Weltdenkmäler wie etwa Machu Picchu“, so der Bürgermeister. In Dubrovnik und Venedig, beide ebenfalls Weltkulturerbe, sei beispielsweise ein zunehmender Übertourismus zu verzeichnen. In Schwangau laufe der Tourismus aber bereits jetzt gut.
Ein weiterer Grund für das Ratsbegehren ist laut Rinke, dass die UNESCO eine Beteiligung der betroffenen Bürger im Vorfeld der Entscheidung wolle.
Geplant ist, dass der Gemeinderat am Montagabend zunächst den Grundsatzbeschluss fasst, ob die Bürger an der Wahlurne befragt werden sollen. Im weiteren Verlauf des Verfahrens soll dann in einer der folgenden Ratssitzungen eine Fragestellung für den Bürgerentscheid formuliert und beschlossen werden. „Schnellstmöglich innerhalb des Fristenlaufs“, wie Rinke betonte.
Darüber hinaus ist eine Info-Veranstaltung geplant. Denkbar sei eine moderierte Podiumsveranstaltung mit Vertretern der Bayerischen Schlösserverwaltung, Tourismusexperten, Vertretern des Denkmalschutzes, der Landwirtschaft und anderen Interessengruppen. Ziel sei, die Bürger über alle Facetten einer Ernennung zum Weltkulturerbe so gut wie nur möglich zu informieren. Anschließend soll dann der Bürgerentscheid über die Bühne gehen. „Die Bürger haben einfach das letzte Wort“, so Bürgermeister Rinke im Gespräch mit unserer Zeitung.
Beginn der Sitzung des Gemeinderats ist am Montagabend, 6. Februar, um 19.30 Uhr im Sitzungssaal.
Der Weg Neuschwansteins zum Weltkulturerbe
2001 Antrag und Beschluss zur „Aufnahme von Schloss Neuschwanstein in die Vorschlagsliste für die Ausweisung als Weltkulturerbe“
2007 Antrag und Beschluss „Ludwig II. Schlösser als UNESCO-Weltkulturerbe“
2011: Vorschlag der Bayerischen Schlösserverwaltung Königsschlösser Ludwigs II. für die Fortschreibung der UNESCO-Tentativliste zum offenen bayernweiten Interessensbekundungsverfahren
2011: Zustimmung der unabhängigen Expertenkommission im bayernweiten Interessensbekundungsverfahren:.
2014: Empfehlungen des Fachbeirats der Kultusministerkonferenz (KMK) zur Fortschreibung der deutschen Tentativliste für das UNESCO-Welterbe mit Abschlussbericht
2015: Bestätigung der neuen deutschen Tentativ-Liste durch die UNESCO auf ihrer 39. Sitzung in Bonn mit dem bayerischen Vorschlag:
2017: Fertigstellung des Welterbeantrags und Zustimmung der Gemeinden Ettal, Garmisch-Partenkirchen, Chiemsee, Prien, Rimsting, Grabenstätt und Übersee
Seit 2019: Kommunales Denkmalkonzept Schwangau (noch nicht abgeschlossen)
30. September 2023: Vorprüfung des UNESCO-Antrags Königsschlösser Ludwigs II. bei der UNESCO-Kommission in Paris
1. Februar 2024: Von der KMK gesetzter Abgabetermin des Welterbeantrags Königsschlösser
Sommer 2025: Voraussichtliche Entscheidung der UNESCO-Kommission zur Eintragung der Königsschlösser in die Weltkulturerbeliste der Menschheit