In Pfronten stellt sich die Situation an der örtlichen Mittelschule ähnlich dar. Alle Stunden können abgedeckt werden. Sogar Arbeitsgemeinschaften und Lernfördergruppen stehen den Schülern zur Verfügung. Rektorin Gerlinde Briechle kann auch auf einen Förderlehrer zurückgreifen sowie auf Brückenkräfte und Drittkräfte. Ihre Schule sei vom Schulamt gut mit Unterrichtszuweisungen ausgestattet worden. Ihre Schule sei übrigens eine Praktikumsschule, die sich immer wieder über Praktikanten freue. Zurzeit ist eine Lehrkraft krankgemeldet. Eine mobile Reserve wurde der Schule zugeteilt.
„Haben ein Loch“
Briechle bestätigte gegenüber dem Kreisbote, dass eine Lehrerin der Mittelschule an die Grundschule in Seeg gewechselt ist. Drei Jahre sei die Frau an ihrer Schule tätig gewesen, „weil zu dieser Zeit Klassenlehrer für die Mittelschule gebraucht wurden. Jetzt werden Lehrer an der Grundschule benötigt.“ Besagte Lehrerin sei aber nach vorheriger Absprache mit dem Schulamt wieder in die Grundschule gewechselt.
Grundsätzlich können sich aber immer weniger junge Menschen für ein Lehramtsstudium im Bereich Grund- und Mittelschule begeistern. Laut Schulamtsdirektor Andreas Roth werde sich die Situation in den nächsten Jahren noch verschärfen. „Wir haben schon ein Loch, es ist allerdings nicht auf dem Papier.“ Voll ausgebildete Lehrkräfte seien auf dem Markt nicht mehr vorhanden. Von daher müsse man auf mobile Reserven zurückgreifen. Allerdings treibt ihn die Sorge um, dass Lehrkräfte in der Corona-Saison im Herbst krankheitsbedingt ausfallen werden. Das könne dazu führen, dass die mobile Reserve an Lehrern dann nicht mehr ausreicht.
Zu viele Aufgaben
Laut Berechnungen des BLLV fehlen rund 4.000 Lehrkräfte an Grund-, Mittel- und Förderschulen. Über die jüngsten Aussagen Söders, dass Teilzeitkräfte „mal freiwillig eine Stunde länger arbeiten sollen“ kann Frank Hortig, Schulleiter der Gustav-Leutelt-Grund-und Mittelschule in Neugablonz und zugleich Abteilungsleiter für Berufswissenschaften im BLLV im Bezirk Schwaben, nur mit dem Kopf schütteln: „Die Idee ist alles andere als problemlösend, das ist fernab der Praxis.“ Es bliebe ja für die Pädagogik der Kinder kaum mehr Zeit im Logistikdschungel. Man versuche doch schon Lücken zu stopfen mit Teilzeitkräften. „Das löst aber nicht das Problem.“
Gerlinde Briechle kennt keine Kollegen, die nicht ohnehin mehr Stunden arbeiten als abgerechnet werden. „Zusatzaufgaben, die nicht direkt mit Unterricht zu tun haben, werden exponentiell mehr. Auch Verwaltungsaufgaben steigen für Lehrer rasant.“ Sie verweist auf eine Vielzahl an Tätigkeiten wie die Zusammenarbeit mit Psychologen, dem Jugendamt, Berufsberatungen, mobilen pädagogischen Diensten, Schulbegleitern und Jugendsozialarbeitern.
Doch was muss eigentlich passieren, damit der Beruf des Lehrers, besonders für Grund- und Mittelschulen, wieder attraktiver wird?
Briechle findet, Lehrer sollten wieder mehr Zeit für den Unterricht investieren können, auch Verwaltungs- und Kooperationsaufgaben müssten dringend ausgelagert werden. Darüber hinaus benötigten die Verwaltungsangestellten in den Mittelschulen dringend mehr Stunden.
Christian Gebauer schlägt ähnliche Töne an, wobei für ihn die Bezahlung und die Stundenzahl der Lehrkräfte den anderen Lehrämtern angeglichen werden müssten. Auch wenn künftig Lehrer an Grund- und Mittelschulen das gleiche Einstiegsgehalt wie an Gymnasien und Realschulen (A13) bekommen sollten, sind die derzeit bestehenden Probleme noch längst nicht ad acta gelegt.
„Momentan flicken wir am bestehenden System Schule. Pädagogische Arbeit tritt zusehends in den Hintergrund, zu wenig kommt am Kind an“, kritisiert Frank Hortig. Schule an sich werde nicht angemessen weiterentwickelt. „Man hält am klassischen Schulsystem fest, auch junge Menschen erkennen das und wollen dieses System nicht bedienen. Schule braucht Reform, Digitalisierung ist nicht alles. Sie kann die Defizite in der Schulentwicklung nicht ausgleichen.“ Dies habe eklatante Folgen. Von daher müsse man sich ernsthaft mit dem Thema beschäftigen. Wann der Stein ins Rollen kommt, ist dann hoffentlich nur noch eine Frage der Zeit.