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Toleranz und Miteinander: Zwei Kulturwerkstatt-Premieren im Zirkuszelt

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Von: Ingrid Zasche

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Theater Kulturwerkstatt Kaufbeuren, „Ein Känguru wie Du!“
Der Tiertrainer (Uwe Amberger, re.) echauffiert sich über Schwule und Känguru Django (Klaus Dopfer) hört stirnrunzelnd zu. Im vergangenen Jahr konnte das Stück „Ein Känguru wie du“ nur als szenische Lesung stattfinden. Am 17. Juni feiert es nun seine Premiere im Zirkuszelt auf dem Tänzelfestplatz. © Archiv/Zasche

Kaufbeuren – Die Kulturwerkstatt Kaufbeuren (KW) stellt im Juni ein Zirkuszelt auf den Tänzelfestplatz und kündigte in einem Pressegespräch neulich gleich zwei Premieren an: Ab 17. Juni wird das Stück von Ulrich Hub „Ein Känguru wie du“ im Zelt endlich richtig gespielt. Letztes Jahr, zum Auftakt der ersten Allgäu Pride Week, konnte es wegen einer Verletzung von Thomas Garmatsch nur als Lesung stattfinden. Am 24. Juni feiert dann „ein Fest der Sinne“ Premiere: der fast zweieinhalbstündige Zirkus „Jahrmarkt der Träume“ mit Live-Musik.

„Ein Känguru wie du“

Weil wegen seines Unfalls einige Wochen Probenzeit fehlten, hatten Thomas Garmatsch, Uwe Amberger, Jannis Konrad und Klaus Dopfer das sowohl unterhaltsame als auch ernsthafte Familienstück „Ein Känguru wie du“ 2021 kurzerhand als szenische Lesung präsentiert. Es war die begabte Kostümbildnerin Dagmar Meyer, welche die bunten Kostüme dafür lieferte. Ulrich Hub legt in seiner Zirkus-Parabel über Diversität dem kleinen schwarzen Panther Lucky (Konrad) und dem kleinen weißen Tiger Pascha (Garmatsch) Worte in den Mund, die mit unschuldigem Witz Vorurteile entlarven und von jedem Kind verstanden werden.

Die Handlung

Die beiden handzahmen vegetarischen Raubkätzchen fliehen zunächst aus dem Zirkus, weil sie den Verdacht haben, dass ihr Trainer (Amberger mit zwerchfellerschütterndem Wiener Akzent) schwul ist – er parfümiert sich, ist weich und gefühlvoll, kann kochen und hat keine Freundin. Unterwegs stellen Lucky und Pascha fest, dass „Freiheit und Abenteuer“ ohne Geld längst nicht so reizvoll sind wie erwartet. Sie treffen das boxende Känguru Django (Dopfer) und freunden sich mit ihm an. Als Django freimütig erzählt, dass er als schwules Känguru Schwierigkeiten hat, einen Partner zu finden, beschließen Lucky und Pascha, ihn mit ihrem Trainer zu verkuppeln. Sie sind inzwischen zu der Ansicht gelangt, dass „Liebe immer schön ist“. Somit sind sie bereit, jedwede sexuelle Vorliebe zu akzeptieren.

Der Trainer ist aber gar nicht schwul, sondern im Gegenteil massiv voreingenommen und widerlegt vehement jedes Indiz, das ihn mit Schwulsein in Verbindung bringen könnte. Es wäre jedoch kein Familienstück, wenn es nicht schließlich doch ein Happy End gäbe.

LGBTQIA+

Auf alle Fälle regt das von Simone Dopfer mit vier „alten KW-Hasen“ inszenierte Stück dazu an, gründlich darüber nachzudenken, wie man denn selbst zu LGBTQIA+ (Abkürzung für: Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Queer/Questioning, Intersex, Asexuell/Aromantisch und alle anderen, sich selbst der queeren Community zugehörig fühlenden Menschen. Anm. d. Red.) steht. Zudem engagiert sich eine queere Jugendgruppe – noch neu in Kaufbeuren und ohne Namen – durch Mundpropaganda für das Stück und plant einen Infostand, den sie bei der Premiere aufstellen möchten. Ihr Ziel ist nicht die Betonung ihrer Besonderheit, sondern Aufklärung und ganz normales Integriertsein.

„Jahrmarkt der Träume“

Ab dem 24. Juni erlebt der Besucher im Zirkuszelt eine ganz besondere Show. Keine geleckte, professionelle Show, der Reiz liegt vielmehr im „Nicht-Perfekten“. Mitspieler und Zuschauer sollen vor allem Spaß haben, schmunzeln, sich wohlfühlen. Unter der Regie des KW-Teams und der Musikalischen Leitung von Manfred Eggensberger entstand eine Nummernshow, bei der endlich wieder einmal wirklich alle aus der Kulturwerkstatt mitspielen können. Maus und Mafu, zwei Lebenskünstler liefern die Rahmenhandlung und einen roten Faden selbst für die allerkleinsten „Insektenkinder“. Insgesamt rund 100 Kinder, Jugendliche und Erwachsene aus der Kulturwerkstatt lassen durch Spiel, Tanz, Zauberei, Gaukeln, Akrobatik und einen Mix von Live-Musik und Musik-Konserve diese ganz besondere Zirkusatmosphäre entstehen. Unter www.kw-programm.de/zirkus kann man schon einmal ins digitale Programmheft der Kulturwerkstatt hineinschauen und sich einen kleinen Vorgeschmack holen. Worauf? – Auf Nummern wie den Flohzirkus, die waghalsige Besteigung eines Stuhlturmes, eine Zaubershow, Fliegende Fische, eine Seilnummer oder magische Irrlichter.

1999 gab es schon einmal einen „Jahrmarkt der Träume“ im Zirkuszelt. Viele Darsteller von damals können sich noch gut daran erinnern. Inzwischen sind in der Manege deren Kinder zu sehen. Mit einigen Nummern hat sich die KW erlaubt, sich selbst ein klein wenig aus den alten Inszenierungen zu zitieren…

Der „Jahrmarkt der Träume“ ist wieder eine Geschichte, die zeigen will, wie schön, schwierig und lustig Unterschiedlichkeit sein kann, ein großer Spaß, mit ernsten Untertönen. Das große Thema ist „Wir“ – es zählt die Gemeinschaft. Und die KW möchte ihre Zuschauer auch in diesen schweren Zeiten zum Lachen bringen: „Lachen ausdrücklich gewünscht“ heißt es im digitalen Programmheft. Der Kartenvorverkauf für beide Stücke hat begonnen.

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