Den Anfang der Festreden machte Oberbürgermeister Manfred Schilder: „Mit seinen kenntnisreichen und scharfen Analysen unserer Gesellschaft setzt sich Professor Heribert Prantl unablässig und mit großem Nachdruck für die Wahrung der Menschenwürde, für Freiheit, Recht und Gerechtigkeit ein. Im Spannungsfeld von Recht, Moral und Politik stellt er sich einem fahrlässigen Umgang mit der Wahrheit entgegen und verteidigt die Pressefreiheit als eine der Grundsäulen unserer demokratischen Gesellschaft,“ verlas Manfred Schilder aus der Freiheitspreis-Urkunde.
In seiner Laudatio beschrieb Bundestagspräsident a.D. Prof. Dr. Norbert Lammert den Preisträger als „engagierten Europäer, bekennenden Christen, exzellenten Juristen und brillanten Journalisten.“ Zeitweilig humorig und doch sehr ernsthaft trug Lammert einige wichtige Zitate des Preisträgers vor: „Nicht die Freiheit muss sich rechtfertigen, sondern ihre Beschränkung und Begrenzung“. Und: Der Journalismus sei „der einzige Beruf, für den es ein eigenes Grundrecht gibt, die Pressefreiheit. Und diese Pressefreiheit ist nicht nur ein Recht, sie ist auch eine Pflicht.“ Lammert bemerkte auch: „Die öffentliche Lust auf eine alexandrinische Knoten zerhauende Politik ist eine undemokratische Lust; ein Demokrat haut nicht schnell zu, sondern nestelt herum. Das dauert bisweilen lange, manchmal entsetzlich lange, ein Demokrat lässt nicht die Fetzen fliegen, sondern versucht, den Knoten zu lösen.“ Denn nur so funktioniere die Demokratie im Unterschied zu autoritären Systemen. Prof. Prantl habe sich in seinem Werk der Demokratie und den Grundrechten verschrieben. Was ihn (Lammert) und Prof. Prantl besonders verbinde, sei der Respekt vor der deutschen Verfassung.
Danach erklärte sich auch der Preisträger Prof. Dr. Heribert Prantl: „Ich danke der Stadt Memmingen dafür, dass sie der Freiheit und den Freiheitsrechten auf den Grund geht. Der von der Stadt Memmingen verliehene Freiheitspreis erinnert daran, wie tief die Wurzeln reichen: Die Geschichte des Kampfes gegen Unterdrückung, die Geschichte des Kampfes für Freiheit und Menschenrechte in Europa beginnt nicht erst 1789 mit der Französischen Revolution, sie beginnt über 250 Jahre vorher; sie beginnt 1525 in Memmingen mit den Zwölf Artikeln der aufständischen Bauern, die sich auf das Evangelium beriefen.“ So früh seien zum ersten Mal Grund- und Menschenrechte formuliert worden. Das war und ist spektakulär. „Die Zwölf Artikel waren der Entwurf zu einer Verfassung von einer grund- und menschenrechtlichen Kraft, wie dann bis 1848 keine mehr verfasst wurde. Es führt also eine grundrechtliche Linie von der Stube in der Memminger Kramerzunft hin zur Frankfurter Paulskirche und zur Weimarer Reichsverfassung von 1919“, erklärte Professor Prantl.
Auch Dekan Christoph Schieder erinnerte an das Jahr 1525, als schon seit einem Jahr Bauernkriege in Deutschland tobten, die am Ende mehr als 70.000 Menschenleben kosteten. „Damals greifen die schwäbischen Bauernhaufen nicht zur Waffe, sondern ergreifen das Wort. Nicht das scharfe Schwert, sondern die spitze Feder soll ihren Forderungen Ausdruck verleihen. Die Bauern setzten auf die Macht des Wortes. Damit solche schöpferischen, machtvollen Worte durch unsere Welt gehen, braucht es Menschen, die mutig und geistreich nach ihnen suchen, die mit ihnen besonnen provozieren, die anregen.“ Menschen eben, wie der Preisträger Dr. Prantl.
Die Intendantin des Landestheaters Schwaben, Dr. Kathrin Mädler, verlas im Anschluss die Zwölf Artikel der schwäbischen Bauern. Herbert Müller, Vorsitzender des Kuratoriums „12 Bauernartikel – Memminger Freiheitspreis 1525“, erinnerte daran, dass die Bauern ihre Forderungen und Ziele nicht nur zu Papier gebracht und beschlossen haben. Vielmehr haben sie die Freiheit so beschrieben, dass Freiheit bedeutet, Verantwortung für den Schwachen zu übernehmen, auf den anderen zu achten und dass dies nicht zur Einschränkung der eigenen Freiheit führt. Auf Grundlage des Evangeliums wollten sie den Dialog als Lösung und Antwort auf die Gewalt und nicht den Sieg auf dem Schlachtfeld. Durch die Zwölf Artikel, so führte Müller weiter aus, würden wir heute ermahnt, auf einem gemeinsamen Wertegerüst wie zum Beispiel die Menschenrechtcharta der Vereinten Nationen, nach Lösungen zu suchen, um Tod, Zerstörung und Aggression zu überwinden. „Die Zwölf Bauernartikel sind ein gutes Stück deutscher Geschichte, unbequem, aber wir können stolz auf sie sein.“
Manfred Schilder informierte noch über den Plan der Stadt Memmingen, angesichts der 500-Jahr-Feier der Abfassung der ?auernartikel in 2025, eine Stiftung zu gründen. „Zweck der Stiftung soll es sein, erstens das Gedenken an die Abfassung der Zwölf Artikel zu pflegen und deren Bedeutung in die gegenwärtige Zeit zu übertragen, zweitens das Denkmal Kramerzunft zu erhalten und drittens die Teilhabe aller am Gemeinwesen zu fördern unter der Wahrung unserer Verfassungs- und Freiheitsrechte.“ Der Oberbürgermeister lud die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Memmingen und des Umlandes ein, an der Stiftung und ihrem nachhaltigen Wirken für Freiheit und Gerechtigkeit teilzuhaben. Abschließend bedankte sich Schilder bei der Memminger Unternehmerfamilie Brey, die das Preisgeld für den Memminger Freiheitspreis gestiftet hat.
Musikalisch begleitet wurde die Verleihung des Freiheitspreises von Kirchenmusikdirektor Hans-Eberhard Roß an der Orgel sowie vom Bläserchor St. Martin unter der Leitung von Rolf Spitz.
Im Anschluss an die Veranstaltung in der St. Martin Kirche trugen sich Prof. Dr. Heribert Prantl und Prof. Dr. Norbert Lammert in der Zunftstube der Kramerzunft in das Goldene Buch der Stadt Memmingen ein.
Auf dem Weinmarkt wurden die Reden aus der Kirche St. Martin noch einmal vorgetragen, jedoch zum Teil mit aktuellen Bezügen. So wurden die politischen Vorgänge in einigen unserer Nachbarländer beleuchtet und daran erinnert, wie wichtig die Pressefreiheit ist. Denn „Pressefreiheit ist das Brot der Demokratie“.