Pandemie mehr Fälle an illegaler Prostitution festgestellt habe. „Corona hat als eine Art Brandbeschleuniger fungiert.“
Im Präsidiumsbereich verzeichnet die Polizei eine in den Corona-Jahren deutlich angestiegene Zahl an Verstößen. (Zum Vergleich: 2017: 25; 2018: 37; 2019: 37; 2020: 60; 2021: 113) Für die Stadt Kempten mit dem Landkreis Oberallgäu bedeutet das an Bußgeld- und Strafverfahren zusammengenommen: 2017: 3; 2018: 7; 2019: 6; 2020: 9; 2021: 12.
Den Vorwurf, dass die Polizei dagegen nichts unternehme, will Stabik so jedenfalls nicht stehen lassen. „Es gibt digitale präventive Streifenfahrten, um insbesondere schwere Straftaten wie Kinderpornografie, Anschlagsvorbereitungen oder Amokläufe zu erkennen. Aber auch der illegalen Prostitution wird in diesem Rahmen nachgegangen. Erhalten wir aus der Bevölkerung einen Hinweis über ein verdächtiges Inserat, gehen wir dem nach und prüfen präventiv auch weitere Inserate auf dem Internetportal“, erklärte Stabik, räumt jedoch ein: „Wir haben keinen direkten Zugriff auf die Portale. Wir können nur an die Betreiber herantreten und diese bitten, die Verstöße herauszunehmen. Wenn diese ihren Sitz nicht in Deutschland haben, ist die Frage, ob sie nach nationalem Recht dazu verpflichtet sind, dem nachzugehen. Das gleiche Problem haben wir beispielsweise auf Facebook im Bereich der Hasskriminalität.“ Selbst wenn der Eintrag vom Seitenbetreiber gelöscht werde, sei es ein Leichtes, ein neues Profil mit neuem Namen und neuer Handynummer anzulegen. „Die Frage ist, ob man nicht an anderer Stelle ansetzen müsste, beispielsweise bei den regulatorischen Bedingungen seitens der Politik. Wie müsste der Umgang mit den Seitenbetreibern sein? Ab wann ist es
illegal?“
Taktisch knifflig und eine Frage der Priorisierung
Die Polizei nehme natürlich trotzdem alle Mitteilungen ernst, sagt Stabik. Wenn die Betreiber der Prostitutionsstätten in Kempten der Polizei Verstöße meldeten, sei das zwar gegebenenfalls hilfreich, jedoch könnten sie diese nicht unmittelbar in der Sekunde abstellen. „Wir haben ein taktisches Problem, tatsächlich einen Verstoß feststellen zu können. Denn das Anbieten der Dienstleistung ist nicht verboten, nur die Ausübung. Das heißt, um einen Verstoß nachzuweisen, müssen wir die Person in flagranti erwischen.“ Und das sei auch eine Frage der Priorisierung. „Wenn uns ein Fall illegaler Prostitution und einer der Körperverletzung parallel gemeldet werden, können Sie sich vorstellen, welchem Fall die freie Streife zuerst nachgeht. Vor allem, wenn es sich bei der Prostitution beim Erstverstoß nur um eine Ordnungswidrigkeit handelt. Natürlich wird im Nachgang auch dieser Hinweis verfolgt. Aber wenn die Kollegen dann vor Ort sind, treffen sie meist niemanden mehr an. In so einer Situation waren wir dann wohl zu spät dran. Das bedeutet aber nicht, dass wir uns der Thematik nicht angenommen hätten“, sagt Stabik mit Verweis auf die begrenzten Personalressourcen. Aus diesem Grund sei es auch schwierig, Beamte in Zivil loszuschicken, die sich als Interessenten ausgeben. „Wir bräuchten ständig andere Beamte, damit das nicht zu verdächtig wirkt. Die Szene spricht sich auch untereinander ab.“
Eine andere Priorisierung liege dann vor, wenn es sich um einen Fall von Zwangsprostitution handele. Das seien Deliktsfelder, hinter denen die wirkliche Ermittlungsarbeit stecke. Wenn den Frauen die Pässe entzogen würden und sie eventuell hohe Schleusenschulden abarbeiten müssten, befänden diese sich in einer starken Zwangsposition. „Aber auch hier brauchen wir eine Aussage der Prostituierten, dass sie dazu gezwungen wird, damit wir tätig werden können“, erklärt Stabik. Zuhälterei habe die Polizei jedoch nur ganz vereinzelt feststellen können. „Wenn ein Zuhälter alle zwei Stunden Geld entgegennimmt, ist das im regulären Streifendienst nicht erkennbar. Außerdem verschwinden diese ganz schnell, wenn sie Uniformierte sehen.“